Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Brandmauer gegen rechts hält durchaus: Beschleunigung mit der AfD
> Die Brandmauer zur AfD ist besser als ihr Ruf, das zeigt eine Studie.
> Wenn sie fällt, geht's oft um lokale Anliegen, wie neulich in Magdeburg.
Bild: Was tun, wenn es brennt? Ein Feuerlöscher auf dem AfD-Bundesparteitag in…
Berlin/Leipzig taz | Von der AfD halte er nichts, sagt Tim Rohne. Der
Vorsitzende der CDU/FDP-Fraktion im Magdeburger Stadtrat kennt genug
menschenverachtende Sätze von AfD-Mitgliedern. Darum stimme sich seine
Fraktion nicht inhaltlich mit der AfD über Anträge ab. Es gebe keine
Zusammenarbeit, das verstehe er unter „Brandmauer“, sagt Rohne. Trotzdem
hat seine Fraktion am Montag einem Antrag zugestimmt, den die AfD
eingebracht hat.
Es ging um verkehrsberuhigende Schwellen – sogenannte Berliner Kissen – am
Magdeburger Hasselbachplatz. Die AfD forderte in ihrem Antrag, diese
abzubauen. Mit den Stimmen der CDU/FDP-Fraktion ist das nun beschlossen.
Der Autoverkehr rollt wieder ungebremst.
„Das war eins zu eins unsere Politik“, erklärt Tim Rohne. Er spricht
schnell am Telefon, klingt etwas aufgebracht. „Wir machen uns lächerlich,
wenn wir da plötzlich eine Wende machen. Das kann ich auf der Straße
niemandem erklären.“
Rohne sagt, er verstehe das Argument, dass mit den Stimmen für die [1][AfD
eine Normalisierung einhergehe]. In Sachsen-Anhalt stuft der
Verfassungsschutz die Partei als gesichert rechtsextrem ein. „Aber wir sind
nicht im Bundes- oder Landtag“, verteidigt Rohne die Zustimmung. „Es ging
um Berliner Kissen, nicht um eine Grundsatzentscheidung.“ In dieser
Sitzungsperiode war es das erste Mal, dass die AfD im Magdeburger Stadtrat
einen Antrag durchbringen konnte. Doch es ist nur das jüngste Beispiel in
Deutschland.
## Brandmauer unter Druck
Das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, WZB, hat untersucht,
ob die „Brandmauer“ hält, also die Strategie, die
autoritär-nationalradikale AfD politisch zu isolieren. Es ist die erste
bundesweite Analyse, nachdem dasselbe Team im letzten Jahr gezielt in die
ostdeutschen Länder geschaut hat. Damals zog sie [2][das überwiegend
positive Fazit], die „Brandmauer“ sei „stabiler als vielfach vermutet“.…
neue Befund macht nun einige Abstriche.
Vor allem CDU-Chef Friedrich Merz habe mit der Inkaufnahme von AfD-Stimmen
im Bundestag Ende Januar dafür gesorgt, dass eine erste Schicht der
Brandmauer, die der indirekten Kooperationen, durchbrochen worden sei. Die
Politikwissenschaftler Wolfgang Schroeder, Daniel Ziblatt („Wie Demokratien
sterben“) und Florian Borchert haben in ihrer bundesweiten Analyse nun vor
allem die zweite Schicht in den Blick genommen: die direkte Zustimmung zu
einem AfD-Antrag. Ihre Prognose ist skeptisch: Weil Merz die erste
Brandmauer bereits durchbrochen habe, erhöhe sich die Wahrscheinlichkeit
direkter Kooperationen – oder wie die Forscher schreiben: „Die Büchse der
Pandora ist geöffnet!“
Denn auch auf der kommunalen Ebene bröckelt es vielerorts: Im Zeitraum von
fünf Jahren hat das Forschungsteam in 347 Landkreisen 990 [3][Kooperationen
anderer Parteien mit der AfD] festgestellt. In mehr als 300 dieser Fälle
waren es nicht nur versprengte Einzelabgeordnete, die für einen AfD-Antrag
stimmten, sondern sogar „starke Kooperation“ mit mindestens 10 Prozent der
Abgeordneten aus anderen Fraktionen. Für die Analyse hat das Team zwischen
2019 und 2024 mehr als 11.053 Sitzungen von gewählten
Volkvertreter:innen in allen deutschen Landkreisen und kreisfreien
Städten untersucht.
Dabei bestehe „kein großer Unterschied zwischen ost- und westdeutschen
Kreisen“. Allerdings seien vor allem ostdeutsche Landkreise „Vorreiter bei
der Kooperation mit der AfD“.
