# taz.de -- Kino in den USA: Gott ist mit den Preppern | |
> US-Kino: Spielfilme mit rechten christlichen Botschaften – wie das | |
> apokalyptische Drama „Homestead“ – begleiten ideologisch die politischen | |
> Umbrüche. | |
Bild: Ob die Vorräte für seine Leute reichen? Ian Ross (Neal McDonough) und s… | |
Wer noch über so archaische Technik wie einen Fernseher mit Kabelanschluss | |
verfügt und gelegentlich der vergleichbar gestrigen Aktivität des Zappens | |
nachgeht, kann dabei auf den Sender „Die neue Zeit TV“ stoßen. Dort spricht | |
nachts oft eine Frauenstimme aus dem Off zu dilettantisch anmutenden | |
Naturaufnahmen unverständliche Sätze, die irgendwie religiös klingen. | |
Man könnte das für Realsatire halten, anscheinend sollen diese Beiträge | |
aber „göttliche Offenbarungen“ wiedergeben. Auf der Webseite des Senders | |
fasst dieser seine „Philosophie“ denn auch so zusammen: „Der TV-Sender Die | |
neue Zeit TV läutet die neue Zeit ein. Menschen können wieder zu einer | |
höheren Ethik und Moral finden und entsprechend handeln – und dies in allen | |
Lebensbereichen: im Beruf, in der Kindererziehung, im Umgang mit Natur und | |
Tieren, in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik, sowie im täglichen | |
Miteinander.“ | |
Von einer ähnlichen „neuen Zeit“ erzählt, gleichfalls mit Gott im Gepäck, | |
ein US-amerikanischer Spielfilm, der jetzt in Deutschland ins Kino kommt. | |
„Homestead“ handelt von einer Apokalypse und einer neuen Welt, die danach | |
von den Protagonisten aufgebaut wird. | |
## Gott und Gesellschaft | |
Eine Frauenstimme aus dem Off gibt es ebenso, in diesem Fall gehört sie der | |
Schauspielerin Dawn Olivieri. Was diese spricht, mag auf den ersten | |
Eindruck weniger verwirrt klingen als bei dem religiösen TV-Sender. Wie | |
Gott in ihrem Monolog für eine Umordnung der Gesellschaft bemüht wird, ist | |
dafür umso gruseliger. | |
„Homestead“ ist mit 8 Millionen US-Dollar Kosten eine eher kleine | |
Produktion, der Regisseur Ben Smallbone hat ansonsten hauptsächlich | |
Musikvideos gedreht, und Stars aus der ersten Reihe gibt es ebenfalls | |
keine. Das Endzeitdrama mutet optisch und mit seiner hölzernen | |
Schauspielkunst an wie eine durchschnittliche Fernsehserie. Für so eine | |
dient der Film auch als Pilotfolge. Als „Homestead“ im vergangenen Dezember | |
in den USA startete, waren schon zwei weitere Folgen verfügbar. Interessant | |
daran ist vor allem der Erkenntnisgewinn, der sich aus dem Stoff ziehen | |
lässt. | |
Produziert wurden Film und Serie vom US-amerikanischen Medienunternehmen | |
„Angel Studios“. Die Firma in Utah entstand 2021 im Zuge der Insolvenz des | |
Streamingdienstes Vidangel, der vor allem eine Zensurfunktion für | |
unerwünschte Inhalte bietet, und wurde wie dieser von den Brüdern Neal und | |
Jeff Harmon gegründet. Beide sind bekennende Mormonen. | |
Ein weiteres Erzeugnis von Angel Studios ist der Spielfilm „Bonhoeffer“ | |
(2024), um den es eine Debatte gab. Er sei historisch ungenau und deute den | |
pazifistischen Theologen Dietrich Bonhoeffer zum Anhänger des bewaffneten | |
Widerstands um, so die Kritik. Dem Film wurde insbesondere vorgeworfen, | |
dass er evangelikale Christen ermutige, mit Gewalt gegen den Staat | |
vorzugehen. | |
## Katastrophenfilm mit Atombombe | |
In genau diese politische Richtung zielt „Homestead“. Er beginnt zunächst | |
