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# taz.de -- Ausstellung „Altona – Theresienstadt“: Stumme Zeugen der Ve…
> Leon Daniel Cohen und Käthe Starke-Goldschmidt lebten in Altona und
> wurden von den Nazis deportiert. Eine bewegende Ausstellung erzählt ihre
> Lebenswege.
Bild: Ein Transport erreicht das KZ in Terezín: Aquarell des Zeichners Felix B…
Im Altonaer Museum ist ein unvergleichliches Objekt ausgestellt. Leon
Daniel Cohen (1893–1944) hat den hölzernen Schrank 1939 getischlert und
aufwendig verziert, um eine Thorarolle zu verwahren. Cohen, als Soldat im
Ersten Weltkrieg mehrfach verwundet, hatte eine Lederhandlung, er verkaufte
Leder und Schuhmacherartikel. Mit seiner Frau Adele und den 1935 und 1936
geborenen Kindern wohnte er in der Altonaer Altstadt in der Kleinen
Papagoyenstraße 1, die heute Kirchenstraße heißt.
Das jüdische Ehepaar Cohen wurde 1942 zusammen mit den Kindern Daniel Leo
und Betty in die besetzte Tschechoslowakei deportiert, ins nordböhmische
Theresienstadt. 50 Kilogramm Gepäck durften die Deportierten mitnehmen.
Cohen wählte seinen Aron Hakodesch, den Thoraschrein.
1944 wurde die vierköpfige Familie Cohen ins Vernichtungslager Auschwitz
verbracht und ermordet. Der Aron Hakodesch existiert bis heute, er ist nun
erstmals im Altonaer Museum zu sehen. Aus der Spannung zwischen Cohens
Ermordung in der Schoah und dem Überdauern seines wohl kostbarsten Besitzes
bezieht die Ausstellung „Altona – Theresienstadt. Die Lebenswege von Leon
Daniel Cohen und Käthe Starke-Goldschmidt“ ihre erinnernde, aber auch ihre
beklemmende Kraft.
Dass der Aron Hakodesch erhalten blieb, ist Henrietta Blum zu verdanken.
Sie leitete das Kinderheim im Ghetto Theresienstadt – und kam mit dem Leben
davon. Sie stopfte Kleider in Cohens Schrein mit der Thora und behielt ihn,
bis sie ihn 1981 Yad Vashem überantwortete. Yad-Vashem-Leiter Michael Tal
betont die Besonderheit dieses Objekts unter den mehr als 30.000 Artefakten
der Internationalen Holocaustgedenkstätte in Jerusalem.
Der Aron Hakodesch verdankt sich handwerklichem Können und tiefer
Religiosität. Die Zeile „In der heiligen Gemeinde zu Altona, der kleine
Jehuda, Sohn des gelehrten David Walsrode ha-Cohen“ bezeugt die
Urheberschaft Cohens. Er hat Ornamente, einen Davidstern und segnende
Priesterhände eingeschnitzt. Ihn krönen zwei Tafeln mit den zehn Geboten
sowie die Inschrift: „Ich danke Dir, Ewiger, dass du mir gezürnt hast, und
möge Dein Zorn sich wenden und Du tröstest mich“, ein [1][Vers des
Propheten Jesaja]. Alle verwendeten Buchstaben ergeben zusammen die Zahl
1939 – also das Jahr, in dem der Schrein entstand.
Mit dieser besonderen Leihgabe aus Yad Vashem verweist das Altonaer Museum
auf eine alteingesessene Familie, die nur 500 Meter entfernt lebte und sich
zugehörig glaubte. Sie wurde ausgelöscht. Außer dem Thoraschrein
präsentiert die Ausstellung Fotos und weitere bruchstückhafte
Überlieferungen und Informationen zur Familie.
Parallel zur Familiengeschichte der Cohens erzählt Kuratorin Vanessa
Hirschs Ausstellung vom Leben der Jüdin Käthe Starke-Goldschmidt, die vor
120 Jahren in Altona geboren wurde und in der Ohlendorffsallee 4 wohnte,
die heute Susettestraße heißt.
Die Bankierstochter hatte Theaterwissenschaften studiert und erfolgreich an
mehreren Bühnen gearbeitet, bevor die [2][Zerstörungskraft der
Nationalsozialisten] auch sie traf: „Wer nur von den offiziellen
Essenszuteilungen lebte, verhungerte“, berichtete sie, nachdem sie im Juli
1945 nach mehrtägiger Fahrt mit einem Lastwagen-Konvoi wieder in Hamburg
war. Sie entschied sich, dort zu leben, bis zu ihrem Tod 1990. Die
Zeichnungen und Dokumente, die sie aus dem Konzentrationslager mitgebracht
hat, sind ebenfalls in der Ausstellung „Altona – Theresienstadt“ zu sehen.
Ihren Sohn nahm sie 1950 wieder zu sich. Käthe Starke-Goldschmidt hatte ihn
in eine andere Familie gegeben, um ihn zu schützen. Mit ihrer Schwester
Erna wurde sie 1943 nach Theresienstadt deportiert. Dort arbeitete sie in
der Zentralbücherei des Ghettos, hatte also besondere Einblicke und
Kontakte. So konnte sie ein Sammlung mit Biografien und Fotos von 92
prominenten Internierten sichern, und auch Aquarelle und Zeichnungen mit
nach Hamburg bringen. In ihren vor 50 Jahren [3][veröffentlichten
Erinnerungen mit dem sarkastischen Titel „Der Führer schenkt den Juden eine
Stadt“] hat sie die unmenschlichen Verhältnisse geschildert, denen sie
entkam.
Leon Daniel Cohen und Käthe Starke-Goldschmidt stammten aus
unterschiedlichen Milieus und Familienverhältnissen. Was sie neben ihrem
Judentum verband, war die [4][Herkunft aus Altona] – und die Jahre in
Theresienstadt. Ob sie sich dort begegnet sind? Die sehenswerte Ausstellung
im Altonaer Museum führt ihrer beider Lebensgeschichten nun ganz im Sinne
einer anderen Überlebenden zusammen: „Schaut nicht auf das, was euch
trennt“, hatte die 103-jährige Margot Friedländer jüngst appelliert.
„Schaut auf das, was euch verbindet. Seid Menschen. Seid vernünftig!“
15 Apr 2025
## LINKS
[1] https://www.bibleserver.com/LUT/Jesaja12
[2] /Gedenken-an-Sophie-Jansen/!5937512
[3] https://schluesseldokumente.net/quelle/jgo:source-218
[4] /Holocaustueberlebender-und-TikTok-Star/!6056181
## AUTOREN
Frauke Hamann
## TAGS
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