Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kulturpolitik nach der Wahl: Sonntagsreden reichen nicht
> Joe Chialo (CDU) und Carsten Brosda (SPD) gelten als Kandidaten für das
> Kulturstaatsministerium. Es wird sich stark gegen die AfD positionieren
> müssen.
Bild: Berlins Kultursenator Joe Chialo (CDU) nach der Bundestagswahl am 24. Feb…
Es wäre einigermaßen unrealistisch anzunehmen, dass die Kulturpolitik bei
den anstehenden Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD gleich als
Erstes besprochen wird. Wahrscheinlicher ist es, dass die Besetzung des
Kulturstaatsministeriums zur Verschiebemasse gehört, mit der man am Schluss
noch Ungleichgewichte im Proporz ausgleichen kann.
Dabei wird es nach dieser Bundestagswahl auf die Kulturpolitik stark
ankommen. Die AfD ist auf diesem Feld überaus aktiv. [1][Sie vertritt einen
Kulturbegriff, der eine gegenwärtige kulturelle Identität zentral aus
Herkunft und Vergangenheit herleitet] – Tradition, Brauchtum,
Überlieferung, solche Sachen – und eben nicht von Debatte, Diskurs,
Reflexion her.
Der Kulturbegriff der AfD ist reaktionär, und zwar keineswegs nur deshalb,
weil in dieser Partei viel von Volk, nationaler Identität und Deutschsein
geredet wird, sondern eben auch deshalb, weil Kultur so autoritär gedacht
wird. Als sei Kultur etwas, was man „haben“ und ein für allemal definieren
kann und nicht immer wieder neu befragen muss.
Aggressiv und mit politischen Tricks
Diesen Kulturbegriff versucht die AfD sehr aggressiv und mit allen Tricks
politisch durchzudrücken, wo es irgend geht, derzeit vor allem kommunal und
auf Landesebene, mit dem Wahlergebnis im Rücken, ganz sicher auch
verstärkt im nächsten Bundestag. Auf die Bundeskulturpolitik wird einiges
zukommen, mit Sonntagsreden ist es da nicht getan, sie wird stabil sein
müssen.
Zwei Politiker haben sich in den vergangenen Wochen warmgelaufen, um als
Kandidaten fürs Kulturstaatsministerium infrage zu kommen: [2][der Berliner
Kultursenator Joe Chialo (CDU)] und der Hamburger Kultursenator Carsten
Brosda (SPD). Von Carsten Brosda, der schon vor vier Jahren als
Kulturstaatsminister gehandelt worden war, liest man immer wieder kluge
Entgegensetzungen gegen den Kulturbegriff der AfD.
In einem Doppelinterview zusammen mit Chialo in der Zeit sagt Brosda:
„Richtig problematisch wird es, wenn die AfD eine Re-Essenzialisierung des
Kulturbegriffs betreibt, also eine genaue Idee formuliert, wie Kultur zu
sein hat.“ Chialo dagegen setzt in dem Gespräch andere Themen. Er redet von
dominierenden „linken Milieus“ in Förderjurys, und zum Brauchtum sagt er,
„das ist ein Teil der Kultur, der oft verschmäht wird, aber für die
Identifikation vieler Menschen wichtig ist“.
Chialos Spardiktat in Berlin
Chialo hat das Pech, in einem Bundesland Senator zu sein, das stark sparen
muss, dafür kann er erst einmal nichts, aber [3][die Art und Weise, wie er
die Einsparungen kommuniziert und politisch vertreten hat, ist ein
Desaster]. Und das ist es nicht allein. Auch seine kulturpolitischen
Konzepte – Privatisierung zum einen und zum anderen wenigstens ein
Liebäugeln mit disruptiven Rezepten der bestehenden Kulturszene gegenüber –
sind fragwürdig.
Man hat nicht den Eindruck, dass er einer aggressiven AfD-Politik
substanziell etwas entgegensetzen könnte. Zumal es an der Zeit ist, die
bestehenden kulturellen Institutionen gegenüber Begehrlichkeit und
Übergriffen durch die AfD zu schützen (was keinesfalls ihre Reformierungen
ausschließen würde), und keinesfalls, sie neoliberal auszuhöhlen.
Bei Brosda wäre die Frage, wie sehr er sich, vom kleineren
Koalitionspartner kommend, innerhalb der Koalition durchsetzen könnte. Die
Haushaltsverhandlungen werden nicht einfacher werden; Brosda ist gut
vernetzt, aber aus dem Vollen schöpfen können wie zurzeit in Hamburg wird
er keineswegs.
Mit Blick auf Chialo fragt man sich Grundsätzlicheres: Hat die CDU denn
wirklich keinen anderen Kandidaten? Wo sind eigentlich, wenn es, wie jetzt,
drauf ankommt, die bürgerlichen Kulturmenschen mit Sinn für Hochkultur und
Avantgarde? Es gibt viel zu verteidigen in unserer Kulturlandschaft. Den
Willen dazu darf man nicht nur behaupten. Man muss es auch können.
25 Feb 2025
## LINKS
[1] /Disruption-und-Brandmauer-Adorno-zur-Bundestagswahl-neu-gelesen/!6066684
[2] /Berlins-CDU-Kultursenator-Joe-Chialo/!6071205
[3] /Berlin-spart-an-der-Kultur/!6048501
## AUTOREN
Dirk Knipphals
## TAGS
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Kulturpolitik
CDU
SPD
Joe Chialo
Carsten Brosda
Theater
Hamburg
Schwarz-rote Koalition in Berlin
Kürzungen
Kürzungen
## ARTIKEL ZUM THEMA
„Mephisto“ in München: Beklemmendes Gewissensdrama
Jette Steckel inszeniert an den Münchner Kammerspielen Klaus Manns
„Mephisto“-Roman. Das Stück wirkt erschreckend aktuell, erst recht nach der
Wahl.
Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda: Der Mannschaftsspieler
Weil die SPD Teil einer Regierungskoalition werden könnte, ist Carsten
Brosda wieder im Gespräch für einen Posten in Berlin. Was ist das für
einer?
Berlins CDU-Kultursenator Joe Chialo: Kein Geld, kein Plan
Nach der jüngsten brutalen Kürzungsrunde dilettiert die CDU-geführte
Kulturverwaltung schon an der nächsten. Selbst die SPD hat die Faxen dicke.
Kulturausschuss debattiert Kürzungen: Wenn ein (Theater-)Gerücht die Runde ma…
In der aktuellen Fragerunde im Kulturausschuss dreht sich wieder alles um
die Einsparungen. Es geht um die Volksbühne und die kommunalen Galerien.
Berlin spart an der Kultur: Grob fahrlässig
Um 11,6 Prozent soll der Kulturetat im nächsten Jahr gekürzt werden. Was
die Sparpläne der schwarz-roten Koalition konkret bedeuten würden.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.