# taz.de -- Rechtsextremismus in der Verwaltung: „Es geht um eine demokratisc… | |
> Findet sich der Rechtsruck in der Verwaltung wieder? Gala Nettelbladt hat | |
> das am Beispiel von Cottbus erforscht. | |
Bild: Ein Regenbogen in Cottbus | |
taz: Frau Nettelbladt, vor einem Jahr hat die Verwaltung der Stadt Cottbus | |
eine bemerkenswerte Erklärung veröffentlicht. In der heißt es unter | |
anderem: „Das Eintreten für Demokratie, Freiheit, Vielfalt und | |
Menschenwürde bleibt unsere gemeinsame Aufgabe.“ Hat Sie das überrascht? | |
Gala Nettelbladt: Diese Erklärung bezieht sich auf das Handlungskonzept | |
gegen [1][Rechtsextremismus der Stadt], das lange in Vorbereitung war. | |
Viele Kräfte aus der Zivilgesellschaft haben darauf hingearbeitet, dass | |
sich die Stadt in dieser Weise positioniert. In dieser Hinsicht hat es mich | |
nicht überrascht. Nur muss daraus auch reales Handeln werden. | |
taz: An wen war diese Erklärung adressiert? An die Öffentlichkeit oder an | |
die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Cottbuser Stadtverwaltung selbst – | |
als Appell oder Selbstverpflichtung? | |
Nettelbladt: Es war natürlich ein Appell an die Öffentlichkeit. Cottbus | |
wollte zeigen, dass man nicht mehr wegschaut, sondern etwas unternimmt. | |
Immerhin ist Cottbus eine der Hochburgen des Rechtsextremismus in | |
Brandenburg. Aber natürlich hoffe ich, dass es auch eine Aufforderung in | |
die Verwaltung hinein ist – verbunden mit bestimmten Maßnahmen wie zum | |
Beispiel Antirassismustraining oder Argumentationstraining gegen rechts. | |
taz: War ein solcher Appell nötig, um etwas einzufangen? Weil | |
Verwaltungshandeln zuvor vielleicht nicht immer ein „Eintreten für | |
Demokratie, Freiheit, Vielfalt und Menschenwürde“ war? | |
Nettelbladt: Wir kennen viele Beispiele aus der Stadtverwaltung in Cottbus, | |
aber auch aus anderen Städten, dass es im Verwaltungshandeln immer wieder | |
Diskriminierung gibt. Zum Beispiel Alltagsrassismus. Lange Zeit hat die | |
kommunale Wohnungsgesellschaft höhere Nebenkosten für Geflüchtete | |
abgerechnet. | |
taz: Für Geflüchtete, die nicht in Sammelunterkünften leben, sondern auf | |
dem Wohnungsmarkt versorgt wurden? | |
Nettelbladt: Genau. Deshalb ist ein solcher Appell auch angebracht. | |
taz: Sie forschen zum Thema Rechtsextremismus und Verwaltung und haben | |
darüber am Beispiel von Cottbus auch Ihre Dissertation geschrieben. Wie | |
sehr findet sich der Rechtsruck in der politischen Landschaft auch in der | |
Verwaltung wieder? | |
Nettelbladt: Mich hat die Frage beschäftigt, ob Städte wirklich die | |
Bastionen der Demokratie sind, als die sie – im Vergleich zum ländlichen | |
Raum – immer gelten. Aber auch in Städten hat die AfD teilweise hohe | |
Zugewinne. Für mich war das der Ausgangspunkt, um zu fragen, wie Städte und | |
ihre Verwaltungen damit umgehen. | |
taz: Weil auch die Mitarbeitenden einer Verwaltung ein Querschnitt durch | |
die wählende Bevölkerung sind. | |
Nettelbladt: Wir kennen das ja von Studien zu AfD-Wähler:innen bei der | |
Polizei. Mit diesem Rechtsruck kommt aber den Verwaltungen eine besonders | |
wichtige Rolle zu. Sie sind zu einem umkämpften Terrain im Ringen um | |
Strategien gegen Rechtsextremismus geworden. Hier finden | |
Auseinandersetzungen statt, die für lokale Demokratien entscheidende | |
Wirkungen entfalten. Ihr Handeln, ihre Funktionsweise und ihre rechtliche | |
Regulierung sind zentral. Sie könnten sich zum Beispiel in Allianzen mit | |
der Zivilgesellschaft gegen Rechts, Hetze und Menschenfeindlichkeit | |
positionieren. | |
taz: Tun sie das? | |
Nettelbladt: Wir sehen eher die Tendenzen, dass sich Verwaltungen aus | |
solchen Allianzen herausziehen. Zum Beispiel in Nürnberg. Anlass war ein | |
Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, dass die Stadt zur | |
Neutralität gegenüber nicht verbotenen Parteien verpflichtet sei. Die | |
dortige Allianz gegen Rechtsextremismus hatte unter anderem vor der AfD | |
gewarnt. | |
taz: Ist die Verwaltung einer Stadt, anders als zum Beispiel ein Politiker | |
oder eine Stadtverordnetenversammlung, nicht zu Recht zur Neutralität | |
verpflichtet? | |
Nettelbladt: Natürlich müssen Verwaltungen parteipolitisch neutral sein. | |
Aber gleichzeitig kann man fragen, ob diese Neutralität auch gegenüber | |
Hetze und Rassismus gilt? Oder ob es da nicht eher darum geht, eine | |
demokratische Haltung einzunehmen. Dann sind sie eben nicht neutral. Da | |
