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# taz.de -- Viren und Bakterien im Ozean: Die ansteckenden Krankheiten des Meer…
> Eine Kieler Studie erforscht, wie mit marinen Krankheiten umzugehen ist,
> die Ökosysteme und die Nahrungsmittelsicherheit gefährden können.
Bild: Eine der eher spektakulären Gefahren des Meeres: Stachelrochen
Osnabrück taz | Das Meer, heißt es oft, steckt für den Menschen voller
Gefahren. Meist denkt man dann an Spektakuläres. An Stachelrochen und
Monsterwellen wie die „Weiße Wand“. An halbmythische Megalodon-Nachfahren
und die giftigen Nesselkapseln der 30 Meter langen Tentakel der
Portugiesischen Galeere.
Aber es geht auch unscheinbarer, als Krankheitsausbrüche, vom Virus bis zum
Bakterium. Und während wir dem Rochen und der Welle, dem Hai und der Qualle
nur direkt im größten Ökosystem unserer Erde begegnen, reicht deren
Einfluss weit über das Lokalphänomen hinaus. Denn im Meer bringen Viren und
Bakterien ganze Lebensraum-Balancen ins Wanken. Und an Land gefährden sie
nicht nur einzelne Menschen, sondern, wenn es schlimm kommt, die gesamte
Gesellschaft.
Wie dieser doppelten, oft marginalisierten Gefahr zu begegnen ist, zeigt
die im Juli 2025 in der Fachzeitschrift „Ocean & Coastal Management“
erschienene Studie „Marine diseases as a threat to society: Adopting and
advancing the UNDRR risk framework“.
Dieser Titel lässt durchaus an den Krisenstab-Sitz „Château Disaster“ aus
Frank Schätzings Meeresgefahr-Endzeitthriller „Der Schwarm“ denken, denn
das Kerngeschäft des United Nations Office for Disaster Risk Reduction
(UNDRR) ist die Analyse der Risiken von Katastrophen, deren vorbeugende
Vermeidung und nachsorgende Bewältigung, durch ein System globaler
Zielmaßnahmen und Prioritäten.
## Frühwarnsystem gesucht
Es geht um Widerstandsfähigkeit und Verwundbarkeit, es geht um Frühwarnung,
um die Verminderung und Vermeidung gesundheitlicher, wirtschaftlicher und
sozialer Verluste, um die Entwicklung politischer wie behördlicher
Instrumente, um Kommunikationsstrategien. Um eine allgemeingültige
Leitlinie. Einen Bewertungs- und Handlungsrahmen, der Reaktionen auf
Gefahren strukturiert, standardisiert.
Die Coronapandemie habe gezeigt, „wie wenig wir vorbereitet waren“, sagt
Erstautorin Lotta Clara Kluger, Meeresökologin an der
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), am Center for Ocean and
Society, Teil des Forschungsschwerpunktes für interdisziplinäre
Meereswissenschaften Kiel Marine Science (KMS). „Offenbar muss immer erst
etwas passieren, bevor etwas passiert.“
Die Studie schneidet den UNDRR-Risikorahmen auf marine Krankheiten zu. „Wir
müssen ins Handeln kommen“, sagt Kluger, „und brauchen gute Strategien, um
Risiken zu minimieren. Wer gut vorbereitet ist, hat weniger Angst.“
Generell gelte es, nachhaltigere Wege einzuschlagen. Die Studie, erstellt
durch ein interdisziplinäres, internationales Team von der Ökologie über
Ökonomie bis zur Sozial- und Politikwissenschaft, dekliniert das
beispielhaft am Aquakultur-Produkt Auster durch, will aber „universell
anwendbar“ sein, so Kluger, „bei allen Fällen mariner Krankheiten“.
Was, wenn auf einer Austern-Zuchtbank eine Krankheit ausbricht? Dann ist
womöglich nicht nur die Austernpopulation und ihre Umgebung gefährdet, die
Nahrungsmittelsicherheit, der Profit des Wirtschaftszweigs. Die
Wasserqualität könnte sich verschlechtern, die Biodiversität. Touristen
könnten ihre Reiseentscheidung überdenken.
Als eine mögliche Ursache von Meereskrankheiten benennt die Studie den
Menschen. Sicher, solche Krankheiten können auch durch natürliche Prozesse
entstehen. Aber menschliches Handeln, von der Lebensraumzerstörung bis zum
Klimawandel, kann eine bedeutende Rolle spielen. Auch „unkontrollierte oder
übermäßige menschliche Aktivitäten im Meer und an Land“ könnten „ein R…
für die Gesellschaft darstellen“, so die Studie.
Am Beispiel von Austernpopulationen wird das Risiko einer Meereskrankheit
als Zusammenspiel von Gefahr, Ausgesetztheit und Anfälligkeit beschrieben.
Der Versuch der Risikominderung setzt bei allen drei Faktoren an. Durch die
Verringerung des ökologischen Risikos verringere sich auch das soziale
Risiko.
Die Auster ist ein gutes Beispiel, denn sie ist nicht nur ein
Nahrungsmittel. Austernbänke und -riffe sind auch Orte hoher Biodiversität,
denn sie bieten Lebensraum für viele andere Tierarten. Durch die
Filterleistung der Austern verbessert sich die Wasserqualität. Austern
tragen zur [1][Verringerung giftiger Algenblüten] bei.
„Ozean und Mensch, Ozean und Gesellschaft sind untrennbar miteinander
verbunden“, sagt Meeresökologin Kluger. Besondere Herausforderung bei
Krankheiten im Meer: „Politisch-administrative Grenzen greifen da nicht.
Alles hängt ja mit allem zusammen.“
Entsprechend breit gefächert sind auch die GesprächspartnerInnen, die
Kluger für ihr Modell des [2][Risikomanagements] sensibilisieren muss: „Die
[3][Aquakultur-Zuchtbetriebe sind da gefragt], der [4][Umweltschutz], die
Landwirtschaft, das Gesundheitswesen, die Kommunen, die Wirtschaft, die
politischen Entscheidungsträger.“
3 Aug 2025
## LINKS
[1] /Digitale-Ueberwachung-der-Ostsee/!6001544
[2] /Auswirkungen-vom-Klimawandel/!5997185
[3] /Was-Windraeder-noch-so-koennen/!6087541
[4] https://www.waddensea-worldheritage.org/de/gemeinsames-wattenmeersekretariat
## AUTOREN
Harff-Peter Schönherr
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Meer
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