| # taz.de -- Datenbanken in der Provenienzforschung: Voranschreitende Vernetzung | |
| > Viele Museen erforschen mittlerweile, wo ihre Objekte herkommen. So | |
| > entstehen Datenbanken, die vom „Provenance Lab“ der Uni Lüneburg | |
| > miteinander verbunden werden. | |
| Bild: Ein möglicher Anfang auf dem Weg zur vernetzen Datenbank: Karteikarte au… | |
| Lübeck taz | Spätestens seit der Debatte über eine Rückgabe der | |
| Benin-Bronzen im Berliner Humboldt-Forum kommen die Museen in Deutschland | |
| nicht mehr um das Thema Provenienzforschung herum. Fast alle Sammlungen | |
| setzen sich damit auseinander, wo ihre Kunstwerke, Druckgrafiken, | |
| Musikinstrumente oder Dokumente herkommen und wie sie zu ihnen gelangt | |
| sind. | |
| Einige, zum Beispiel die Benin-Bronzen, die [1][an Nigeria zurückgegeben | |
| werden], sind an sich sehr wertvoll. Andere, wie Briefe oder sterbliche | |
| Überreste, haben vor allem einen Wert für die Familien oder Gesellschaften, | |
| aus denen sie kommen. Die Erforschung ihrer Herkunft ist fast immer | |
| aufwendig und damit teuer. | |
| In den vergangenen Jahren haben sich in Institutionen und Häusern Daten | |
| angesammelt, die auf Papier oder in Dateien wie etwa der | |
| [2][Lost-Lift-Datenbank] erfasst sind. Das Problem: Oft weiß das eine | |
| Forscher*innenteam nicht, was das andere tut. Auf der anderen Seite | |
| haben Opfer von NS-Gewalt oder [3][Kolonialismus] nur dann eine Chance auf | |
| Rückgabe, wenn sie überhaupt erfahren können, wo die verschwundenen Objekte | |
| geblieben sind. Zwei Forschungsprojekte an der Leuphana-Universität | |
| Lüneburg sollen diese Vernetzung nun ermöglichen. | |
| Das Land Niedersachsen und die VolkswagenStiftung fördern mit insgesamt 1,1 | |
| Millionen Euro das [4][Forschungsprojekt „Modern Migrants“], das Daten zur | |
| Provenienzforschung von Gemälden in US-Museen zusammenträgt. Dafür | |
| entwickelt ein Forscherteam Datenstandards, die auch als Modell an anderen | |
| Datensätzen erprobt werden. | |
| Das [5][Projekt „PAESE 3.0“] wiederum bringt Daten niedersächsischer Museen | |
| zur Provenienz von Objekten aus kolonialen Kontexten zusammen. Dieses | |
| Projekt ist Teil eines Wissenschaftsraumes, in dem die Leuphana-Universität | |
| mit Universitäten in Hannover und Oldenburg zusammenarbeitet. Hier geht es | |
| vor allem um Objekte aus dem Nationalsozialismus, der DDR und aus | |
| kolonialen Strukturen. | |
| Verantwortlich für die beiden Projekte ist das [6][„Provenance Lab“] mit | |
| einem interdisziplinären Team, zu dem auch eine Datenwissenschaftlerin, | |
| eine Anthropologin und ein Kunsthistoriker gehören. Dessen Leiterin ist die | |
| Kunsthistorikerin, Juristin und Betriebswirtschaftlerin Lynn Rother. Mit | |
| ihrer [7][Berufung an die Leuphania-Universität im November 2019] und der | |
| erfolgten Verstetigung der Stelle im Juli 2024 wurde die erste ordentliche | |
| Universitätsprofessur ausschließlich für Methoden der Provenienzforschung | |
| geschaffen. | |
| Den Wissenschaftler*innen begegnen viele Schwierigkeiten. Zum Beispiel | |
| ist oft unsicher, woher ein Objekt kommt, weil man nur weiß, wo die | |
| Missionar*innen gearbeitet haben, die es mitbrachten, nicht aber, woher | |
| das Objekt stammt. Dann stehen in der Beschreibung zum Objekt Begriffe wie | |
| „probably from …“ und „possibly from …“. Nuancen, die allerdings ei… | |
| großen Unterschied machen. Ein Michelangelo, der „wahrscheinlich echt“ ist, | |
| ist naturgemäß sehr viel wertvoller als ein „vermutlich“ echtes Gemälde. | |
