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# taz.de -- Gewalthilfe für Frauen: Ein Gesetz, das Leben rettet
> In Deutschland fehlen Tausende Plätze in Frauenhäusern. Die
> Ampelregierung versprach früh ein Gewalthilfegesetz. Nun ist es da – doch
> erntet Kritik.
Bild: „Es ist ungewiss, wie die nächste Regierung aussehen wird und mit welc…
„Das Verschleppen dieses Gesetzes hat schon genug Leben gekostet“, erklärt
Nadine Weber. Sie arbeitet in einem Berliner Frauenhaus und bei der
Zentralen Informationsstelle Autonomer Frauenhäuser (ZIF). Ein
„Gewalthilfegesetz“ hatte die Ampelregierung in ihrem Koalitionsvertrag
versprochen. Erst in den letzten Monaten dieser Legislaturperiode wurde das
Gesetz eingebracht.
Bisher gab es für den Schutz von Frauen „keine gute Gesamtstrategie“,
kritisiert Weber. Weder Frauenhäuser noch Beratungsstrukturen seien
ausreichend finanziert. Um das politisch abzusichern, erarbeitete der
Europarat 2011 die [1][Istanbul-Konvention], also das „Gesetz zur Verhütung
und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und gegen geschlechtsspezifische
Gewalt“. 2018 ratifizierte Deutschland die Konvention, sie ist somit
geltendes Recht und sieht genau eine solche „Gesamtstrategie“ zum Schutz
von Frauen vor Gewalt vor. Doch die Betroffenen warten immer noch auf guten
Schutz.
Die derzeitige Situation sei nicht nur für die betroffenen Frauen
belastend, auch für die Mitarbeitenden stelle sie eine enorme psychische
Belastung dar. „Die Ablehnungen passieren in den meisten Fällen aufgrund
des Platzmangels, aufgrund der Tatsache, dass das Frauenhaus voll ist“,
erklärt Weber. Die Mitarbeitenden wüssten häufig nicht, was mit den Frauen
passiert, wenn sie diese abweisen. Laut der Frauenhausstatistik von 2023
fehlen in Deutschland 14.000 Frauenhausplätze, diese wären jedoch
erforderlich, um die Istanbul-Konvention in diesem Bereich zu erfüllen.
## Gewaltschutz aufgrund der Geschlechtsidentität untersagt
Zu Beginn ihrer Koalition versprach die Ampel, diese zu finanzieren: „Wir
werden das Recht auf Schutz vor Gewalt für jede Frau und ihre Kinder
absichern und einen bundeseinheitlichen Rechtsrahmen für eine
[2][verlässliche Finanzierung von Frauenhäusern] sicherstellen. Wir bauen
das Hilfesystem entsprechend bedarfsgerecht aus. Der Bund beteiligt sich an
der Regelfinanzierung.“ Drei Jahre später, nach dem Bruch der
Ampelkoalition, wurde das Gewalthilfegesetz vorgelegt und im Januar 2025 im
Bundestag verabschiedet. Kurz vor der Bundestagswahl stimmte auch der
Bundesrat zu.
Durch dieses Gesetz übernehme die Bundesrepublik die Schutzverantwortung,
zu der sie die Istanbul-Konvention verpflichte, schätzt Weber die Bedeutung
des Gesetzes ein. Für die Mehrheit im Bundestag war allerdings ein
Kompromiss mit der CDU/CSU nötig. Die Zugeständnisse von SPD und Grünen
erschweren jedoch trans*-, inter- und nicht binären Personen den Zugang zu
Schutz. Dass die Istanbul-Konvention „ausdrücklich die Diskriminierung im
Zugang zu Gewaltschutz aufgrund der Geschlechtsidentität“ untersagt,
übergehe das Gesetz, erklärt Weber.
Schon während der Debatte über den Gesetzentwurf von SPD und Grünen wurde
die Kontroverse darüber deutlich, wer in Frauenhäusern Schutz bekommen
sollte. Es kamen transfeindliche Narrative auf. Dorothee Bär (CSU)
kritisierte in der ersten Lesung im Dezember 2024, dass die Regierung die
Augen davor verschließe, dass Frauenhäuser Angst hätten, weil sie nicht
wüssten, wen sie aufnehmen dürften und wen nicht.
Deutlichere Worte fand Sevim Dağdelen vom BSW: „In Ihrem Gesetz setzen Sie
das biologische Geschlecht der Frau mit dem Begriff,Geschlechtsidentität'
gleich. Das hat fatale Folgen; denn in diese gefühlte Geschlechtsidentität
wären dann auch Männer mit einbezogen, die sich selbst als Frauen
deklarieren.“
## Frauen mit unklarem Aufenthaltsstatus alleingelassen
Monne Kühn vom Frauen- und Kinderhaus Uelzen kritisierte zum Beispiel bei
der öffentlichen Anhörung des Familienausschusses zu dem Gesetz im Januar:
„Es bezieht sich auf eine transgenderideologische, nicht rechtsgültige
Auslegung der Istanbul-Konvention.“ Außerdem setze der Entwurf Geschlecht
mit dem Konzept der „Gender Identity“ gleich und leugne somit, dass es nur
zwei Geschlechter gebe, so Kühn.
Neben trans-, inter- und nicht binären Personen ist die Situation auch für
Frauen mit unklarem Aufenthaltsstatus nicht geregelt. Diese würden durch
das Gesetz alleingelassen werden. Insbesondere werde Frauen, deren
Aufenthalt von ihrem Ehemann abhängt, der Zugang zu Schutz verwehrt. „Das
Gesetz schützt diese Frauen nicht ausreichend, da Wohnsitzauflagen und
Residenzpflichten nicht berücksichtigt werden“, so Weber zu der Situation
für geflüchtete Frauen, die ihren Wohnort verlassen müssten.
[3][Trotz der Kritik sei es wichtig, dass der Bundesrat dieses Gesetz
verabschiedet habe.] „Es ist ungewiss, wie die nächste Regierung aussehen
wird und mit welchen Schwerpunkten diese antritt. Die aktuelle
menschenverachtende Rhetorik im Wahlkampf verheißt nichts Gutes“, erklärt
Weber. Ein Rechtsruck gehe auch immer mit Antifeminismus einher.
„Frauenhäuser und alle Unterstützungsstrukturen dienen auch der
Selbstbestimmung von Frauen, und in einem patriarchalen Weltbild passt es
nicht, freie, selbstbestimmte Frauen zu haben, die ihr Leben
uneingeschränkt leben können.“
20 Feb 2025
## LINKS
[1] /Istanbul-Konvention/!t5574951
[2] /Finanzierung-von-Hilfseinrichtungen/!6053427
[3] /Gewalt-gegen-Frauen/!6054653
## AUTOREN
Ayla Emma Aşkın
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