# taz.de -- Dänische Idee gegen Deepfakes: Wie Bäumefällen mit einer Laubsä… | |
> Dänemark will mit dem Urheberrecht gegen die Erstellung und Verbreitung | |
> von digitalen Fälschungen vorgehen. | |
Bild: Wenn das Urheberrecht die Laubsäge ist, sind Deepfakes der Wald | |
Deepfake-Pornografie, manipulierte O-Töne von Personen öffentlichen | |
Interesses, plagiierte und gefälschte Performances von Künstler*innen: Die | |
Horrorliste, die aus der Verwendung KI-gestützter realitätsnaher | |
Darstellungen erwächst, wird immer länger. Das eigene Abbild, inklusive | |
weiterer körperlicher Merkmale wie der Stimme, sind überall verfügbar. | |
Wenige Sekunden lange Vorlagen aus Handyvideos genügen, um zumindest | |
oberflächlich glaubwürdige Nachahmungen zu erzeugen. | |
Wenige Tage vor Beginn der dänischen EU-Ratspräsidentschaft kündigte das | |
Kulturministerium in Kopenhagen an, den drohenden Verletzungen von | |
Persönlichkeitsrechten mit einer Gesetzesinitiative beizukommen. Die nicht | |
nur von den Regierungsparteien, sondern von mehr als 80 Prozent der | |
Abgeordneten des Folketing in einer gemeinsamen Erklärung vorgestellte Idee | |
ist dabei voller guter Absichten. Der geplante Rückgriff ausgerechnet auf | |
das Urheberrecht jedoch wird dem nicht gerecht. | |
Das Urheberrecht dient schließlich der Durchsetzung wirtschaftlicher | |
Interessen von, nun ja, Urheber*innen. Das ist wichtig und richtig, aber | |
beileibe nicht so sensibel wie der Schutz individueller | |
Persönlichkeitsmerkmale vor Missbrauch. Die Werkzeuge des Urheberrechts | |
wirken hier einfach nicht. | |
Ziel des dänischen Vorhabens ist es, die Allgemeinheit davor zu schützen, | |
dass man [1][digitale Fälschungen der individuellen persönlichen | |
Charakteristika erstellt und verbreitet]. Außerdem soll Künstler*innen | |
eine Handhabe gegen ungefragte Imitationen gegeben werden. Konkret ist der | |
Plan, dass Menschen Social-Media-Plattformen auffordern können sollen, | |
gefälschte Abbilder ihrer selbst zu entfernen. Nun sind die | |
Moderationsschleifen der großen Plattformen gerade für einzelne | |
Nutzer*innen von notorischer Gleichgültigkeit geprägt. Warum sich daran | |
etwas mit der dänischen Initiative ändern soll, bleibt offen. | |
Schließlich macht sich der Entwurf, schon bevor er in juristische Sprache | |
gegossen wird, ziemlich zahnlos. Verstöße gegen das geplante Copyright an | |
der eigenen Erscheinung sollen nämlich, anders als bei diversen | |
Vorschriften des dänischen Urheberrechts, explizit nicht strafbewehrt sein. | |
Es ist ein bisschen so, als würde man jemandem zum Bäumefällen eine | |
Laubsäge mitgeben. | |
## KI-generierte Voice-overs | |
Hier wird also eine durchsetzungsschwache privatrechtliche Regelung | |
geschaffen, deren Reichweite dazu auch noch ziemlich zweifelhaft ist. Denn | |
das Urheberrecht funktioniert im Wesentlichen als Kette internationaler | |
Abkommen. Wirksam ist es erst, wenn es in weiten Teilen der Welt akzeptiert | |
und auch durchgesetzt wird. | |
Eine weitere offene Frage ist schließlich die, was passiert, wenn | |
Individuen das Copyright für ihr Aussehen und ihre Stimme freiwillig | |
weitergeben. In standardisierten Knebelverträgen der Film- und | |
Gamingindustrie sind entsprechende Blankoklauseln häufig gängige Praxis. | |
Unter anderem gegen die erzwungene „konsensuelle“ und dabei nicht | |
hinreichend vergütete [2][KI]-gestützte Verwertung ihrer Stimmen richtete | |
sich ein gerade erst zu Ende gegangener fast einjähriger Streik in der | |
Computerspielbranche. | |
Ein Ergebnis des Arbeitskampfes ist, dass auch bei KI-generierten | |
Voice-overs den ursprünglichen Sprecher*innen eine Bezahlung zusteht. An | |
dieser Stelle mag eine urheberrechtliche Stärkung sogar ganz hilfreich | |
sein. Das Urheberrecht ist für die Vergütung künstlerischen Schaffens | |
schließlich einigermaßen erprobt. Es stößt aber, wie Kreative immer wieder | |
erfahren müssen, ohne organisierte Interessenvertretung, staatliche | |
Intervention oder erhebliche ökonomische Macht der Rechteinhaber*innen | |
immer wieder an seine Grenzen. | |
Und ob privaten Opfern von Deepfakes mit einer weiteren Überfrachtung des | |
Urheberrechts wirklich geholfen ist, kann trotz aller guten Absichten | |
zumindest angezweifelt werden. | |
Der Schutz von Persönlichkeitsrechten ist ein hohes Gut, für das es eigene | |
Regelungen gibt. Die sollten konsequent angewandt und wenn nötig angepasst | |
werden. Mit einer 80-Prozent-Mehrheit lässt sich da ja auch parlamentarisch | |
einiges bewegen. | |
1 Jul 2025 | |
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## AUTOREN | |
Daniél Kretschmar | |
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