Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Regisseur über Krankenhäuser: „Ich habe versucht, Teil des Inve…
> Der Regisseur Philipp Döring beobachtet in seinem Dokumentarfilm
> „Palliativstation“ die Arbeit in einem Krankenhaus. Dort werde auch
> gelacht, sagt er.
Bild: Der Regisseur Philipp Döring hat zwei Monate lang auf der Palliativ-Stat…
taz: Herr Döring, was hat Sie als Filmemacher auf eine Palliativstation mit
sterbenskranken Menschen geführt?
Philipp Döring: Tatsächlich gab es mehrere Anfangspunkte, die gar nicht so
viel miteinander zu tun haben. Der eine war, dass vor ungefähr zehn Jahren
ein Onkel von mir gestorben ist. Der hatte Krebs und sicherlich große
Schmerzen. Er war auch auf einer Palliativstation, am Ende in einem Hospiz.
Was mich beeindruckt hat, ist, dass er bis zum Schluss seinen Lebensmut
nicht verloren hat. Und er hat dann sogar seine eigene Beerdigung mehr oder
weniger durchgeplant, welche CDs da gespielt werden sollen und so weiter,
und das hat mich nicht losgelassen. Denn wenn ich dem Thema Sterben und Tod
begegne, dann ist es sehr angstbesetzt und ich traue mich gar nicht
richtig, daran zu denken.
Ein anderer Punkt, der von einer völlig anderen Seite kommt, ist, dass ich
zu der Zeit öfter am Theater gefilmt habe für Luk Perceval, wobei ich den
Probenprozess begleitet, so eine Art Making-of gemacht habe. Für mich war
das total toll, weil ich dieses Setting mag, diese Teamarbeit fand ich
faszinierend. Das kam dann zusammen, dieser Onkel und diese Art und Weise,
wie ich am Theater gefilmt habe, dass ich dachte, ja, das könnte doch was
sein, um einen Film zu machen. Dann habe ich angefangen zu recherchieren
und mir Palliativstationen in Berlin anzugucken.
taz: Wie haben Sie die Station ausgewählt, auf der der Film dann gedreht
wurde?
Döring: Ich habe alle Palliativstationen in Berlin angeschrieben. Es sind
gar nicht so viele. Nicht mal ein Dutzend, glaube ich. Die meisten haben
auch geantwortet. Und dann habe ich mir die alle angeguckt. Im
Franziskuskrankenhaus hatte ich das Gefühl, das könnte sehr gut klappen,
und wir waren uns schon einig und hatten auch schon einen Vertrag. Einen
Monat, bevor es losgehen sollte, kam Corona und es hat sich dann noch um
ein paar Jahre verschoben. Aber ich bin drangeblieben, und schließlich ist
es das Franziskus geworden. Im Nachhinein betrachtet ist es ganz gut, dass
es auch so lange gedauert hat, weil das ein guter Zeitpunkt war. Zum
Beispiel der Oberarzt, der sehr viel zu sehen ist, Doktor Pfrang, der war
vor der Pandemie noch nicht dagewesen. Für mich war es toll, dass da so ein
Arzt ist, der wirklich eine beeindruckende Persönlichkeit ist.
taz: Man sieht bestimmte Mitarbeiter aus dem Team sehr oft, andere weniger.
Gab es grundsätzlich eine Bereitschaft von allen, bei Ihrem Film
mitzumachen?
Döring: Gerade bei der Pflege gab es Widerstände und viele, die nicht
wollten. Es war wohl auch so, dass ein paar Monate vorher ein Fernsehteam
dagewesen war für zwei, drei Tage, und das hat nicht gerade Werbung dafür
gemacht, dass jemand auf Station filmt. Da haben dann viele gesagt: „So was
brauchen wir nicht noch mal!“ Hinzu kam, dass sie personelle Probleme
hatten und viele Leasingkräfte da waren. Die will man dann nicht richtig
filmen, weil sie keine richtigen Palliativpfleger sind und sie auch nicht
richtig zur Station gehören. Die Ärzte sind viel leichter zu filmen, weil
sie sagen, sie machen ihre Visite, fangen mit dem ersten Patienten an,
gehen zehn Minuten oder eine Viertelstunde rein und dann zum nächsten.
taz: Im Film sieht man vor allem Szenen, in denen viel mit Patienten und
Angehörigen gesprochen wird. Und sie waren nicht nur zwei, drei Tage dort,
sondern zwei Monate. Wie repräsentativ sind diese Momente für die Arbeit
insgesamt?
Döring: Ich denke, das ist schon repräsentativ. Natürlich liegt so ein
Patient auch mal zwei Stunden in seinem Zimmer und guckt Fernsehen und es
passiert gar nichts. Aber es ist nicht so, dass ich händeringend
Situationen sammeln musste. Ich glaube, das gibt schon einen guten Eindruck
davon, wie viel sie dort präsent sind.
taz: Wie hat das Personal darauf reagiert, dass Sie für eine so lange Zeit
täglich die Arbeit auf der Station begleitet haben?
