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# taz.de -- Schwacher Jetstream: Minusgrade in „Marokko“
> Die Arktis wird zu warm. Das wirkt sich global aus, wie man in dieser
> Woche etwa in Nordamerika und in der Barentssee beobachten konnte.
Bild: Eine Straße Winterwunderland im texanischen Carrolton – verursacht dur…
Berlin taz | Es sind noch fast vier Wochen Zeit, bis der arktische Winter
seinen Höhepunkt erreicht. Trotzdem deutet sich bei der Bedeckung mit
Meereis auf dem arktischen Ozean bereits ein neuer Negativrekord an.
Nach Daten des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung war
der Arktische Ozean Ende dieser Woche auf gerade einmal knapp 14 Millionen
Quadratkilometern zugefroren. Selbst im Jahr des bisherigen Rekordminimums
2012 waren es zum selben Zeitpunkt einige hunderttausend Quadratkilometer
mehr.
Obwohl noch knapp vier Wochen Zeit sind: Überraschend käme ein neuer
Minusrekord in diesem Jahr nicht. Erst in dieser Woche gab es eine neue
Hitzewelle in der Arktis, mit bis zu 30 Grad über den Durchschnittswerten.
„Verantwortlich ist ein stationäres Tief, das über der Barentssee
festhängt“, erklärt Jens Hoffmann, Meteorologe beim Deutschen Wetterdienst
(DWD).
Gleichzeitig erlebten die USA extreme Kälte, vor allem in den ganz
nördlichen Bundesstaaten Montana und North Dakota, nachts an manchen Orten
mit Werten von minus 45 Grad. Sogar in der südlichen Region um die
texanische Großstadt Dallas fiel das Thermometer 8 Grad ins Minus. Die
Stadt liegt etwa auf demselben Breitengrad wie Tunis in Nordafrika. „Wir
erleben aktuell eine sogenannte ‚gestörte Zirkulation‘“, sagt Hoffmann d…
taz, „der Jetstream ist vollkommen zusammengebrochen.“
## Jetstream braucht eine kalte Arktis und warme Tropen
Der Jetstream – zu Deutsch: „Strahlstrom“ – ist ein Höhenwind, der in …
Kilometern über der Erde wellenartig mit teils mehr als 500 Kilometern pro
Stunde über uns hinweg pfeift. Wegen der Erdrotation ist seine Richtung
stets von West nach Ost, seine Wellenbewegung bringt nach einem
Tiefdruckgebiet ein Hoch und dann wieder ein Tief und so weiter.
Angetrieben wird der Jetstream wie jeder Wind durch eine
Temperaturdifferenz: Sein Motor ist jene zwischen Nordpol und den Tropen.
Weil es am Nordpol aber immer wärmer wird, sinkt diese Differenz – und
damit die Antriebskraft des „Strahlstromes“. Wetterlagen bleiben länger
stationär und sorgen so für mehr Extreme.
So wie etwa 2010, als ein Hoch den größten Teil des Julis und Augusts über
Russland hängen blieb und extreme Hitze mit sich brachte, was auch tausende
Waldbrände begünstigte. Weil beim Jetstream nichts mäanderte, steckte
zugleich im Norden Pakistans der regenreiche Monsun fest. Fast 2.000
Menschen ertranken in den Fluten.
[1][Wissenschaftler schreiben einem schwächelnden Jetstream die Ahrtal-Flut
2021] genauso zu wie den Trockensommer 2018 in Deutschland, die Hitzewelle
2019 mit neuen Rekordtemperaturen von erstmals über 40 Grad hierzulande
oder die Waldbrandsaison 2022: Rund 3.000 Hektar standen hierzulande in
Flammen, gut dreimal so viel wie in „normalen“ Jahren.
## Vor der Klimakrise war der Jetstream stabil
Vor der [2][Klimaerhitzung] war der Jetstream überwiegend stabil und
Entwicklungsgrundlage für den Aufstieg Europas. Heute bringt er zunehmend
Wetterextreme und Chaos.
