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# taz.de -- „Dreams“ von Michel Franco: Die Grenzen der Zuneigung
> Der Film „Dreams“ ist ein Liebes- und ein Migrationsdrama. Michel Franco
> seziert die Folgen ungleicher Machtverhältnisse für eine Beziehung.
Bild: Er will kein Geld, er will Anerkennung: Isaac Hernández als migrantische…
Die ganze Dringlichkeit des Dramas von [1][Regisseur Michel Franco] steckt
schon in den ersten Bildern: Ein Lastwagen steht mitten in der Wüste, die
Sonne sinkt, dann ist es Nacht – und markerschütternde Schreie dringen
durch die verschlossenen Türen des Anhängers.
Die Szene erinnert an die zahllosen Berichte über die grausamen
Bedingungen, unter denen Menschen aus Mexiko in die USA fliehen und dabei
oft genug ihr Leben verlieren. Alles, was auf die Szene folgt, steht in
Beziehung zu diesem Auftakt, auch wenn sich der Film schnell von den
grausamen Umständen entfernt, unter denen der etwa 30-jährige Fernando
(Isaac Hernández) nach San Francisco gelangt ist.
Dort kommt er in einer modernen Stadtvilla unter, die er augenscheinlich
nicht zum ersten Mal betritt. Es handelt sich um das Zuhause von Jennifer
McCarthy [2][(Jessica Chastain),] das wie ihre vielfach im Film
ausgestellte Designergarderobe gleichsam auch ein Symbol für ihren
Wohlstand, ihre Macht ist. Das enorme soziale Gefälle zwischen der
vermögenden, älteren Jennifer und dem mittellosen Fernando wird zum Kern
des Films.
Was sie verbindet – Liebe, Lust oder etwas anderes? – offenbart sich in
„Dreams“ in einer reizvollen Langsamkeit und bleibt wohltuend lange in der
Schwebe. Zwar empfängt Jennifer den jungen Mann mit überschäumender Freude,
doch ihre Worte tragen eine unangenehme Ambivalenz in sich: War es nicht
riskant, nur für sie zurückzukehren? Waren sie in Mexiko nicht glücklich
genug?
## Gönnerhafte Überheblichkeit
Dass Fernando bereits einmal aus den USA abgeschoben wurde und in seiner
Heimat als Balletttänzer für eine von den McCarthys geförderte Akademie
tätig war, zeigt sich später. Denn Jennifer ist die Tochter eines überaus
vermögenden Unternehmers (Marshall Bell) – gemeinsam mit ihrem Bruder
(Rupert Friend) leitet sie Wohltätigkeitsprojekte der Familienstiftung.
In klug konstruierten Szenen, die den „McCarthy“-Clan in ego-geladenen
Meetings oder bei der feierlichen Eröffnung eines neuen Kunstflügels
zeigen, seziert Michel Franco die gönnerhafte Überheblichkeit von Jennifers
Welt. Menschen wie Fernando haben darin nur als Beweis der eigenen
Mildtätigkeit einen Platz.
Damit hat Jennifers Zuneigung ganz offenbar Grenzen. Sie will Zeit mit
Fernando verbringen, ihn umsorgen, gar verhätscheln – doch mitbekommen soll
das niemand.
## Konsequenzen der sozialen Kluft
Fernando hingegen, der sich trotz seiner prekären Lage immer wieder als der
Selbstbestimmtere erweist und in den USA seine Karriere als Tänzer
vorantreibt, fordert Anerkennung. Er braucht kein Geld, sondern will, dass
sie sich zu ihm als Partner bekennt. Der Konflikt eskaliert, bis die
Konsequenzen der sozialen Kluft zwischen Jennifer und Fernando in all ihrer
Hässlichkeit zu Tage treten. In einem Finale, das den vorher so sorgsam
gezeichneten Figuren zwar nicht immer gerecht wird, aber nachhallt.
Der selbst aus Mexiko stammende Michel Franco zeigt, wie systemische und
individuelle Macht über Schicksale, über „Träume“, entscheidet. Im Schat…
von Trumps zweiter Amtszeit besticht „Dreams“ letztlich nicht nur als
präzises Beziehungsdrama, sondern auch durch seine beklemmende Aktualität.
16 Feb 2025
## LINKS
[1] /Regisseur-Michel-Franco-ueber-Memory/!6037008
[2] /Actionfilm-The-355-mit-Frauenbesetzung/!5824915
## AUTOREN
Arabella Wintermayr
## TAGS
Schwerpunkt Berlinale
Migration
Mexiko
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Liebe
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Schwerpunkt USA unter Trump
Erinnerungen
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