## Wo die Brandmauer herkommt
Parteipolitisch ließen sich die Kooperationen in der Untersuchung nicht
immer zuordnen. Lediglich in 372 von 990 Fällen ist klar, welche Parteien
mit der AfD kooperiert haben. Vor allem fraktionslose und regionale
Parteien wie Freie Wähler arbeiteten am häufigsten mit der AfD zusammen,
gefolgt von FDP und CDU. Aber auch SPD, Grüne und die Linke kooperierten
auf lokaler Ebene mit der AfD. Keine der etablierten Parteien schaffe es,
die Brandmauer in allen Kreisen „grundsätzlich und damit ohne Abweichungen,
aufrechtzuerhalten“, hält die Studie fest.
Interessant ist auch ein Abschnitt zur Genese der Brandmauer. Darin heißt
es, dass diese auch eine historische Erfahrung aus Deutschland und Italien
der 1920er und 1930er Jahre sei. Feinde der liberalen Demokratie seien
nicht von oben über den Zentralstaat an die Macht gekommen, „sondern von
unten, also durch ihre Arbeit in den Kommunen“. Historische Erfahrungen
zeigten, „wie sehr Kooperationen von etablierten Parteien mit radikalen
Parteien die Demokratie gefährden können“. Eine Kooperation und damit
Normalisierung und Legitimation von radikalen Kräften könne dazu führen,
dass eine Beteiligung schnell zur „Machtübernahme“ werden könne.
Entsprechend warnen die Forscher davor, [4][die kommunale Ebene zu
depolitisieren], weil auch Wohnungs- und Verkehrsfragen hochpolitisch
seien. Ein AfD-Kooperations-Verbot nur in „gesetzgebenden Körperschaften“
wie Landtagen und dem Bundestag ignoriere „die Bedeutung der
Kommunalpolitik für die Normalisierung autoritärer Bewegungen und
Parteien“.
Die Forscher warnen jedoch: Würde sich die Häufigkeit von direkten
Kooperationen mit der AfD auf lokaler Ebene weiter erhöhen, sei dies „sehr
bedenklich“ – „denn jegliche Form der Kooperation kann zu einer
Normalisierung und Legitimierung der radikalen Kräfte führen“.
Immerhin blieb in 81 Prozent der Fälle eine Zusammenarbeit aus. Das Fazit
der Forscher ist also nicht durchweg negativ: „Obwohl die Brandmauer also
zu bröckeln beginnt, ist sie entgegen vielfacher Darstellung auf kommunaler
Ebene noch lange nicht vollständig eingerissen.“
21 Mar 2025
## LINKS
[1] /Disruption-und-Brandmauer-Adorno-zur-Bundestagswahl-neu-gelesen/!6066684
[2] /Zusammenarbeit-mit-der-AfD-im-Osten/!6037261
[3] /Brandmauer-in-saechsischen-Kommunen/!6064675
[4] /AfD-Erfolg-im-CSU-Land/!6069934
## AUTOREN
Gareth Joswig
David Muschenich
## TAGS
Schwerpunkt AfD
CDU/CSU
Friedrich Merz
Sachsen-Anhalt
Social-Auswahl
AfD Schleswig-Holstein
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt Neonazis
Schwerpunkt Rechter Terror
Kolumne Das bisschen Haushalt
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
## ARTIKEL ZUM THEMA
Diskussion über AfD in Ausschüssen: Johann Wadephul will ein Türchen in der …
Der schleswig-holsteinische CDU-Bundestagsabgeordnete würde AfD-Abgeordnete
als Vorsitzende von Parlamentsausschüssen mitwählen.
Rechtsextreme Symbolik: Die Lieblingsblumen der AfD
Ein AfD-Abgeordneter trug im Bundestag eine blaue Blume am Revers. Das
erinnert an die Nazis in Österreich. Ein Historiker spricht von
„NS-Symbolik“.
AfD im Bundestag: Keine Schlüsselposition für die Feinde der Demokratie
Die AfD hat mehr Sitze und setzt weiter auf Hetze und Chaos. Der Bundestag
und auch Julia Klöckner müssen entschlossen dagegenhalten.
Gegen „gesellschaftliche Spaltung“: Rechte Szene demonstriert in mehreren S…
Bundesweit demonstrierten am Samstag Verschwörungsideologen und Rechte. Ihr
Forderungen waren diffus und widersprüchlich.
Rechtsextreme Gewalt in Deutschland: Angst vor Kontrollverlust
Der Anschlag in Mannheim war für Medien und Parteien bald uninteressant.
Deutschland sieht weg – auch, weil Aufarbeitung tiefe Löcher reißen könnte.
Brandmauer im Bad: Noch nicht mal eine Alternative fürs Kloputzen
Die Weidels, Chrupallas und Baumanns muss man mit allen Mitteln vom
Einfluss auf den Rechtsstaat fernhalten – und auf die Toilette unseres
Autors.
AfD-Erfolg im CSU-Land: Deutschland, ganz normal
Warum kommt die AfD auch dort auf knapp 20 Prozent, wo es eigentlich läuft?
Spurensuche in einem bayerischen Dorf mit dunkler Vergangenheit.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.