# taz.de -- Lockerung der Länder-Schuldenbremsen: Da ist einiges schief gelauf… | |
> Die Reform der Schuldenbremse soll auch den Ländern mehr Spielräume | |
> bringen. Unklar ist, ob dafür auch deren Verfassungen geändert werden | |
> müssen. | |
Bild: Die Hamburger Schuldenuhr kann weiterlaufen, das Wachstum privater Vermö… | |
Dürfen sie nun einfach loslegen? Oder doch nicht? Zumindest noch nicht? Mit | |
der Reform der Schuldenbremse, die vergangene Woche im Bund beschlossen | |
wurde, sollen künftig auch die Bundesländer wieder Kredite aufnehmen | |
können. So sehr das neben dem ebenso beschlossenen 500 | |
Milliarden-Infrastruktur-Paket und neben der Lockerung der | |
Bundes-Schuldenbremse für Rüstung unterging, so sehr herrscht Verwirrung, | |
ob die Länder das nun tatsächlich und ohne weitere Hürden machen können. | |
Verwunderlich ist das aber nicht: Die diesbezügliche Änderung im | |
Grundgesetz ist eine ziemlich wilde rechtliche Konstruktion, die eine Reihe | |
von Fragen aufwirft. | |
Als sich CDU und SPD im Bund vor rund drei Wochen auf eine Änderung der | |
Schuldenbremse auch für die Länder geeinigt hatten, rückten zurecht | |
allerhand Landesverfassungen in den Blick: In den meisten Ländern hat die | |
Schuldenbremse zusätzlich Verfassungsrang – und ist dabei teils noch | |
strenger, als es das Grundgesetz schon vorgibt. | |
## Opposition fühlt sich plötzlich wichtig | |
Das Problem: Auch wenn das Grundgesetz den Ländern nun wieder die | |
Kreditaufnahme erlaubte, würden ja die Landesverfassungen noch im Weg | |
stehen, die das weiterhin explizit untersagen. Die müssten also erst noch | |
geändert werden, was etwa in Niedersachsen und Bremen die CDU-Opposition | |
auf den Plan rief: Ohne unsere Zustimmung wird das nichts, habt ihr | |
Landesregierungen doch schließlich keine notwendige Zweidrittelmehrheit | |
dafür! Auch vergangene Woche noch, als die Reform schon den Bundestag | |
passiert hatte, verwies etwa die Deutsche Presse-Agentur auf die Hürde. | |
Doch da hatten die Verhandler:innen in Berlin schon versucht zu | |
reagieren, um den Ländern mühselige Änderungen der Landesverfassungen | |
abzunehmen: Bestehende landesrechtliche Regelungen, die hinter der nun | |
festgelegten Kreditobergrenze zurückbleiben, „treten außer Kraft“, steht | |
nun – zusätzlich – im Grundgesetz. | |
Die Länder dürfen sich demnach, so ist es wohl gemeint, jährlich insgesamt | |
im Umfang von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verschulden – egal, | |
was in den Landesverfassungen steht. Schließlich gilt die Formel: | |
Bundesrecht bricht Landesrecht. | |
Als „technisch unglücklich“ bezeichnet diesen Passus allerdings zu Recht | |
Henning Tappe, der an der Universität Trier Staats- und Finanzrecht lehrt. | |
„Es ist nicht wirklich klar, was hier wann außer Kraft tritt“, sagt er. | |
Denn es ist noch gar nicht geklärt, welches Land wie viel an Schulden | |
aufnehmen kann und nach welchem Verteilungsschlüssel sich das errechnen | |
würde. | |
Und können die Länder, fragt sich Tappe, im Anschluss an dieses einmalige | |
Außerkrafttreten wieder strengere Regeln einführen? Es wird eine ganze | |
Reihe an Regelungen sein, die in einem noch ausstehenden Ausführungsgesetz | |
ausformuliert werden müssen. | |
Doch ob das so einfach wird? Schon bei der Frage, ob die Länder nun | |
wirklich nicht ihre Verfassungen ändern müssen, herrscht kein Konsens – | |
nicht einmal bei Ländern, die von denselben Parteien geführt werden, wie | |
die rot-grün geführten Länder Niedersachsen und Hamburg zeigen. | |
## Niedersachsen will nicht ändern, Hamburg schon eher | |
„Wir sehen keinen Bedarf, nun die Landesverfassung zu ändern“, sagt | |
einerseits die Sprecherin des niedersächsischen Finanzministeriums, Antje | |
Tiede. In Hamburg wiederum ist sich der rot-grüne Senat anscheinend nicht | |
vollends sicher, dass die Landesverfassung nicht mehr angefasst werden | |
muss. „Es muss nun zunächst ein Bundesgesetz erlassen werden, in dem genau | |
geregelt wird, inwiefern und mit welchem Betrag Hamburg seine | |
Kreditobergrenze erhöhen kann“, erklärt die Finanzbehörde auf Nachfrage. | |
Anschließend könnte dann wohl doch eine Landesverfassungsänderung nötig | |
sein: „Hamburg wird auch aus Gründen der Rechtssicherheit bestrebt sein, | |
diesen neuen Rahmen auch im Landesrecht zu verankern“, teilt die Behörde | |
mit. Um also eine mögliche Klage der Opposition vor dem | |
Landesverfassungsgericht zu vermeiden, müssten die Landesregierungen die | |
Verfassung ändern – mithilfe der Opposition. | |
Das zeigt: Gut durchdacht war die kurzerhand durchgezogene Reform der | |
Schuldenbremse nicht. Aber es musste ja unbedingt alles ganz schnell gehen. | |
30 Mar 2025 | |
## AUTOREN | |
André Zuschlag | |
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