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# taz.de -- Deutsche Bahn in der Krise: Wie der Staatskonzern wieder fit wird
> Die Bahn verkündet erneut tiefrote Zahlen und der Bund will sie mit
> Milliardeninvestitionen retten. Drei Aufgaben sind dabei zentral.
Bild: Kaputte Fahrstühle und unvollständige Lautsprecherdurchsagen: nur zwei …
Mehr als 6,5 Millionen Menschen fahren täglich mit der Deutschen Bahn: zur
Arbeit, in den Urlaub, zu ihren Liebsten. Dem Konzern selbst geht es dabei
alles andere als gut. Auf der jährlichen Bilanz-Pressekonferenz am
Donnerstag sagte Vorstand Richard Lutz: „Die Deutsche Bahn befindet sich in
der größten Krise seit 30 Jahren.“
Mit dem kürzlich vom Bund beschlossenen milliardenschweren
Infrastrukturpaket winkt dem Unternehmen nun [1][die Möglichkeit zur
umfassenden Sanierung.] Doch wohin mit dem ganzen Geld? Welche Barrieren
gilt es einzureißen? Und wie steht es ums Personal? Die taz blickt auf drei
zentrale Aufgaben, um die Bahn flott für morgen zu machen – und nutzbar für
möglichst viele Menschen.
Neue Kolleg*innen für Schlüsselpositionen gewinnen
Fehlt in Schlüsselpositionen der Bahn Personal, gerät das öffentliche Leben
schnell ins Stocken. Zum Beispiel, wenn Fahrdienstleiter*innen in den
bundesweit etwa 2.800 Stellwerken fehlen. Sie erteilen Zügen grünes Licht
zur Durchfahrt auf bestimmte Streckenabschnitte oder in Bahnhöfe. „Sind die
Stellwerke nicht besetzt, fährt kein Zug“, sagt Dirk Flege, Geschäftsführer
des Verkehrsbündnisses Allianz pro Schiene.
Auf taz-Anfrage weist die Bundesnetzagentur aus, dass die Bahn die ihr
vorgeschriebene Personalquote in den Stellwerken zum 31.12.2024 in vier von
sechs Regionen verfehlt hat. Der Mangel an Fahrdienstleiter*innen ist
eine der Hauptursachen für die chronische Unzuverlässigkeit der Bahn.
Eine weitere zu knapp besetzte Schlüsselposition im Bahn-Kosmos sei die der
Abnahmeprüfer*in, sagt Flege. Sie prüft zum Beispiel, ob Gleisanlagen
sicher funktionieren. Erst wenn sie ihre Freigabe erteilt, dürfen im
Alltagsbetrieb die Züge rollen. Etwa 300 dieser hochqualifizierten
Ingenieur*innen habe die Bahn. „Sie braucht jedoch 100 bis 200
weitere“, schätzt Flege, „besonders in Zeiten umfassender
Sanierungsmaßnahmen.“
Auch Lokführer*innen sind für einen funktionierenden Bahnbetrieb
zentral – und rar. In 2024 kamen auf 100 freie Stellen 75 arbeitsuchende
Lokführer*innen. „Es ist nicht so, dass den Job keiner machen will“,
sagt Flege. Viele Menschen würden jährlich dazu ausgebildet, doch die
Nachfrage wachse schneller. „Die Bahnbranche ist im Aufschwung.“ Um gegen
den Fachkräftemangel anzukommen, sei es zentral, [2][weiter ausländische
Fachkräfte anzuwerben] und mehr Frauen für die gesuchten Positionen zu
begeistern, erklärt Flege.
„Will die Bahn am Arbeitsmarkt bestehen, muss sie ihre Systemprobleme
lösen“, sagt Kristian Loroch, stellvertretender Vorsitzender der
Eisenbahngewerkschaft EVG. „Wer arbeitet gerne für einen kriselnden
Arbeitgeber?“ Auch für das bestehende Personal sei der Zustand des Konzerns
eine herbe Belastung, „zusätzlich zum Stress, den Bahnjobs im
Schichtbetrieb ohnehin mit sich bringen“. Das erschwere den Kolleg*innen,
sich positiv mit der Bahn zu identifizieren und müsse sich dringend ändern,
so Loroch.
Die Infrastruktur mit Weitsicht sanieren und ausbauen
Der Bahn steht ein Geldregen bevor. Ein Großteil des 500 Milliarden Euro
schweren Sondervermögens, das Union und SPD kürzlich auf den Weg gebracht
haben, soll in den Staatskonzern fließen. Das ist auch nötig, denn der
Investitionsstau der Bahn ist enorm: Stellwerke sind veraltet, Gleisbetten
marode, vielen Strecken fehlen Oberleitungen, wodurch der Güterverkehr noch
oft auf Dieselloks angewiesen ist.
[3][In ihren Koalitionsverhandlungen diskutieren Union und SPD] aktuell,
wie sie die Baustellen der Bahn angehen wollen. Einem geleakten
Entwurfspapier der Arbeitsgruppe Verkehr und Infrastruktur, Bauen und
Wohnen zufolge planen die Koalitionspartner unter anderem, einen gesetzlich
bindenden, langfristigen Plan zur Erneuerung der Infrastruktur zu
verabschieden und einen Fonds zu dessen Finanzierung – den
Schieneninfrastrukturfonds – aus dem Sondervermögen aufzulegen.