Döring: Ich war jeden Tag da, habe so eine klassische Arbeitswoche Montag
bis Freitag gemacht. Am Wochenende war ich auch einmal da, aber am
Wochenende passiert weniger. Vom Personal, gerade von den Ärzten, aber auch
generell von denen, die da arbeiten, glauben schon viele an das, was sie
machen. Und sie denken, das ist eine gute und wichtige Sache und es ist
auch wichtig, dass dies mehr Leute wissen. Weil mir auch meine Erfahrung
sagt, dass die meisten von einer Palliativstation schon so eine grobe
Vorstellung haben: Das hat was mit Sterben zu tun. Aber was es genau ist,
wissen die meisten dann doch nicht.
taz: Und wie reagierten die Patienten?
Döring: Erstaunlich viele haben kein Problem damit gehabt. Ich glaube, das
hat viel damit zu tun, dass die meisten Patienten schon im Aufnahmegespräch
sehr schnell gemerkt haben, dass es auf einer Palliativstation ein bisschen
anders ist, dass sie sich da ganz anders gesehen und gut aufgehoben gefühlt
haben. Ich habe dann versucht, so ein bisschen Teil des Inventars auf der
Station zu werden, dass da so einer ist, der rumsteht und auch nicht viel
sagt und gar nicht groß auffällt.
taz: In manchen Szenen des Films halten Sie diskret Abstand. Andere
Patienten werden sehr frontal gezeigt. Wonach sind sie da vorgegangen?
Döring: Ich habe versucht, meine Haltung so zu definieren wie die eines
anteilnehmenden Angehörigen, der am Fußende des Bettes steht, ein bisschen
näher bei den Ärzten, aber dann hauptsächlich auf die Patienten guckt.
taz: War es auch aus der Perspektive von Angehörigen gedacht, dass Sie in
einer Szene den Abtransport einer Leiche zeigen?
Döring: Ich fand wichtig, dass man einmal sehen muss, was passiert, wenn
jemand stirbt. Im Keller dort ist es auch nicht besonders hübsch. Aber es
ist dann halt so.
taz: Was hat die Arbeit auf der Station unter sterbenskranken Menschen mit
Ihnen selbst getan?
Döring: Einer der Ausgangspunkte war meine eigene Angst, mich mit diesem
Thema zu konfrontieren. Das hat mir auf jeden Fall eine Menge von dieser
Angst genommen. Einfach weil ich gemerkt habe, da ist Platz für diese
Angst. Also für die Patienten und so, dass man mit der Angst auch umgehen
kann, indem man sie thematisiert und darüber spricht, dass man einfach
lernen kann, damit umzugehen. Es klingt immer wie eine Plattitüde, und dass
Sterben und Tod Teil des Lebens sind, weiß auch jeder. Aber die eine Sache
ist halt, das zu sagen. Das andere ist, es wirklich so zu empfinden.
Wenn man jemandem erzählt, man macht einen Film auf einer Palliativstation
und der ist auch noch vier Stunden lang, dann sagen immer alle: „Oh Gott,
wie kannst du das nur machen und wie kannst du dich dem aussetzen?“ Das ist
aber wirklich nicht das Gefühl, das man hat, wenn man auf diese Station
kommt. Da ist zwar Leid und natürlich sind die Menschen da schwerst krank,
aber da herrscht schon eine sehr positive Stimmung, und da wird Menschen
geholfen, und da wird auch viel gelacht. Hoffentlich überträgt sich das auf
die Zuschauer, dass es zwar hart ist, aber nicht deprimierend, sondern
eigentlich eher bestärkend und auch viel Positives hat. Die Frage ist
wirklich, was mache ich mit meiner Lebenszeit, die ich noch habe?
21 Feb 2025
## AUTOREN
Tim Caspar Boehme
## TAGS
wochentaz
Schwerpunkt Berlinale
Palliativmedizin
Krankenhäuser
Social-Auswahl
Krankenhäuser
Schwerpunkt Berlinale
Schwerpunkt Berlinale
Schwerpunkt Berlinale
## ARTIKEL ZUM THEMA
Hippe Ärzte auf Apple TV: Halbgötter auf Keta
Die Krankenhausserie „Krank Berlin“ inszeniert das tägliche Chaos im
Gesundheitswesen als hippes Großstadt-Drama. Das ist ziemlich gelungen.
„Dreams (Sex Love)“ auf der Berlinale: Die Grammatik der ersten Liebe
In „Dreams (Sex Love)“ verliebt sich eine 17-Jährige in ihre Lehrerin. Dag
Johan Haugerud erzählt feinfühlig von Wucht und Folgen ihrer Gefühle.
Filme zu Meredith Monk und Keith Jarrett: Freies Spiel mit Tönen
Wie der größte Hit von Keith Jarrett entstand und wie Meredith Monk groß
wurde, erzählen zwei Filme der Berlinale: „Köln 75“ und „Monk in Pieces…
Neuverfilmung von „Richard III.“: Mit messerscharfer Sprache
In „Kein Tier. So Wild“ (Berlinale Special) gibt Burhan Qurbani „Richard
III.“ eine weibliche Hauptfigur. Über Shakespeare unter Berliner Banden.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.