# taz.de -- Echte rechte Bildästhetiken: Digitalfaschismus in Pastell | |
> Prompt: „Echte Frauen“ und „wahre Helden“. KI-Bilder sind zur visuell… | |
> Propagandasprache der neuen Rechten geworden. Wie kam es dazu? | |
Bild: Futuro-Vergangenheit im römisch-imperialen Style: Dryden Brown teilte di… | |
Berlin taz | „Echte Frauen sind rechts“, schreibt die Junge AfD | |
Baden-Württemberg kürzlich in einem Social-Media-Post. Den Hintergrund des | |
Schriftzugs bildet ein Porträt einer jungen, blonden, normschönen Frau, die | |
inmitten einer idyllisch anmutenden Berglandschaft in die Ferne blickt. | |
Doch gibt es da nicht einen performativen Widerspruch? Denn die Frau auf | |
dem Bild ist nicht „echt“, sondern KI-generiert – und das ziemlich | |
offensichtlich. | |
Die sterile Symmetrie ihres Gesichts, die gummiartige Haut und die | |
klaffende Leere in ihrem Blick lassen die Illusion von „Echtheit“ gar nicht | |
erst entstehen. Doch dieser Widerspruch scheint keine Irritation unter den | |
Followern der Jungen AfD Baden-Württemberg auszulösen. | |
Text-to-Image-Modelle wie Midjourney, DALL·E oder Stable Diffusion, mit | |
denen auch das Bild dieser „echten, rechten Frau“ generiert wurde, mögen zu | |
Beginn noch über alle gesellschaftlichen Lager hinweg eine leicht nervöse | |
Faszination ausgelöst haben, inzwischen hat ihre Nutzung jedoch eine | |
eindeutige politische Färbung. | |
## Die neue Rechte liebt KI | |
Es sind vor allem Akteur:innen aus dem rechten Spektrum, die | |
KI-generierte Bilder verbreiten. Nicht selten setzen sie diese für | |
Propagandazwecke ein. Ob „Ghibli“-fizierte Abschiebeszenarien, [1][Gaza als | |
„Riviera of the Middle East“] oder Trump als Papst – die radikale Rechte | |
weltweit liebt KI-generierte Bilder, wie der Bild- und | |
Medienwissenschaftler Roland Meyer jüngst in einem vielbeachteten | |
[2][Vortrag auf der re:publica] gezeigt hat. | |
Die Ästhetik von KI, so Meyer, sei alles andere als zufällig zur | |
bevorzugten Propagandasprache des digitalen Faschismus avanciert. In der | |
Logik und Funktionsweise von KI-Tools, zumindest in ihrer derzeitigen | |
kommerziellen Form, seien die Voraussetzungen für eine besondere | |
ideologische Affinität mit rechten Bild- und Vorstellungswelten bereits | |
angelegt. | |
Warum? Entgegen ihrer Aura des technologischen Fortschritts, sei KI sogar | |
„strukturell nostalgisch“, so Meyer in einem [3][Beitrag für „Geschichte | |
der Gegenwart“]. Generative KI produziere nichts anderes als | |
Rekombinationen von bereits vertrauten Mustern – und zwar von solchen, die | |
in der Vergangenheit besonders beliebt waren. Bestehende Tendenzen werden | |
dabei noch verstärkt. Denn kommerzielle KI-Tools werden darauf trainiert, | |
möglichst eindeutige und lesbare Muster hervorzubringen. | |
Und was wäre eindeutiger und leichter lesbar als das bereits Bekannte, das | |
Normative, das Klischee? Ambivalenzen und Störfaktoren werden beseitigt, | |
während ohnehin schon beliebte Motive eine Idealisierung, Übertreibung, ja | |
Maximierung erfahren. Eine „Ästhetik des Superlativen“, wie es der | |
Kunstwissenschaftler Wolfgang Ullrich beschreibt. | |
## Die KI speist sich aus schon Vorhandenem | |
Ein Prompt, also eine schriftliche Anweisung an ein KI-Tool, um ein | |
gewünschtes Bild zu erzeugen, vermag dem Nutzer vielleicht das Gefühl | |
