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# taz.de -- Hippe Ärzte auf Apple TV: Halbgötter auf Keta
> Die Krankenhausserie „Krank Berlin“ inszeniert das tägliche Chaos im
> Gesundheitswesen als hippes Großstadt-Drama. Das ist ziemlich gelungen.
Bild: Louise Jones und Şafak Şengül in „Krank Berlin“
Ein junger Mann im Kapuzenpulli kommt von einer [1][Technoparty]. Er kann
kaum mehr stehen und betritt zugedröhnt die Rettungsstelle eines
Krankenhauses. Sucht er Hilfe? Nein! Als jemand keine Luft mehr bekommt,
nimmt er eine lange Nadel, setzt sie zwischen den Rippen an und stößt unter
den entsetzten Schreien einer danebenstehenden Frau in die Lunge und rettet
ihm so das Leben.
„Keine Sorge!“, sagt die dazugekommene [2][Krankenschwester]. „Das ist Dr.
Weber, der arbeitet hier.“
In [3][der Serie] „Krank Berlin“ verschwimmen immer wieder die Grenzen
zwischen Pflegepersonal, Ärzten und Patienten. Der rasante Achtteiler, eine
Koproduktion von Apple TV+ und ZDFneo, konterkariert hingebungsvoll gängige
Krankenhausserien. Die Götter in Weiß sind hier keine Moralapostel, sondern
junge hippe Großstädter, die nach der aufreibenden Arbeit in der
Rettungsstelle gerne tanzen gehen und sich die Kante geben – mit Cocktails,
Schnaps oder Opioiden.
Die junge Suzanne Parker (Haley Louis Jones) übernimmt die Leitung der aus
allen Nähten platzenden Rettungsstelle, die für die Berliner Szenebezirke
Neukölln und Kreuzberg zuständig ist. Mit den dazugehörigen Notfällen:
Schusswunden, Herzinfarkte, schwer verletzte Bauarbeiter oder ein von der
Polizei ins Koma geprügelter migrantischer Jugendlicher. Die Angestellten
kommen kaum hinterher, sind personell unterbesetzt und schlecht
ausgestattet.
„Krank Berlin“ stimmt das kürzlich auch in der spanischen
Netflix-Krankenhausserie „Atemlos“ bemühte Lied um kaputtgesparte
Krankenhäuser an, wo Angestellte täglich den Notstand der verfehlten
Gesundheitspolitik verwalten.
Das machen die Mitarbeiter des „Krank“, wie sie ihre Rettungsstelle
umgangssprachlich nennen, mit viel Hingabe. Ben Weber (Slavko Popadic)
bedient sich zwar gerne beim Betäubungsmittelschrank, was die neue Leiterin
unbedingt abstellen will. Aber er kümmert sich auch um kranke Menschen ohne
Papiere und leistet Obdachlosen Hilfe.
## Heftige Flirts im Flur
Die Chirurgin Emina Ertan (Safak Sengül), die im Dauerclinch mit ihrer
Familie liegt, überlegt, nach München zu ziehen, dort einen tollen Job in
einem schicken Krankenhaus für sozial deutlich bessergestellte Menschen zu
machen, flirtet aber noch heftig mit der Notfallsanitäterin Olivia (Samira
Breuer).
Die sammelt mit ihrem Kollegen Olaf (Bernhard Schütz) zum Beispiel einen in
die Jahre gekommenen Hausbesetzer oder Patienten auf wilden Partys in
verruchten Clubs ein.
„Krank Berlin“ legt ein unglaubliches Tempo vor. Gedreht wurde die hippe
Serie, die manchmal etwas zu bemüht am sozialkritischen Puls der Zeit sein
will, im Ostberliner SEZ, einem riesigen stillgelegten Freizeitpark mit
Waschbetonoptik.
Der Kreuzberger Drogen-Hotspot Kotti ist Hauptdrehort. Während sich die
coolen und sehr diversen Krankenhausmitarbeiter am Chaos ihres Alltags vor
grün und gelb gestrichenen Betonwänden abarbeiten, droht das Management im
Hintergrund den ganzen Laden zu privatisieren.
Das Schöne an dieser flott erzählten Serie ist, dass Ärzte und
Pflegepersonal hier keine Helden sein müssen und es dann natürlich doch
irgendwie sind.
Aber im Gegensatz zu Dr. House, der tablettensüchtig geniale Diagnosen von
sich gibt, macht der zugedröhnte Ben dann doch Fehler und verliert fast
seinen Job. Auch wenn sich die Serie an der Ästhetik des hippen und sozial
randständigen Berlins regelrecht aufgeilt, lohnt es sich, sie zu schauen.
25 Feb 2025
## LINKS
[1] /Technoparade-Zug-der-Liebe-in-Berlin/!6029256
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[3] /Serie-ueber-britischen-Krankenhausalltag/!5960946
## AUTOREN
Florian Schmid
## TAGS
Krankenhäuser
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ZDFneo
Gesundheitswesen
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Doku
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