| # taz.de -- Streik im öffentlichen Dienst: Sollen doch die Reichen den Gürtel… | |
| > Am Donnerstag und Freitag streiken Beschäftigte des öffentlichen | |
| > Dienstes. Die Gewerkschaft fordert Umverteilung und ein Ende der | |
| > Sparpolitik. | |
| Bild: Ohne die Beschäftigten der BSR versinkt Berlin im Müll | |
| Berlin taz | Was der etwas abstrakte Begriff „öffentliche Daseinsvorsorge“ | |
| bedeutet, dürfte vielen Berliner:innen klar werden, wenn ab | |
| Donnerstagmorgen Mülltonnen unabgeholt am Straßenrand stehen und nicht | |
| notwendige Behandlungen in den Krankenhäusern verschoben werden. | |
| Im Vorfeld [1][zur zweiten Verhandlungsrunde am Montag für den Tarifvertrag | |
| im öffentlichen Dienst (TVöD)] ruft Verdi Donnerstag und Freitag zu einem | |
| Warnstreik auf. Neben der Stadtreinigung BSR und den landeseigenen | |
| Krankenhauskonzernen Vivantes und Charité legen auch Beschäftigte der | |
| Verwaltung und des Studierendenwerks die Arbeit nieder. | |
| Verdi will mit dem Warnstreik Druck aufbauen. Doch die Hoffnung, dass der | |
| kommunale Arbeitgeberverband, der die Länder in den Verhandlungen vertritt, | |
| am Freitag ein gutes Angebot vorlegt, sind gering. „Die Fronten sind | |
| verhärtet“, berichtet Anja Vogt, Mitglied der Tarifkommission, der taz. In | |
| der ersten Verhandlungsrunde am 24. Januar habe die Arbeitgeberseite | |
| durchblicken lassen, dass sie eine Nullrunde erwarte. | |
| Verdi fordert einen Lohnzuwachs von acht Prozent, höhere Zuschläge für | |
| Schichtarbeit und zusätzliche freie Tage. „Der Verlust der letzten Jahre | |
| wurde nie ausgeglichen“, begründet Vogt die Forderungen. | |
| ## Immer weniger Personal, immer mehr Arbeit | |
| Weitere Lohnzurückhaltung gefährde die Zukunft der öffentlichen | |
| Daseinsvorsorge, argumentieren die Beschäftigten. „In den öffentlichen | |
| Diensten herrscht Fachkräftemangel“, sagt Krankenpflegerin Vogt. Die | |
| Intensivstation am Neuköllner Vivantes-Krankenhaus bilde da keine Ausnahme. | |
| Das Personal kündigt, gleichzeitig steigen die Aufgaben und damit die | |
| Belastung. „Du hast immer weniger Personal, arbeitest immer mehr, du fühlst | |
| dich wie ein Hamster.“ | |
| Ähnliches berichtet BSR-Mitarbeiter Carlos Seefeldt. [2][Besonders in der | |
| Müllabfuhr sei es schwierig, alle Schichten zu besetzten.] „Es fehlt an | |
| allen Ecken und Enden.“ | |
| Die Situation droht sich weiter zu verschärfen, wenn in wenigen Jahren die | |
| geburtenstarke Baby-Boomer-Generation in Rente geht. Laut Schätzungen des | |
| Senats werden bis 2030 rund 30 Prozent der Beschäftigten aus dem Dienst | |
| ausscheiden. | |
| Eine [3][deutliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen] ist der beste Weg, | |
| um für genügend Nachwuchs zu sorgen, argumentiert Vogt. „Wenn man die | |
| Arbeitsbedingungen verbessern will, muss man höhere Löhne zahlen.“ Viele | |
| der Forderungen der Gewerkschaft zielen auch darauf ab, die hoch | |
| verdichtete Arbeitszeit zu entzerren oder wenigstens zu kompensieren. | |
| Zusätzliche Urlaubstage, höhere Schichtzulagen und ein Arbeitszeitkonto. | |
| ## Länder knapp bei Kasse | |
| Doch angesichts knapper Kassen sind die Länder nicht erpicht darauf, den | |
| Forderungen Verdis nachzugeben. „Die Forderungen der Gewerkschaften | |
| verursachen für die Kommunen Mehrkosten von rund elf Prozent“, schreibt die | |
| Vereinigung Kommunaler Arbeitergeber VKA in einem Statement. Die | |
| zusätzliche Belastung würde viele Kommunen finanziell überlasten. Dies | |
| hätte Einsparungen an anderer Stelle zufolge. | |
| Es ist Krise, also sollen die Beschäftigten zum Wohle der Allgemeinheit den | |
| Gürtel mal wieder enger schnallen, lautet die Botschaft des | |
| Arbeitgeberverbands. „Es kann nicht sein, dass die öffentliche | |
| Daseinsvorsorge die Rechnung zahlen muss“, sagt dagegen BSR-Mitarbeiter | |
| Carlos Seefeldt. | |
| Die Senatsverwaltung für Finanzen wollte sich auf taz-Anfrage mit Hinweis | |
| auf die laufenden Verhandlungen nicht dazu äußern, welche Folgen ein hoher | |
| Tarifabschluss für Berlin haben könnte. Das Land ist Teil des VKA, aber | |