vermitteln, etwas Neues zu generieren. Doch sowohl „neu“ als auch | |
„generieren“ ist irreführend. Denn das Ergebnis ist ein statistisches | |
Rendering von bereits vorhandenen Motiven und Ästhetiken. Ein Bild, „das | |
sowohl erwartet als auch unerwartet ist, sofort lesbar und überraschend | |
zugleich“, [4][so Meyer]. | |
KI-Tools überführen Fantasien in anschauliche Bilder. Auf denen können sich | |
dann gothische Kathedralen, zu erobernde Landschaften und die Helden | |
napoleonischer Historienmalerei zu visuellen (Alb-)Träumen vermengen. | |
Rechte Vergangenheitsfantasien nach imperialer Größe, männlicher Stärke und | |
weiblicher Unterwerfung lassen sich so in eine eindeutige Bildsprache | |
überführen, die zugleich den Anschein des Neuen besitzt. | |
Darin liegt eine besondere Verführungskraft. So befeuert sie etwa | |
neoimperiale Träume von der Eroberung neuer Territorien, auf denen dann | |
sogenannte Network-States errichtet werden sollen – ultralibertäre Utopien, | |
gestützt auf Blockchain-Technologie und Krypto-Währungen. | |
Diese verheißen ein höchstmögliches Maß an Unabhängigkeit von staatlicher | |
Regulierung. „Reclaim the West“ ist auch der Slogan von Praxis, [5][ein von | |
Peter Thiel finanziertes Start-up], das den ersten solcher Network-States | |
auf dem ressourcenreichen Grönland errichten will. | |
## KI-Bilder sind oft billige Schlagworte als Bilder verkleidet | |
Durch das Primat der Sprache bedient generative KI dabei das faschistoide | |
Bedürfnis nach Klarheit und Kontrolle. KI-Bilder sind immer nur visuelle | |
Renderings dessen, was sprachlich formulier- und abrufbar ist. Sie sind | |
letztlich oft billige Schlagworte, die sich als Bilder verkleiden. | |
Faschistische Proganda wurde schon historisch von einer autoritären, | |
sterilen Bildsprache getragen. Die Abstraktion, Uneindeutigkeit und | |
Metaebenen des Expressionismus, Dadaismus oder Surrealismus waren etwa den | |
Nationalsozialisten ein Dorn im Auge. Sie verfolgten vielmehr einen | |
faschistischen Realismus: Figürliche, heroische und idealisierte | |
Darstellungen von Arbeit, Familie und Natur. | |
So gab Meyer etwa „eine glückliche deutsche Familie“ als Prompt bei | |
Midjourney ein, und erhielt daraufhin Bilder, mit denen die | |
Nationalsozialisten äußerst zufrieden gewesen wären. Blonde Mütter, Väter | |
und Kinder in der Idylle eines Landlebens, wie man es lose zwischen | |
Vorindustrialisierung und Gründung der Weimarer Republik verorten würde, | |
eingetaucht in den Farben der konkreten und zugleich suggestiven | |
[6][Naturmalerei wie der eines Caspar David Friedrich]. | |
Dass jene Kulissen nur einer vagen pseudohistorischen Vergangenheit | |
entsprechen, die der US-[7][Literaturtheoretiker Fredric Jameson] als | |
pastness bezeichnet und mehr fiktiv als real sind, ist für ihre | |
propagandistische Wirkung unerheblich. Solch eine pastness wurde durch die | |
Bilder oft genug als real inszeniert, um allmählich zu der Vorstellung | |
eines „Originals“ zu sedimentieren, dessen „Wiederherstellung“ die Rech… | |
immer wieder versprechen. | |
## Das Phänomen ist international | |
Beispiele dafür finden sich international – ob in Donald Trumps vagem | |
„Make America Great Again“ oder den kontrafaktischen Erzählungen der AfD | |
von einer „christlich-abendländischen Kultur“ und der Nation als homogene | |
Einheit, die es zu „beschützen“ gilt. Diese Beispiele operieren weniger mit | |