Beide Maßnahmen seien wichtig, sagt Lena Donat, Mobilitätsexpertin von
Greenpeace. „Die nächste Bundesregierung muss die Bahn besser steuern.“ Die
Bahn und auch die Baubranche hingegen bräuchten „Planungssicherheit über
die nächsten 10, 15 Jahre, um Kapazitäten für die Sanierung und den Ausbau
der Infrastruktur aufzubauen“, so Donat.
Doch das Entwurfspapier der Koalitionspartner weise auch gravierende
Schwächen auf. „Dass die Einnahmen aus der Lkw-Maut nicht mehr in die
Schiene fließen sollen, ist dramatisch“, sagt Donat. Auch würde dem Papier
das klare Bekenntnis zur Verkehrswende fehlen. Diese sei jedoch zentral, um
Deutschland klimaneutral zu machen.
Um die Verkehrswende zu schaffen, müsse neben den umfassenden
Sanierungsmaßnahmen das Schienennetz ausgebaut werden, sagt Donat. „Nur so
können der Güterverkehr auf die Schiene und Menschen im ländlichen Raum
besser an den ÖPNV angeschlossen werden.“ Auf vielen Strecken brauche es
zusätzliche Gleise, damit schnelle Züge überholen können. Auch
Umleitungsstrecken müssten gebaut werden, sodass Züge nicht stillstehen,
wenn ein Baum sturmbedingt auf die Gleise gestürzt ist, sagt Donat. Und die
Bahn müsse viel mehr Strecke reaktivieren als bislang.
[4][Machbarkeitsstudien zufolge eignen sich 1.357 Kilometer dafür].
In ihrem Entwurf zur Erneuerung der Bahn diskutieren Union und SPD auch,
den Bahnvorstand um Richard Lutz austauschen. Kristian Loroch von der EVG
begrüßt das. Zwar sei die Politik für den desolaten Zustand der Bahn
mitverantwortlich, jedoch habe das Management die Bahn gegen die Wand
gefahren. „Ein Austausch des Vorstands wird nicht wie durch Zauberhand alle
Probleme der Bahn lösen. Aber wenn die Mitarbeitenden wieder ernst- und
mitgenommen werden, ist das eine echte Chance, die Bahn wieder nach vorne
zu bringen.“
Historisch gewachsene Barrieren abbauen
Etwa 10 Prozent der deutschen Bevölkerung sind Menschen mit
Schwerbehinderung. Wollen sie die Bahn nutzen, müssen sie vielfältige
Barrieren überwinden. Zum Beispiel kaputte Fahrstühle oder komplizierte
Ticketautomaten, die oft zu hoch sind, um sie aus einem Rollstuhl heraus zu
bedienen. Auch für ältere Menschen, Eltern mit Kinderwagen und temporär
eingeschränkte Personen sind solche Barrieren ein Problem.
Eberhard Tölke vom Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband kritisiert,
dass die zunehmende Digitalisierung die Probleme verschärfe. Er selbst ist
blind und fordert, dass die Bahn all ihre Dienstleistungen auch analog
anbietet, zum Beispiel das Deutschlandticket. Zudem müsse sie die
Lautsprecherdurchsagen am Bahnsteig verbessern, vor allem bei
Zugdurchfahrten. Die Durchsagen seien häufig unklar und unvollständig: ein
Sicherheitsrisiko für Blinde und Sehbeeinträchtigte.
Zwar sind laut Bahn 87 Prozent aller Bahnsteige in Deutschland auch ohne
Stufen erreichbar – wenn die Fahrstühle funktionieren –, [5][doch damit ist
die Bahn nicht annähernd barrierefrei]. Laut Definition des
Behindertengleichstellungsgesetzes bedeutet „barrierefrei“, dass Menschen
mit Behinderung grundsätzlich auch ohne fremde Hilfe die Verkehrsmittel
nutzen können.
Eine DB-Sprecherin räumt im Gespräch mit der taz ein: „Es gibt noch viel
nachzuholen in den nächsten Jahren.“ Bei der Modernisierung der Bahn spiele
das Thema Barrierefreiheit stets eine Rolle und werde von einer
Arbeitsgruppe begleitet, in der sich Personen aus verschiedenen
Behindertenverbänden treffen, um passende Lösungen zu suchen.
„Früher wurden Bahnhöfe gebaut, ohne Barrierefreiheit mitzudenken“, sagt
Alexander Kaas Elias, Experte für die Bahn beim Verkehrsclub Deutschland.
Jetzt müsse viel nachgerüstet werden. Dafür brauche es finanzielle Mittel
und politischen Willen: „Auch wenn momentan viel über Infrastruktur
gesprochen wird, Barrierefreiheit steht nicht oben auf der Agenda.“ Die
Koalitionsparteien müssten ihre Planungen nachschärfen und sicherstellen,
dass Investitionen von Beginn an in barrierefreie Infrastruktur fließen.
27 Mar 2025
## LINKS
[1] /Infrastruktur-Sondervermoegen/!6073531
[2] /DB-wirbt-in-Kroatien/!5985417
[3] /Regierungsbildung-von-Rot-Schwarz/!6075005
[4] https://www.allianz-pro-schiene.de/themen/infrastruktur/reaktivierung-bahns…
[5] /Wiedereroeffnung-ohne-Barrierefreiheit/!6062209
## AUTOREN
Tobias Bachmann
Paula Schurbohm
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