| kein direkter Verhandlungspartner. | |
| Damiano Valgolio, arbeitspolitischer Sprecher der Linksfraktion im | |
| Abgeordnetenhaus, ist skeptisch, dass sich das Land für die Beschäftigten | |
| einsetzt. „Wir haben keine Anzeichen, dass Berlin seine Macht nutzt, um | |
| eine hohe Vergütung durchzusetzen. Es wird weiter die Daseinsvorsorge | |
| kaputt gespart.“ | |
| Die Frage, woher das Geld für die Lohnsteigerungen kommen soll, ist | |
| maßgeblich für den Verlauf der Verhandlungen – und letztendlich | |
| hochpolitisch. „Wenn man Vermögen anständig besteuert, hätte man mehr als | |
| genug Geld, um die öffentliche Daseinsvorsorge zu finanzieren“, sagt | |
| Valgolio. Ein Ende der Schuldenbremse sei ebenfalls richtig, jedoch sollten | |
| die Lohnsteigerungen als laufende Ausgaben nicht durch Kredite, sondern | |
| durch Mehreinnahmen finanziert werden. | |
| Angesichts der aktuellen politischen Mehrheiten im Land gilt die schnelle | |
| Einführung einer Vermögenssteuer nicht als sehr wahrscheinlich. Doch auch | |
| die Macht der Beschäftigten dürfe nicht unterschätzt werden. „So eine | |
| Tarifrunde ist eine Chance, einen politischen Richtungswechseleinzuleiten“, | |
| hofft Valgolio. | |
| Drohen längere Streiks, ist die Gewerkschaft auf den Rückhalt der | |
| Bevölkerung angewiesen. Unterstützt werden die Tarifverhandlungen daher von | |
| [4][„Berlin steht Zusammen“], einem Bündnis aus Beschäftigten, Gewerkscha… | |
| und Aktivist:innen. Mitglieder der Initiative unterstützen Streikposten | |
| und sorgen für mehr Akzeptanz. „Die Arbeitsbedingungen gehen uns alle was | |
| an“, sagt Pressesprecherin Celina Bittger. | |
| 12 Feb 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Warnstreiks-in-Berlin/!6067895 | |
| [2] /Warnstreiks-im-oeffentlichen-Dienst/!5916110 | |
| [3] /Krise-sozialer-Infrastruktur/!6007111 | |
| [4] https://www.berlinstehtzusammen.de/ | |
| ## AUTOREN | |
| Jonas Wahmkow | |
| ## TAGS | |
| Arbeitskampf | |
| Warnstreik | |
| Öffentlicher Dienst | |
| BSR | |
| Vivantes | |
| Soziale Gerechtigkeit | |
| Schwerpunkt Stadtland | |
| Warnstreik | |
| Verdi | |
| Verdi | |
| Arbeitskampf | |
| Arbeitskampf | |
| Kürzungen | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Ökonom über Steuersystem: „Auch in der Mitte gibt es das Gefühl, es geht u… | |
| Unser Finanzsystem nützt den Reichen. Von der Unzufriedenheit profitiere | |
| die AfD, sagt Gerhard Schick. Er fordert höhere Steuern für Firmenerben. | |
| Tarifstreit im öffentlichen Dienst: Zusammen im Kampf | |
| In der Hauptstadt wird wie in ganz Deutschland gerade gestreikt. „Berlin | |
| steht zusammen“, verspricht ein über die Gewerkschaft hinausreichendes | |
| Bündnis. | |
| Verdi-Warnstreiks in Kliniken und Pflege: „Es braucht Bewegung auf beiden Sei… | |
| In gut einer Woche wird im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen wieder | |
| verhandelt. Vorher gibt es erneut Warnstreiks. Ist eine Lösung in Sicht? | |
| Warnstreik bei BSR, Vivantes & Co.: Verdi erhöht Druck auf Arbeitgeberverbände | |
| Die Warnstreik-Welle geht weiter. An diesem Donnerstag und Freitag legen | |
| die Beschäftigten der Kliniken die Arbeit nieder. Auch die BSR macht dicht. | |
| Streik bei BSR, Vivantes, Charité & Co.: Geräumt wird trotzdem | |
| Der Winterräumdienst läuft weiter, während Teile des öffentlichen Dienstes | |
| in Berlin streiken. Überschattet wird der Tag von der Amoknachricht aus | |
| München. | |
| Warnstreik bei der BVG: Fahrer:innen in Kampflaune | |
| Das Angebot der Unternehmensleitung liegt deutlich unter den Forderungen | |
| Verdis. Die Gewerkschaft stellt dem Unternehmen ein 40-tägiges Ultimatum. | |
| Warnstreiks in Berlin: Kampf um die Daseinsvorsorge | |
| In der kommenden Woche ruft Verdi zu Arbeitsniederlegungen bei der BVG, | |
| Charite und Vivantes auf. Dabei geht es auch gegen die Sparpolitik. | |
| Arbeitskampf bei der BVG: Streiken gegen Kürzungspolitik | |
| Die Beschäftigten der Berliner Verkehrsbetriebe machen mit einem | |
| 24-Stündigen Ausstand ernst. Sie fordern Finanzierungszusagen von Land und | |
| Bund. |