# taz.de -- Deutschlands neue Schulden: Umverteilung statt Schuldenpaket wäre … | |
> Das „Sondervermögen“ haben Union und SPD als alternativlos dargestellt. | |
> Dabei hätten es auch anders gehen können – historische Beispiele zeigen | |
> es. | |
Bild: Seine eigene Partei war mal beherzter, was die Umverteilung von oben nach… | |
Es klang, als stünde der Untergang Deutschlands unmittelbar bevor. „Von | |
unserer Entscheidung hängt die Verteidigungsfähigkeit unseres Landes ab“, | |
sagte der wohl nächste Kanzler Friedrich Merz in der Debatte im Bundestag | |
zum Schuldenpaket. Was nütze die Schuldenbremse, „wenn der Russe vor der | |
Tür steht“, warnte Unionsfraktionsvizechef Jens Spahn in einem | |
Zeitungsinterview. | |
Mit dem nun beschlossenen Finanzpaket wurde die Schuldenbremse für die | |
Verteidigungsausgaben gelockert und die Einrichtung eines | |
500-Milliarden-Euro Sondervermögens beschlossen – und dafür das Grundgesetz | |
geändert. Das Sondervermögen ist für Investitionen in Infrastruktur und | |
Klimaschutz in den nächsten zwölf Jahren gedacht. | |
Deutschland und Europa befinden sich in einem historischen Umbruch, und | |
deswegen lassen sich hier in den nächsten Jahren Hunderte Milliarden Euro | |
an neuen Schulden auf Kosten künftiger Generationen zusätzlich aufhäufen | |
und rechtfertigen, so die Argumentation von Union und SPD. Der blinde Fleck | |
in der Debatte ist jedoch die Abwesenheit von Umverteilungsvorschlägen, die | |
nicht nur künftigen Generationen, sondern aktuell der ganzen Gesellschaft | |
und besonders den Wohlhabenden einen Verzicht hätten abverlangen können. Es | |
gibt Beispiele aus der Vergangenheit, wie man in Deutschland mit | |
historischen, kriegsbedingten Herausforderungen besser umgegangen ist. | |
Durch [1][das Lastenausgleichsgesetz von 1952] zum Beispiel, unter | |
CDU-Bundeskanzler Konrad Adenauer, mussten Bundesbürger:innen mit Geld- | |
oder Immobilienbesitz eine Abgabe von sage und schreibe 50 Prozent auf | |
diesen Besitz leisten. Die Abgabe kam Landsleuten zugute, die ihre | |
Immobilien oder das Geldvermögen durch Vertreibung und Kriegsschäden und | |
den Verlust der „Ostzone“ verloren hatten. | |
Immobilien wurden bei der Bemessung der Abgabe mit niedrigen Einheitswerten | |
angesetzt, es gab großzügige Freibeträge, zudem war eine bis zu 30 Jahre | |
dauernde Ratenzahlung möglich. Die tatsächliche Belastung der Besitzenden | |
lag im Regelfall bei 10 bis 20 Prozent des Vermögens, schreibt der | |
Historiker Marc Buggeln in seinem Buch: „Das Versprechen der Gleichheit“ | |
(Suhrkamp, 2022). | |
Die Gerichte sahen im Lastenausgleich keine Verletzung der Eigentumsrechte, | |
schließlich habe der Gesetzgeber „für die Tilgung der Abgabeschuld bei | |
mäßiger Verzinsung einen Zeitraum von 30 Jahren zugelassen“, so ein Urteil | |
des Bundesfinanzhofs von 1963, zitiert von den [2][Wissenschaftlichen | |
Diensten des Bundestags.] Es gehe nicht um die „Umschichtung“ von Vermögen, | |
sondern um die „Linderung sozialer Schäden“, urteilte das | |
Bundesverfassungsgericht damals. | |
## Lastenausgleich, you name it | |
Auch 1990, vor der Einführung des [3][Solidaritätszuschlags] nach der | |
Wende, appellierte CDU-Bundeskanzler Helmut Kohl in einer Fernsehansprache | |
an die Solidarität der Bevölkerung. Für das Ziel der Einheit werde man in | |
der Bundesrepublik „Opfer bringen müssen“, sagte er. Es gehe darum, Teile | |
dessen, was „wir in den kommenden Jahren zusätzlich erwirtschaften, unseren | |
Landsleuten in der DDR zur Verfügung zu stellen“. Der – inzwischen nur noch | |
für Hochverdiener geltende – „Soli“ ist ein Zuschlag von 5,5 Prozent auf | |
die Einkommen- und Körperschaftsteuer, belastet also in absoluten Zahlen | |
Gutverdiener:innen stärker. | |
Auch jetzt wähnt man sich hierzulande in einer Ausnahmesituation, bedingt | |
durch den Ukrainekrieg und einen unberechenbaren US-Präsidenten. Das Gefühl | |
einer Bedrohung von außen kann Menschen zusammenrücken lassen. Es wäre ein | |
Resonanzraum gewesen, in dem die Regierung durchaus Sonderabgaben und | |
Steuererhöhungen hätte fordern können, die Bessergestellte stärker | |
heranzögen. Stattdessen aber versprachen die Parteien in ihren | |
Wahlprogrammen steuerliche „Entlastungen“. Das ist ein Versprechen, das die | |
Abgabebereitschaft aushöhlt. Diese muss auch in den Mittelschichten noch | |
vorhanden sein, um die öffentlichen Haushalte zu befüllen. Wobei sehr | |
Reiche mehr leisten sollten. | |
Merz aber geißelte in seiner Ansprache die angeblich zu hohen | |
Sozialausgaben. Durch die Zinszahlungen für das Finanzpaket werden die | |
öffentlichen Haushalte künftig noch weniger Spielraum haben als bisher. Es | |
wird zu unschönen Aufrechnungen kommen: Brückensanierungen, Klimaschutz und | |
Aufrüstung einerseits gegen die Defizite und den Spardruck bei Kranken-, | |
Pflege- und Rentenkassen andererseits. Das kann sehr hässlich werden. Die | |
Verteilungsfrage muss wieder auf die Agenda. | |
22 Mar 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Vermoegensabgabe-in-der-Pandemie/!5726278 | |
[2] https://www.bundestag.de/resource/blob/974288/797ce8deed37cc0d7e6f229c4ba03… | |
[3] /Plaene-der-Union/!5018105 | |
## AUTOREN | |
Barbara Dribbusch | |
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