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# taz.de -- Historiker über Gebeine in Uni-Archiven: „In den Kolonien gestoh…
> Die Uni Göttingen gibt menschliche Überreste an die Republik Palau
> zurück. Wie sie in Göttinger Sammlungen gelangten, erklärt Christian
> Vogel.
Bild: Es muss nicht immer Papier sein: In den Göttinger Regalen lagern auch ga…
taz: Herr Vogel, Sie sind einer der Initiatoren des Projekts [1][„Sensible
Provenienzen: Menschliche Überreste aus kolonialen Kontexten in den
Sammlungen der Universität Göttingen“]. Worum geht es da?
Christian Vogel: Das von der Volkswagen-Stiftung finanzierte Projekt
untersucht die Herkunft menschlicher Überreste aus der kolonialen
Vergangenheit in zwei Göttinger Universitätssammlungen.
Welche sind das?
Zum einen die „Blumenbachsche Schädelsammlung“, die auf den Naturforscher
Johann Friedrich Blumenbach zurückgeht. Nach seinem Tod 1840 wurde die
Sammlung von seinen Nachfolgern bis in die 1940er-Jahre weitergeführt.
Heute befinden sich darin rund 800 Gebeine, davon rund 200 nicht aus
Europa. Zum anderen nimmt das Projekt die umfassende
biologisch-anthropologische Sammlung der Universität in den Blick: Hier
stammen viele menschliche Überreste aus Ozeanien und Afrika. Im Rahmen des
Projekts sind auch schon zweimal Gebeine zurückgegeben worden, an Hawaii
und Neuseeland.
Und heute also an Vertreter des pazifischen Inselstaates Palau.
Es werden Gebeine von sieben Menschen an eine Delegation aus Palau
zurückgegeben. Diese Gebeine wurden 1911 im Zuge der sogenannten
„Südsee-Expedition“ im Auftrag des [2][Hamburger Museums für Völkerkunde]
illegal ausgegraben. Ein Teilnehmer war der Ethnologe Paul Hambruch. Er
brachte, wie sich durch Tagebucheinträge belegen lässt, mehrere Gebeine in
seinen Besitz. Die gestohlenen Gebeine kamen zunächst also nach Hamburg.
Und wann gelangten sie dann nach Göttingen?
Sie wurden in den 1950er- und 1960er-Jahren von dem Hamburger Museum an die
Uni Göttingen weitergegeben und lagerten dort seitdem in der
Anthropologischen Sammlung.
Es geht heute aber nicht nur um die Göttinger Stücke.
Es werden auch ein Schädel, eine Gipsbüste sowie eine Haarprobe
zurückgegeben, die sich zuvor in den Staatlichen Ethnographischen
Sammlungen Sachsens befanden.
Was genau ist geplant?
Aus Palau werden der Kulturminister, der Leiter des staatlichen
anthropologischen Instituts und zwei weitere Delegationsmitglieder anwesend
sein. Das Ganze findet in einem feierlichen Rahmen statt. Es gibt Grußworte
des Göttinger Universitätspräsidenten [3][Metin Tolan] und eines Vertreters
des Niedersächsischen Wissenschafts- und Kulturministeriums. Und dann
sprechen drei Vertreter der Delegation aus Palau.
Wie geht es mit dem Provenienz-Projekt weiter?
Insgesamt schätzen wir, dass in den beiden Göttinger Sammlungen noch die
Gebeine von rund 1.300 Menschen aus ehemaligen Kolonien liegen. Wir konnten
bislang nur einen Bruchteil davon identifizieren und zurückgeben. Die
Universität hat zu wenig Geld, um das Projekt weiter zu finanzieren. Es
gibt zum Glück aber ein Nachfolgeprojekt, das für weitere zwei Jahre über
das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste finanziert wird. Gleichzeitig laufen
Forschungen auch vom [4][Hamburger Museum Kulturen und Künste der Welt],
dem früheren Völkerkundemuseum. Darüber hinaus suchen wir nach
Möglichkeiten, die [5][Provenienzforschung] dauerhaft an der Uni Göttingen
zu verankern.
25 Mar 2024
## LINKS
[1] https://www.uni-goettingen.de/de/629688.html
[2] /Museum-arbeitet-Kolonialismus-auf/!5858876
[3] /Neuer-Praesident-der-Uni-Goettingen/!5743543
[4] https://markk-hamburg.de/category/koloniales_erbe/
[5] /Provenienzforschung-in-Goettingen/!5668151
## AUTOREN
Reimar Paul
## TAGS
Kolonialismus
Wissenschaft
Göttingen
Provenienzforschung
Ethnologie
Schlagloch
Human remains
Deutscher Kolonialismus
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