einer realen Vergangenheit als mit ihrer starken Vereinfachung und | |
Idealisierung. Oder wann hat es eine Nation gegeben, die in sich vollkommen | |
homogen und widerspruchsfrei war? | |
Die USA der 1940er und 1950er Jahre – jenes nostalgische Trugbild, von | |
dessen „Wiederherstellung“ Trump und seine Anhänger fantasieren – | |
jedenfalls waren denkbar weit davon entfernt. So wird auch der Widerspruch | |
im Social-Media-Post der Jungen AfD Baden-Württemberg, eine KI-generierte | |
Frau als repräsentativ für „echte Frauen“ zu platzieren, nur ein | |
scheinbarer, worauf Meyer hinweist. Denn in der Mustererkennung von | |
künstlicher Intelligenz sehen Rechte gerne ein Wahrheitsversprechen. | |
Die rassistischen und sexistischen Verzerrungen, die KI-Modellen aufgrund | |
ihrer Datenbasis eingeschrieben sind, würden als objektive, auf | |
statistischer Wahrscheinlichkeit gestützte Belege einer unverfälschten, | |
ideologiefreien Realität gewertet. KI zeige die Realität schließlich, wie | |
sie ist – so die Überzeugung. Doch diese vermeintlich unverfälschte | |
Realität ist letztlich auch nur die Summe vieler subjektiver | |
Geschmacksurteile. Die KI „lernt“ ja, wie es euphemistisch heißt, welche | |
Bilder von den User:innen als besonders ansprechend empfunden werden. | |
Eine Recherche des Journalisten und Informatikers Christo Buschek und des | |
Datenexperten Jer Thorp zeigte dabei, dass die 5 Milliarden | |
Bild-Text-Paare, die etwa zum Training der Bildprogramme Stable Diffusion | |
und Midjourney verwendet wurden, von einer sehr spezifischen Nutzergruppe | |
bewertet wurden. Sie bestand vorwiegend aus weißen, männlichen und | |
technikaffinen Mittelschichtsangehörigen aus Europa und Nordamerika. Das | |
ist so erwartbar wie verstörend – ganz wie die Bilder, die KI-Tools | |
erzeugen. | |
26 Jun 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Pietaetlose-Propaganda-aus-den-USA/!6068873 | |
[2] https://www.youtube.com/watch?v=JZpi6Irzvd0 | |
[3] https://geschichtedergegenwart.ch/echte-emotionen-generative-ki-und-rechte-… | |
[4] https://journals.openedition.org/transbordeur/2299?lang=en | |
[5] /Tech-Milliardaere-in-den-USA/!6084660 | |
[6] /Geburtstag-von-Caspar-David-Friedrich/!6030808 | |
[7] /Zum-Tod-von-Fredric-Jameson/!6038047 | |
## AUTOREN | |
Katharina Stahlhofen | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Künstliche Intelligenz | |
Neue Rechte | |
Faschismus | |
Propaganda | |
Digitale Medien | |
Kultur im Internet | |
Internet | |
Netzkultur | |
Schwerpunkt Künstliche Intelligenz | |
Schwerpunkt Künstliche Intelligenz | |
Schwerpunkt USA unter Trump | |
Soziale Medien | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Neue Studie zu ChatGPT: Potenzielle Propagandamaschine | |
Forscher:innen haben 900 Menschen zu politischen Fragen chatten lassen. | |
Teils miteinander, teils mit KI-Chatbots. Letztere überzeugten besonders. | |
Die gefährlichsten Figuren um Trump: Gottes Reich und Voughts Beitrag | |
Mit Trump kam in den USA ein christlicher Nationalismus an die Macht. Ist | |
dessen Sprecher Russel Vought der eigentliche Macher des Regierungsumbaus? | |
Wie rechts ist die KI-Ästhetik?: Bildpolitiken des Affekts | |
Von KI generierte Bilder dienen als Wunschmaschine und | |
Propagandainstrument. Dabei ist die neue Technik zu wichtig, um sie den | |
Rechten zu überlassen. |