# taz.de -- Solidaritätszuschlag ist rechtens: Soli darf bleiben | |
> Das Bundesverfassungsgericht lehnte die Klage von FDP-Politikern ab. Es | |
> bestehe auch 30 Jahre nach der Wiedervereinigung noch „Mehrbedarf des | |
> Bundes“. | |
Bild: Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts entschied gegen eine Verfa… | |
Karlsruhe taz | Der Solidaritätszuschlag, der noch von 10 Prozent der | |
Steuerpflichtigen bezahlt wird, verstößt nicht gegen das Grundgesetz. Das | |
entschied das Bundesverfassungsgericht und lehnte die | |
[1][Verfassungsbeschwerden von sechs FDP-Abgeordneten] ab. In einem | |
Grundsatzurteil klärten die Richter:innen, welche Regeln künftig für | |
derartige Ergänzungsabgaben gelten. | |
Der Solidaritätszuschlag wurde 1995 eingeführt, um den besonderen | |
Finanzbedarf des Bundes wegen der Wiedervereinigung zu finanzieren. Der | |
Soli beträgt 5,5 Prozent der Einkommensteuerschuld (nicht des Einkommens). | |
Seit 2021 gelten allerdings großzügige Freigrenzen, sodass 90 Prozent der | |
Steuerpflichtigen den Soli nicht mehr bezahlen müssen. Nur wer pro Jahr | |
mehr als rund 18.000 Euro Einkommensteuer bezahlt, muss dazu auch noch den | |
Soli-Zuschlag berappen. | |
2020 erhoben sechs FDP-Bundestagsabgeordnete Verfassungsbeschwerde, unter | |
ihnen der Ex-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr und die | |
Ex-Finanz-Staatssekretär:innen Florian Toncar und Katja Hessel. Sie | |
bemängelten, dass der Soli immer noch erhoben wird, obwohl es keinen | |
Sonderbedarf mehr für den Aufbau Ost gebe. | |
Hätte die Klage Erfolg gehabt, wären nicht nur jährliche Einnahmen in Höhe | |
von rund 12 Milliarden Euro weggefallen, eventuell hätte der Bund auch 65 | |
Milliarden Euro an reiche Steuerzahler:innen zurückzahlen müssen. | |
## Sozialstaat braucht soziale Ausgestaltung | |
Doch das Bundesverfassungsgericht wies die Klage in vollem Umfang ab. Der | |
„wiedervereinigungsbedingte finanzielle Mehrbedarf des Bundes“ sei noch | |
nicht weggefallen, so die Entscheidung. Ein Gutachten im Auftrag der | |
Bundesregierung hatte den Mehrbedarf, [2][insbesondere für die Ost-Renten | |
und die strukturelle Arbeitslosigkeit], mit rund 13 Milliarden Euro | |
beziffert. | |
Der Soli sei auch nicht unverhältnismäßig hoch, so die Richter:innen. Und | |
es verletze nicht den Gleichheits-Satz, dass nur noch die gut verdienenden | |
Steuerpflichtigen die Ergänzungsabgabe bezahlen; schließlich fordere das | |
Sozialstaatsprinzip eine soziale Ausgestaltung des Steuerrechts. | |
Für die Zukunft stellte das Bundesverfassungsgericht klar, dass eine | |
Ergänzungsabgabe nicht zeitlich befristet werden muss. Sie müsse aber dann | |
beendet werden, wenn der spezielle finanzielle Mehrbedarf evident nicht | |
mehr besteht. Der Gesetzgeber muss künftig also nicht nur einen Grund für | |
die Ergänzungsabgabe nennen, sondern auch regelmäßig beobachten, ob der | |
Mehrbedarf weggefallen ist, etwa indem jährliche Gutachten erstellt werden. | |
Wenn der Mehrbedarf wegen der Wiedervereinigung weggefallen ist, kann der | |
Bund nicht einfach einen anderen Mehrbedarf als Grund angeben, etwa den | |
Ukrainekrieg. Hierfür müsste der Bundestag dann ein neues Soli-Gesetz | |
beschließen, wobei eine einfache Mehrheit genügt. | |
## Kritik im Sondervotum | |
Ergänzungsabgaben haben für den Bund zwei Vorteile gegenüber einer Erhöhung | |
der Einkommensteuer: Zum einen fließt das Steueraufkommen ausschließlich | |
dem Bund zu (und nicht auch den Bundesländern). Außerdem hat der Bundesrat | |
bei der Einführung von Ergänzungsabgaben kein Vetorecht. | |
Die (einst von den Grünen nominierte) Verfassungsrichterin Astrid | |
Wallrabenstein schrieb ein Sondervotum und kritisierte das Urteil ihrer | |
Kolleg:innen. Das Bundesverfassungsgericht hätte auf die rechtliche | |
Kontrolle von Ergänzungsabgaben wie dem Soli verzichten und die Kontrolle | |
in dieser Frage ganz den Wähler:innen überlassen sollen. Sie befürchtet, | |
dass der Bundestag aus Angst, dass auch künftige Ergänzungsabgaben in | |
Karlsruhe landen, nun ganz darauf verzichten wird. | |
(Az.: 2 BvR 15005/20) | |
26 Mar 2025 | |
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## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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