| # taz.de -- Filme zu Meredith Monk und Keith Jarrett: Freies Spiel mit Tönen | |
| > Wie der größte Hit von Keith Jarrett entstand und wie Meredith Monk groß | |
| > wurde, erzählen zwei Filme der Berlinale: „Köln 75“ und „Monk in Piec… | |
| Bild: Exzentrisch, archaisch, spielerisch agiert die Komponistin Meredith Monk,… | |
| Das Label ECM polarisiert. Trotz innovativer Musiker wie Steve Reich, | |
| Meredith Monk oder Keith Jarrett hängt ihm seines perfekten Klangs wegen | |
| der Ruf von Gediegenheit an. Dies ungeachtet der Vielseitigkeit seines | |
| Katalogs. Auf der Berlinale werden etwa zwei ganz unterschiedliche Künstler | |
| des Labels in zwei ebenso unterschiedlichen Filmen vorgestellt. | |
| Zu den am meisten polarisierenden Alben von ECM gehört [1][„The Köln | |
| Concert“ des Pianisten Keith Jarrett aus dem Jahr 1975]. Bis heute ist es | |
| das erfolgreichste Soloalbum des Jazz. Eine gute Stunde frei improvisierter | |
| Musik in Jarretts ganz eigenem Idiom, das harmonisch, oft repetitiv und | |
| manchmal nach gefälligem Pop klingt. Viel Lob gab es dafür, Kritik | |
| allerdings nicht minder: Jarrett zum Beispiel distanziert sich | |
| leidenschaftlich gern davon. | |
| Ido Fluks Spielfilm „Köln 75“ erzählt von der Entstehung der Aufnahme. Die | |
| Musik selbst kommt bemerkenswerterweise nicht vor. Dafür nimmt sich Fluk | |
| viel Zeit für die Umstände, unter denen das Konzert möglich wurde. Ein | |
| bisschen pompös beginnt der Film mit verrauschten Bildern aus der | |
| Sixtinischen Kapelle in Rom, während eine Stimme aus dem Off erzählt, wie | |
| toll es gewesen sein muss, Michelangelo seinerzeit bei der Arbeit auf dem | |
| Gerüst zuzusehen. Von da springt der Film zur Kölner Oper, dem Ort, wo | |
| Keith Jarrett sein „Köln Concert“ spielte, um mit den Worten „Dieser Film | |
| handelt von so einem Gerüst“ recht gezwungen den Bogen zur italienischen | |
| Sakralkunst zu schlagen. | |
| Einen gut Teil dieses „Gerüsts“ bildete in Jarretts Fall die 18-jährige | |
| Vera Brandes, die das Konzert in Köln damals veranstaltete. Man sieht | |
| eingangs die arrivierte Brandes (Susanne Wolff) bei ihrem 50. Geburtstag im | |
| Jahr 2006, ihr Vater (Ulrich Tukur), ein Zahnarzt, hält eine Ansprache, | |
| dass die Tochter die „größte Enttäuschung“ seines Lebens sei. | |
| ## Ein Schnitt zurück | |
| Von da geht es mit einem Schnitt zurück in die Siebziger, wo die | |
| Gymnasiastin Vera (Mala Emde) mehr Interesse an Jazz als an der Schule | |
| zeigt. Mit wilder Entschlossenheit macht sich die selbstbewusste Vera in | |
| kürzester Zeit durch bloßes Ausprobieren zur verhandlungssicheren Bookerin, | |
| die weiß, wie hoch ihr Anteil an den Einnahmen zu sein hat und wie man zur | |
| Not Dinge energisch einfordert. | |
| Das Köln der Siebziger ist bei Fluk nostalgische Kulisse, man sieht viele | |
| alte Autos, lange Haare und Cordjacken. Vera und ihre Freunde lassen auf | |
| dem Plattenspieler Bands wie Can laufen, man bekifft sich zum Agitprop von | |
| Floh de Cologne. | |
| Jazz spielt zunächst keine so große Rolle. Bis der US-amerikanische | |
| Musikjournalist Michael (Michael Chernus) auf den Plan tritt und in einem | |
| didaktischen Einschub dem Filmpublikum einen äußerst knappen Abriss der | |
| Geschichte des Jazz gibt. Einsetzend bei den hierarchisch aufgebauten Big | |