geht es auch ganz einfach darum, wie man jemandem zuhört, der nur gebrochen | |
Deutsch spricht. | |
taz: Wo steht denn Cottbus im Vergleich mit anderen Städten da, wenn es | |
darum geht, entsprechende Angebote zur Weiterbildung anzubieten? | |
Nettelbladt: Lange Zeit hat Cottbus das überhaupt nicht gemacht. Durch das | |
Engagement einzelner Verwaltungsmitarbeitender und mit dem Wechsel im | |
Rathaus hat sich das geändert. Das stärkt auch vielen, die sich in der | |
Verwaltung bemühen, den Rücken. | |
taz: Cottbus wurde lange von der CDU regiert, die das Problem des | |
Rechtsextremismus unter den Teppich gekehrt hat. Seitdem die Stadt mit | |
[2][Tobias Schick einen SPD-Bürgermeister] hat, hat sich vieles verändert. | |
Nettelbladt: Das stimmt. Es gibt da auch einen interessanten Trend. Viele, | |
die sich gegen Rechtsextremismus engagieren und sich im Sinne der | |
Betroffenen für eine offene Stadtgesellschaft einsetzen, gehen nun selbst | |
in die Verwaltung. Sie wollen nicht nur von außen etwas verändern, sondern | |
auch von innen. | |
taz: Wie verändert das die Verwaltung? | |
Nettelbladt: Das verändert die Verwaltung grundlegend, weil dadurch eine | |
Auseinandersetzung zwischen einzelnen Mitarbeitenden stattfindet. Diese | |
Neuen setzen sich beispielsweise auch dafür ein, Fördergelder aus | |
Demokratieprogrammen des Bundes und des Landes einzuwerben und einzusetzen. | |
taz: Auch Cottbus hatte sich aus einem Bündnis gegen rechts zurückgezogen. | |
Stattdessen gibt es nun eine Kampagne, die Cottbus als bunte und | |
vielfältige Stadt darstellt. Sie kritisieren das als Imagekampagne, die nur | |
darauf abzielt, Fachkräfte anzuziehen. Ist das nicht auch legitim? | |
Nettelbladt: Seit den Neunzigerjahren hat die Stadt immer mit aufgerufen, | |
wenn es gegen Versuche von Neonazis ging, das Gedenken an die | |
Bombenangriffe im Februar 1945 zu missbrauchen. Der Rückzug hat die | |
Zivilgesellschaft geschwächt. Da reicht es auch nicht, stattdessen zu | |
sagen, man schließt sich mit lokalen Unternehmen zusammen, um eine | |
Branding-Strategie für die Stadt zu entwickeln. Mit dem Handlungskonzept | |
gegen Rechtsextremismus gibt es jetzt eine echte Chance, sich nachhaltig | |
mit dem Thema auseinanderzusetzen | |
taz: Die Stadt sollte also riskieren, im Zweifel von der Justiz | |
zurückgepfiffen zu werden? | |
Nettelbladt: In Nürnberg zieht die Stadt deswegen vor das | |
Bundesverfassungsgericht. | |
23 Feb 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Rechtsextreme-in-der-Justiz/!6012121 | |
[2] /Oberbuergermeisterwahl-in-Cottbus/!5886668 | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
## TAGS | |
Rechtsextremismus | |
Cottbus | |
Verwaltung | |
Social-Auswahl | |
Behörden | |
Schwerpunkt AfD | |
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025 | |
Schwerpunkt Neonazis | |
Schwerpunkt Neonazis | |
Rechtsextremismus | |
Brandenburg | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Bericht über Mängel in der Verwaltung: Gekniffen sind die Leute in prekären … | |
Der „Monitor Verwaltungshandeln“ deckt Behördenmängel in Hamburg auf. | |
Probleme gibt es vor allem bei Asylbewerberleistungen und im Jobcenter. | |
Rechter Angriff auf Jugendclub: Aufruf zum Zusammenstehen | |
Nach dem rechtsradikalen Überfall auf einen Jugendclub in Senftenberg | |
versprechen Politiker Solidarität. Der Staatsschutz ermittelt. | |
Wahlkämpfer*innen in Deutschland: Pöbeleien als Alltag | |
An ihren Ständen wurden die Wahlkämpfer*innen gelobt und angeschrien. | |
Fünf von ihnen berichten, wie sie die vergangenen Wochen erlebt haben. | |
Antifaschisten blockieren Neonazis: Mit Protestschild und Blumenstrauß | |
Am Samstagnachmittag marschierten rund 100 Neonazis durch Mitte. Zahlreiche | |
Gegenproteste stellten sich ihnen immer wieder erfolgreich in den Weg. | |
Rechtsextreme in der Justiz: Niederlage für Neonazi | |
Ein NPD-Funktionär will sich in Cottbus zum Volljuristen ausbilden lassen. | |
Das muss der Staat nicht aushalten, hat nun ein Gericht entschieden. | |
Demokratieexperte über rechte Gewalt: „Schulen sind komplett überfordert“ | |
An Schulen komme demokratische Erziehung oft zu kurz, sagt Daniel | |
Trepsdorf. Dabei sei das die beste Prävention gegen Gewalt und Extremismus. | |
Bündnis in Brandenburg: 25 Jahre Kampf gegen Nazis | |
Brandenburgs Aktionsbündnis gegen rechts feiert am Freitag Jubiläum. Es ist | |
viel breiter aufgestellt als vergleichbare deutsche Initiativen. |