| ## Begriffsklärung nötig | |
| Die Forscher*innen müssen auch Entscheidungen darüber treffen, wie | |
| Computer bestimmte Begriffe in den Provenienzentexten verstehen sollen. | |
| „Ist ein Museum ein Ort, eine Institution mit einer Personengruppe, eine | |
| Sammlung mit Objekten? Und wen meinen englischsprachige Herkunftsangaben, | |
| wenn sie von ‚Nazis‘ sprechen: eine beliebige Gruppe aus Parteimitgliedern | |
| oder einen Regierungsapparat mit Amtsträgern?“, fragt Rother. Diese | |
| Definitionen können nur Menschen erstellen, keine KI, und sie sind die | |
| Basis für ihre Datenanalyse und dafür, dass historische Zusammenhänge | |
| verstanden werden. | |
| Wenn Forschung derart vernetzt ist, macht das auch die Arbeit der | |
| Provenienzforschenden leichter. „Wenn zum Beispiel ein Museum zwei | |
| wertvolle Kaurischnecken hat, ein seit ungefähr 1.400 v. Chr. in China | |
| belegtes Zahulungsmittel, dann lohnt sich eine Untersuchung nicht“, sagt | |
| Rother. „Hat ein anderes Haus aber vielleicht 500 davon, kann man mit | |
| diesem Museum dann zusammenarbeiten.“ | |
| Bisher sind bereits 79 Museen in den Datenbanken von „Modern Migrants“ | |
| miteinander vernetzt. Ein ganz anderes Problem können die Forscher*innen | |
| des „Provenience Lab“ allerdings nicht lösen: Während in den USA der | |
| Großteil der [8][Provenienzforschung] digitalisiert ist, verstauben zum | |
| Beispiel in deutschen ethnologischen Museen viele Daten immer noch auf | |
| Inventarkarten in Kisten. Wenn es sie überhaupt gibt. | |
| 22 Mar 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Rueckgabe-von-Beutekunst/!5900773 | |
| [2] https://lostlift.dsm.museum/ | |
| [3] /Kolonialismus/!t5014183 | |
| [4] https://www.modernmigrants.art/ | |
| [5] https://www.postcolonial-provenance-research.com/ | |
| [6] https://www.leuphana.de/institute/ipk/provenance-lab.html | |
| [7] https://nachrichten.idw-online.de/2020/01/06/neue-lichtenberg-professur-fue… | |
| [8] /Provenienzforschung/!t5014182 | |
| ## AUTOREN | |
| Friederike Grabitz | |
| ## TAGS | |
| Provenienz | |
| Provenienzforschung | |
| Lüneburg | |
| Leuphana Universität | |
| Datenbank | |
| Forschung | |
| Schwerpunkt Kunst und Kolonialismus | |
| Museen | |
| NS-Raubkunst | |
| Raubkunst | |
| Deutscher Kolonialismus | |
| NS-Opfer | |
| Passau | |
| Provenienz | |
| Hannover | |
| NS-Raubkunst | |
| NS-Raubkunst | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Provenienzforschung in Passau: Eine Stadt sucht Naziräuber | |
| Wer ist der Künstler? In Passau geht man bei der Suche nach möglicher | |
| NS-Raubkunst neue Wege. Die ganze Stadt ist aufgefordert mitzumachen. | |
| Provenienzforschung in Hannover: Geraubt, erforscht und nicht zurückgegeben | |
| Die Provenienzforscherin der Stadt Hannover hat ihre Erkenntnisse | |
| veröffentlicht – sechs Jahre nach der Ausstellung der umstrittenen Werke | |
| aus der Sammlung Doebbeke. | |
| Umgang mit NS-Raubkunst: Keine Blumen für die Levys | |
| Seit 2008 fordert eine jüdische Familie ein Gemälde des impressionistischen | |
| Malers Lovis Corinth von der Stadt Hannover zurück. Doch die zögert. | |
| NS-Raubkunst: Bundeskabinett billigt Reform zu Rückgabeverfahren | |
| Ein Schiedsgericht soll künftig die Restitution von NS-Raubkunst | |
| erleichtern. Experten und Nachfahren von NS-Opfern haben Zweifel an dem | |
| Verfahren. | |
| Politik zu NS-Raubkunst: Zum zahnlosen Tiger reformiert? | |
| Claudia Roths schnelle Auflösung der Beratenden Kommission zur NS-Raubkunst | |
| zugunsten eines Schiedsgerichts stößt auf ein geteiltes Echo. |