| # taz.de -- Provenienzforschung in Passau: Eine Stadt sucht Naziräuber | |
| > Wer ist der Künstler? In Passau geht man bei der Suche nach möglicher | |
| > NS-Raubkunst neue Wege. Die ganze Stadt ist aufgefordert mitzumachen. | |
| Bild: Wem gehörte dieses Gemälde? „Diana mit Gefährtinnen“ – möglic… | |
| Ein Haufen Kisten liegt jetzt mitten in der Passauer Innenstadt herum. | |
| Normalerweise dienen solche Behälter zum Transport von Kunstwerken. In | |
| diesem Fall allerdings ist ihre Aufgabe eine andere: Sie sollen | |
| Aufmerksamkeit erzeugen, sagt die Kunsthistorikerin Anke Gröner. | |
| Aufmerksamkeit für zwei Plakate, die dort zu sehen sind. | |
| „Wer ist der Künstler?“, heißt es unter einem abgebildeten Ölgemälde, d… | |
| Diana mit ihren Gefährtinnen zeigt, möglicherweise ein französisches Bild | |
| aus dem 18. Jahrhundert. „Kennen Sie diesen Mann?“, lautet die Frage zu | |
| einem anderen Bild, auf dem ein Soldat mit Mütze zu sehen ist. | |
| Die Fragen sind ernst gemeint. Die ganze Stadt Passau ist aufgefordert, die | |
| Rätsel dieser Bilder zu knacken. Ziel ist es, die rechtmäßigen Besitzer zu | |
| finden. Denn es gibt deutliche Hinweise darauf, dass es sich um Raubkunst | |
| handelt, genauer um Werke, die die Nazis verfolgten jüdischen Besitzern | |
| gestohlen haben. „Gehört das Ihnen?“ lautet der Name der ganzen Aktion. | |
| ## Die Arbeit der Provenienzforschung | |
| Normalerweise ist die Suche nach NS-Raubkunst eine Angelegenheit von | |
| [1][Provenienzexperten], die akribisch die Rückseite von Gemälden | |
| untersuchen, auf der Suche nach Namen, Nummern oder Adressen, die diese mit | |
| Inventarverzeichnissen von Museen oder Sammlern vergleichen, dazu | |
| Werkverzeichnisse wälzen und Ergebnisse mit der internationalen | |
| Lost-Art-Datenbank abgleichen. | |
| So geht auch Gröner bei ihrer Arbeit vor, jedenfalls normalerweise. Oft | |
| genug allerdings überwiegt bei gewissen Museen und Ministern der Wunsch, | |
| Kunstwerke eben nicht an die Nachfahren der früheren Besitzer zu | |
| restituieren, sondern diese weiterhin schmückend auszustellen. Den Verdacht | |
| erheben immer wieder Rechtsvertreter der bestohlenen Erben – gerade | |
| [2][gegenüber der bayerischen Staatsregierung.] | |
| Im niederbayerischen Passau ist alles anders. Auch dort war das Thema lange | |
| Tabu. Das habe „vierzig Jahre lang niemanden interessiert“, sagt Gröner. | |
| Doch dies habe sich grundsätzlich geändert. Der Stadtrat beschloss vor | |
| einigen Jahren, jedwede Kunst auf jeden Fall an Berechtigte zurückzugeben. | |
| Seit rund einem Jahr arbeitet nun Anke Gröner hoch oben über der | |
| Dreiflüssestadt in der Veste Oberhaus und untersucht, ob sich in der großen | |
| Sammlung des städtischen Museums Naziraubkunst befindet. | |
| ## Die Herkunft vieler Werke ist unklar | |
| Gründe dafür, dies anzunehmen, gibt es reichlich. Von 1933 bis 1945 | |
| vergrößerte sich die Sammlung im damals Ostmarkmuseum genannten Haus um | |
| 1.400 Objekte, deren Herkunft in vielen Fällen bis heute unklar geblieben | |
| ist. | |
| Fest steht allerdings: Nach der Einnahme Passaus durch die US-Army brachten | |
| die US-Militärbehörden im Oktober 1946 89 der Objekte in den Central | |
| Collecting Point in München, berichtet Gröner. Solche Annahmestellen | |
| dienten dazu, Naziraubkunst zu untersuchen und den Besitzern zurückzugeben. | |
| Nicht in allen Fällen gelang das. Von den Passauer Bildern kamen | |
| schließlich alle bis auf eines in den 1950er Jahren zurück auf die Veste | |
| Oberhaus. | |
| Vier dieser Bilder konnten in jüngster Zeit den Nachfahren ihrer früheren | |
| Besitzer zurückgegeben werden. Sie waren in der Nazizeit aus einem | |
| französischen Möbellager gestohlen worden. Gröner gelang es, zwei Bilder zu | |
| identifizieren, die der tschechischen Jüdin Johanna Tauber gehörten. | |
| Eines davon trug einen Aufkleber aus Pittsburgh, wo es einmal als Leihgabe | |
| ausgestellt worden war. Das brachte Gröner auf die richtige Spur. Auch | |
| Tauber hatte die Bilder in Frankreich einlagern lassen. Sie beging im Mai | |
| 1944 kurz vor ihrer Deportation Suizid. 80 Jahre später erhielten die | |
| Urenkel Taubers die Bilder aus Passau. | |
| Bei anderen Bildern kommt Gröner nicht weiter. Sie hat nur noch ein Jahr | |
| Zeit für ihre Suche, dann endet ihr Zeitvertrag in [3][Passau]. Das sei | |
| eigentlich „viel zu kurz“, sagt sie. Vor ihrem Studium hatte Gröner als | |
| Werbetexterin gearbeitet. Und so kam sie auf die Idee mit den Plakaten und | |
| einem Aufruf an die Bevölkerung. „Die Idee ist eigentlich ganz simpel“, | |
| sagt sie. | |
| ## Die Idee erhält viel Zuspruch | |
| Die Stadt gehe glücklicherweise sehr offen mit dem Thema um. | |
| Oberhaus-Museumsleiterin Stefanie Buchhold war begeistert. „Ich fand das | |
| super“, sagt sie. Eigentlich beschäftigt sich [4][das Museum] mehr mit dem | |
| Mittelalter. „Man will es wissen. Das ist wichtig für die Identität des | |
| Hauses“, sagt sie zu der Suche nach den gestohlenen Bildern. „Unsere | |
| Geschichte verpflichtet uns, NS-Raubgut zu identifizieren und | |
| zurückzugeben“, erklärt Oberbürgermeister Jürgen Dupper (SPD) dazu. | |
| „Die meisten Menschen denken, das Thema sei durch“, sagt Gröner. Mit der | |
| Aktion werde die Problematik in die Öffentlichkeit gebracht. Alle drei | |
| Wochen werden auf dem Ludwigsplatz neue Gemälde vorgestellt, sodass bis zum | |
| November bei acht Kunstwerken nach Details zu Bild und Besitz gefragt | |
| werden wird. | |
| Ob sich jemand melden wird? „Ich habe keine Ahnung, wie die Aktion | |
| ankommt“, bekennt Gröner. Aber ich hoffe, dass es etwas bringt.“ | |
| 9 Sep 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Provenienzforschung/!t5014182 | |
| [2] /Bayern-restitutiert-NS-Raubkunst/!6110997 | |
| [3] /Passau/!t5066076 | |
| [4] https://www.oberhausmuseum.de/museum/provenienzforschung/aufruf-gehoert-das… | |
| ## AUTOREN | |
| Klaus Hillenbrand | |
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