wie ein gewöhnlicher Katastrophenfilm. Ein terroristischer Anschlag mit | |
einer schmutzigen Atombombe verstrahlt große Teile Kaliforniens, Chaos | |
bricht aus, die Menschen flüchten. Parallel legt ein flächendeckender | |
Stromausfall die Ostküste der USA lahm. Eine Familie in Los Angeles ist zu | |
sehen, wie sie in aller Eile mit dem Tesla aus dem großzügigen Eigenheim | |
flieht, eine weitere, in einem bescheideneren Haus wohnend, bricht zur | |
gleichen Zeit auf. Beide haben dasselbe Ziel: Homestead. | |
Hinter diesem Wort, das sowohl „Heimstätte“ als auch „Gehöft“ bedeuten | |
kann, verbirgt sich das riesige Anwesen von Ian Ross (Neal McDonough). | |
Dieser Ross wird als stechend blauäugiger Edel-Prepper inszeniert, der sich | |
eine kleine bewaffnete Truppe als Sicherheitsdienst hält, Getreide, Obst | |
und Gemüse anbaut, Viehwirtschaft betreibt und noch Generatoren und weitere | |
Dinge installiert hat, um sich und „seine Leute“ nach dem großen | |
Zusammenbruch versorgen zu können. | |
Der Film begleitet die Bewohner dieser „Heimstätte“ auf ihrem Weg in die | |
Unabhängigkeit, mit den unausweichlichen Hindernissen, die in | |
Krisengeschichten auftauchen. Der nicht minder blauäugige | |
Sicherheitsexperte Jeff (Bailey Chase), der früher beim Militär war und mit | |
seiner Familie angereist ist, vermutet sofort von überall her Feinde im | |
Anmarsch. Gemeint sind hungrige Zivilisten, die auf der Suche nach Essen | |
sind. | |
Die Anlage wird fortan gesichert, sogar sein Teenagersohn Abe (Tyler | |
Lofton) muss mit dem Gewehr Wache halten. Als dieser versehentlich einen | |
bewaffneten Jäger erschießt, der vermutlich nichtsahnend an der grünen | |
Grenze des Terrains Hausfriedensbruch begangen hat, beginnt das | |
Selbstverteidigungskonzept brüchig zu werden. | |
## Antwort auf alle Probleme liegt in Gott | |
Die Lösung für die bedrohte Feste bringt schließlich die Ehefrau von Ian | |
Ross, Jenna (Dawn Olivieri). Als ihr Mann von einem Projektil verletzt wird | |
und mehrere Tage ohne Bewusstsein ist, findet sie die Antwort auf alle | |
Probleme in Gott. Statt, wie ihr Mann, hochzurüsten und verbissen die | |
knapper werdenden Vorräte zu zählen, holt sie die überschaubare Zahl an | |
friedlich vor dem Tor wartenden Menschen hinein. | |
Und siehe da, deren Fähigkeiten lassen sich sogar nutzen, um den Ertrag an | |
Lebensmitteln zu erhöhen, sodass es für alle reicht. Die wundersame | |
Brotvermehrung lässt grüßen. | |
Gut, und wo ist das Problem, könnte man fragen? „Homestead“ schildert | |
keinen Weg der Befreiung aus einem paranoiden Besitzstandswahren, das mit | |
Waffen verteidigt wird, hin zur frohen Botschaft der Liebe, gegen die im | |
Zweifel ja gar nichts einzuwenden wäre. Das Neue, das stattdessen | |
angekündigt wird, gehört zum ideologischen Arsenal der christlichen | |
Rechten. Am deutlichsten kommt dies in der Eskalation der Geschichte zum | |
Vorschein. | |
## Verlogenheit des Drehbuchs | |
Zugleich offenbart sich darin die Verlogenheit des Drehbuchs. So stammt die | |
fast tödliche Kugel, die Ian trifft, aus der Pistole eines | |
Regierungsbeamten, Blake Masterson (Currie Graham), der die Festung mit | |
ihren Bewohnern als nicht angemeldete Versammlung weitgehend räumen lassen | |
will. Der Verlauf der Handlung legt nahe, dass es ihm jedoch um die | |