| Bands der Zwanziger Jahre, beschreibt er eine Entwicklung, in der immer | |
| mehr Vorgaben wegfallen. Am Ende stehen die Solokonzerte Jarretts, in denen | |
| dieser frei improvisiert. Alle Einfälle, von den einzelnen Tonfolgen bis | |
| zum gesamte Aufbau des Konzerts, ergeben sich spontan im Moment. | |
| ## Im Renault 4 durch die Berge | |
| Keith Jarrett (John Magaro) hat im Film gerade ein Konzert in der Schweiz | |
| absolviert, die Einnahmen sind mäßig, der ECM-Chef Manfred Eicher | |
| (Alexander Scheer) fährt ihn, um Kosten zu sparen, persönlich im Renault 4 | |
| durch die Berge bis nach Köln, was Fluk genüsslich ausspinnt. | |
| Jarrett leidet unter Rückenschmerzen, hat der Reisebedingungen wegen kaum | |
| geschlafen und ist wenig motiviert. In Köln stellt sich in der Oper dann | |
| heraus, dass nicht der von Brandes zugesicherte große Bösendorfer-Flügel | |
| auf der Bühne steht, sondern ein kleineres Modell, das verstimmt ist. | |
| Jarrett will nicht spielen, er will schon gar nicht, dass jemand das | |
| Konzert aufzeichnet. | |
| So weit, so richtig. Auch dass Brandes Jarrett schließlich überzeugen | |
| konnte, dennoch aufzutreten, stimmt, und dass Eicher am Ende an seinen | |
| gewünschten Mitschnitt kam. „Köln 75“ ist in erster Linie ein netter Film, | |
| der sich im Anekdotischen verliert. Selbst wenn John Magaro als | |
| übellauniger Exzentriker seinen Reiz hat. | |
| ## Vokalexperimente von Meredith Monk | |
| Nicht minder exzentrisch ist die [2][Komponistin Meredith Monk], die Billy | |
| Shebar in seinem Dokumentarfilm „Monk in Pieces“ einfühlsam porträtiert. | |
| Monk verbindet in ihrer Kunst Minimal Music, erweiterte Stimmtechnik, | |
| Performance und Video zu einer ganz eigenen Mischung, die im Film häufig | |
| als „archaisch“ charakterisiert wird. Man könnte aber auch von einer | |
| Avantgarde mit Pop-Appeal sprechen, in der Monks Vokalexperimente an die | |
| Leichtigkeit eines Kindes denken lassen, das sich spielerisch ausprobiert. | |
| Als Kind litt Monk so stark unter ihrem Schielen, dass sie Schwierigkeiten | |
| hatte, sich im Raum zu orientieren. Ihre Mutter, von Beruf Sängerin, | |
| schickte sie daher zum Eurythmieunterricht. Durch diese „Therapie“ wurde | |
| nicht bloß Monks Koordinierung verbessert, wie Monk im Film berichtet. Vor | |
| allem sind Musik und Bewegung für sie seitdem untrennbar verbunden. | |
| Monk, die unter anderem mit dem [3][Choreografen Merce Cunningham], dem | |
| afroamerikanischen Komponisten Julius Eastman oder dem Jazzperkussionisten | |
| Collin Walcott zusammenarbeitete, bleibt sich in ihrem Werdegang | |
| bemerkenswert treu. In einem Zusammenschnitt durch die Jahrzehnte | |
| illustriert Shebar an einer Stelle, wie Monk in verschiedenen Phasen ihres | |
| Lebens die exakt gleichen Sätze verwendet, um ihre Arbeit zu beschreiben. | |
| Sogar ihre langen schmalen Zöpfe flicht die Musikerin noch im hohen Alter. | |
| „Monk in Pieces“ versammelt wunderbares Material von ihren Performances und | |
| Filmen, in denen sie nicht allein, wie in ihrem Klassiker „Dolmen Music“, | |
| wortlose Laute formt, sondern auch Themen wie Antisemitismus aufgreift. Man | |
| bekommt viel Lust, ihre Alben hinterher in Ruhe anzuhören. | |
| 19 Feb 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Tim Caspar Boehme | |
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