Und das wird sich verschärfen. „Die [3][Arktis] erwärmt sich zwei- bis
dreimal so schnell wie andere Gegenden der Erde“, sagt Stefan Rahmstorf,
Ozeanograf und Forscher am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Damit
wird die Antriebskraft des Jetstreams immer geringer. Dänische
Wissenschaftler messen beispielsweise seit Jahren die Wassertemperatur in
der Arktis. In der nördlichen Barentssee ist diese seit 1982 bereits um 10
Grad gestiegen.
Deshalb kann dort der Ozean im Winter neuerdings auch eisfrei sein. Dadurch
verdunstet dort Wasser, was hierzulande ein „Beast from the East“ zur Folge
haben kann, also eiskaltes Winterwetter aus dem Osten. Im März 2018
schickte das „Biest“ historische Schneemassen nach Europa, es gab
Schneeverwehungen von sieben Metern in Großbritannien und Temperaturen bis
zu minus 36 Grad.
## Weitere Wetterextreme in den USA
Es ist nicht nur der Jetstream, der das Wetter extrem macht. In den USA
kamen in dieser Woche zu der extremen Kälte noch schwere Unwetter hinzu,
mindestens neun Menschen wurden getötet.
„Anders als in Europa verhindern in den USA keine Ost-West-ausgerichteten
Gebirge wie die Alpen den Fluss der Kaltluft nach Süden“, erklärt Thore
Hansen, ebenfalls Meteorologe beim Deutschen Wetterdienst. „Zudem erwärmt
in Europa das Mittelmeer Luftmassen auf ihrem Weg nach Süden deutlich.“
Man könnte sagen: Europa hat beim Klimawandel ein paar geografische
Vorteile gegenüber den Vereinigten Staaten. „Auf ihrem Weg nach Süden
verliert die Luftmasse in den USA zwar einen Teil ihrer arktischen
Eigenschaften“, so Hansen. Dennoch reichte es selbst an der Golfküste noch
für Frost. Meteorologe Hansen zieht folgenden Vergleich: „New Orleans liegt
auf etwa 30 Grad nördlicher Breite, das entspricht dem Süden Marokkos auf
‚unserer‘ Seite des Atlantiks.“
Ein wesentlicher Treiber des künftigen Wetter-Durcheinanders ist der
Albedo-Effekt – die Rückkopplung der arktischen Meereisbedeckung. Sehr
helles Eis weist einen Albedo-Wert von 0,8 auf. Das bedeutet: 80 Prozent
jener Strahlungsenergie, die von der Sonne geschickt die Arktis erreicht,
wird ins Weltall zurückgestrahlt. Ist dieses Eis aber nicht mehr da, gilt
der Albedo-Wert von Wasser: 0,1. Das bedeutet, 90 Prozent der Sonnenenergie
gehen in den arktischen Ozean und heizen diesen weiter auf.
„Wie Spiegel haben Eisflächen einen höheren Rückstrahleffekt als die
dunklere Wasseroberfläche“, erklärt Christian Haas, Professor am Institut
für Umweltphysik an der Universität Bremen.
Je kleiner die arktische Meereisbedeckung ist, desto kleiner wird dieser
Spiegel, desto mehr Sonnenenergie kann in den arktischen Ozean eindringen,
der dadurch immer wärmer wird und weiteres Eis schmelzen lässt – was die
Spiegelfläche weiter auftaut. Ein Teufelskreis: Die Antriebskraft des
Jetstreams verliert immer mehr an Kraft, die Extreme werden steigen.
Am Wochenende kommt der „Strahlstrom“ übrigens wieder in Tritt. Nach
zuletzt Tiefsttemperaturen von bis zu 15 Grad minus in Teilen Deutschlands
steigen die Temperaturen nach Ermittlung des DWD auf plus 15. 30 Grad
Differenz zwischen wenigen Tagen – die Extreme werden zunehmend das neue
„Normal“.
21 Feb 2025
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## AUTOREN
Nick Reimer
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