gehorteten Vorräte geht. | |
Da der Film in Kalifornien spielt, ist zu vermuten, dass es sich bei dem | |
schussfreudigen Masterson um einen Vertreter der Demokratischen Partei | |
handelt. Das Misstrauen gegen das politische Establishment, das von | |
christlichen Fundamentalisten und Republikanern gleichermaßen geschürt | |
wird, verdichtet sich so, ganz im Sinne der MAGA-Bewegung, in dieser Figur. | |
Und wie in den wirklichen USA ist es eine Kritik an den „korrupten Eliten“, | |
die aus der Perspektive einer ökonomischen Elite geübt wird. | |
In der Realität entsprächen dem die Tech-Milliardäre des Silicon Valley. | |
Man stelle sich Ian Ross zum Beispiel als Verkörperung des | |
[1][rechts-libertären Unternehmers Peter Thiel] vor. | |
Als Vorlage für „Homestead“ diente der Roman „Black Autumn: A | |
Post-Apocalyptical Saga“ des Kriegsveteranen Jeff Kirkham und des Preppers | |
Jason Ross. Erschienen ist das Buch 2018 im Verlag „Defiance Press“, der | |
laut Nachrichtendienst Bloomberg vor allem zu den Themen „Gott, Land, | |
Freiheit und Konservatismus“ veröffentlicht. | |
## Verleger ist „Aktivist für konservative Sache“ | |
Dessen Verleger David Thomas Roberts bezeichnet sich selbst als | |
„politischen Aktivisten für die konservative und libertäre Sache“. (Er ist | |
im Übrigen nicht mit dem Ragtime-Komponisten gleichen Namens zu | |
verwechseln, auf den die Wikipedia-Seite zu Defiance Press irrtümlich | |
verlinkt.) | |
„Homestead“ spielte an den Kassen bisher rund 21 Million US-Dollar ein. In | |
Deutschland wird er vom unabhängigen Verleih „Kinostar“ in die Kinos | |
gebracht. Der Film „beleuchtet die Herausforderungen des Zusammenlebens | |
unter extremen Bedingungen und stellt moralische Fragen über Führung, | |
Vertrauen und den Preis des Überlebens“, heißt es vage in der | |
Pressemitteilung. Wer ein intelligentes Endzeit-Gedankenspiel erwartet, | |
kann allerdings bloß enttäuscht werden. | |
Kinostar brachte von Angel Studios zuvor schon Bonhoeffer und den | |
Animationsfilm „König der Könige“ in Deutschland heraus, vier weitere | |
Produktionen folgen allein dieses Jahr. Auf Nachfrage antwortete der | |
Verleih, man sehe den Film „Homestead“ „nicht als politisches Statement�… | |
Die enge Zusammenarbeit mit Angel Studios erfolge „auf filmischer, nicht | |
politischer Basis“. | |
## „Wir schufen etwas Neues“ | |
Mit seiner „Wahrheit“ rückt „Homestead“ übrigens erst gegen Ende so r… | |
heraus. Wobei „richtig“ relativ zu verstehen ist. Denn die Wahrheit bleibt | |
euphemistisch verbrämt. Als der Konflikt der Geschichte sich zu legen | |
beginnt, kündigt Jenna aus dem Off an: „Nachdem das große Versprechen | |
unserer Nation zerbrochen war, schufen wir etwas Neues.“ | |
Wie das aussehen könnte, umreißt eine Meldung, die der Deutschlandfunk vor | |
gut einem Monat veröffentlichte: „Evangelikale Bewegungen wie die ‚Neue | |
Apostolische Reformation‘ wollen eine christliche Vorherrschaft in den USA: | |
statt Demokratie und Rechtsstaat eine christlich-fundamentalistische | |
Autokratie. Ihr Einfluss reicht bis ins Weiße Haus.“ | |
Homestead. Regie: Ben Smallbone. Mit Neal McDonough, Dawn Olivieri u.a., | |
USA 2024, 117 Min. Ab 10. 7. im Kino | |
5 Jul 2025 | |
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## AUTOREN | |
Tim Caspar Boehme | |
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