# taz.de -- Die Kunst der Woche: Es schimmert und wispert | |
> Axel Anklams Skulpturen im ZAK sind von Licht getragen. Jason Martin | |
> umarmt bei Buchmann den Pinsel als Malwerkzeug – mit bewegt-fließendem | |
> Ergebnis. | |
Bild: Axel Anklam, „Lichtwanderer“ im ZAK, Ausstellungsansicht | |
Die Raumfolge im ZAK in der Zitadelle Spandau ist von beeindruckender | |
Großzügigkeit und damit der ideale Ort für die abstrakten, organisch | |
geformten Skulpturen des Künstlers Axel Anklam (1971–2022). Obwohl sie oft | |
lichtdurchlässig und von leichter, offenerer Konstruktionsweise sind, | |
treten sie so bestimmt auf, dass sie die weiträumige Ausstellungssituation | |
jederzeit beherrschen und ihre Formen dabei zur Geltung bringen. | |
Eine der faszinierendsten Arbeiten der Ausstellung [1][„Lichtwanderer“] ist | |
sicher „Orange“ (2021), ein hochglänzendes, rot-oranges Rechteck, das sich | |
ein Stück der Wand entlang zieht, um dann durch eine entsprechende Biegung | |
auch die Ecke der Wand zu überwinden. Wie bei vielen Exponaten hat der | |
Künstler auch bei „Orange“ eine Kunststoffhaut (sei sie aus Epoxidharz, | |
Glasfaser oder Kohlenstoff) über ein Edelstahlgerüst gespannt. | |
„Muleta“ (2006), eine leuchtend rote, zunächst rundliche Form mit | |
ausgeprägten Rippen, die sich dann zu einer Art Taille verjüngt, um sich in | |
der Verlängerung kaum merklich wieder zu erweitern und zu einem großen Oval | |
zu öffnen, liegt wie eine unbekannte exotische Blüte auf dem grauen | |
Untergrund. Eine andere Skulptur, die Haut matt, aus gebrochenem Weiß, | |
erinnert an ein leeres Schneckengehäuse. | |
Gleichzeitig assoziiert man aufgrund der Konstruktionsweise – die Form | |
erinnert an vielfältige Naturformen wie Blüten, Schneckenhäuser oder | |
Landschaften – immer wieder auch die Tragflächen der ersten Flugzeuge. Der | |
Titel „Flug“ (2010) für eine weitere, ganz wundersam in sich gedrehte | |
Figur, scheint nur konsequent. Charakteristisch für das Werk des Bildhauers | |
sind die hochglänzenden Oberflächen, in denen sich das Licht bricht und die | |
immer wieder neue Formen entstehen lassen. Auf dieses Spiel mit dem Licht | |
setzen auch die titanbeschichteten Wandarbeiten in Gold und Schwarz. | |
Als wandbeherrschende Reliefs kamen sie bei Kunst-am-Bau-Projekten zum | |
Einsatz, ebenso wie die Edelstahlnetze, die Anklam einerseits für | |
Skulpturen verwendete, andererseits als lichtdurchlässige Stahlwolken von | |
der Decke hängte. So großartig die Skulpturen wie etwa „Windsbraut“ (2016) | |
sind, so wenig überzeugt die Installation der Edelstahlnetze. Sie ist | |
einfach viel zu architektenfreundlich und entsprechend langweilig. Aber | |
auch hier gilt, dass der viel zu jung an Krebs verstorbene Axel Anklam | |
seine Ideen, wie sie die Papierarbeiten an der Wand zeigen, handwerklich | |
äußerst sorgfältig und gekonnt umgesetzt hat – dank einer Ausbildung als | |
Kunstschmied bevor er Meisterschüler von Tony Cragg wurde. | |
## Die Natur als Co-Autorin | |
2009 besuchte ich für ein Interview die 90 Jahre alte [2][Maria Lassnig] in | |
Wien. Sie hatte Apfelstrudel gebacken und stand aufrecht in der Tür, als | |
sie mich empfing. Keineswegs bucklig, wie Birgit Minichmayr sie im Film | |
[3][„Mit einem Tiger schlafen“] gespielt hat. Irgendwann im Gespräch sagte | |
Maria Lassnig dann: „Sie glauben gar nicht, wie viel Kraft es mich kostet, | |
auf der großen Leinwand den Pinselstrich ganz durchzuziehen.“ | |
Komisch, von all ihren interessanten Aussagen ist mir ausgerechnet dieser | |
Satz im Gedächtnis geblieben. Und jetzt ist er wieder da, natürlich weil | |
Jason Martin in seinen neuen großen Gemälden, die er bei [4][Buchmann] | |
ausstellt, die Ölfarbe nicht mehr mit Spachtel und ähnlichen Werkzeugen auf | |
den Bildträger aus Aluminium aufträgt. Damit war er in jungen Jahren | |
berühmt geworden, nicht zuletzt als Teilnehmer der berühmt-berüchtigten | |
Ausstellung [5][„Sensation: Young British Artists from the Saatchi | |
Collection“] Ende der 90er. | |
Heute trägt er die Farben mit dem Pinsel auf. Es interessiert ihn, die | |
Möglichkeiten seiner abstrakten Malerei unter Berücksichtigung des | |
pinselführenden Arms, also der Grenzen seines Körpers, zu thematisieren. | |
Vielleicht ist der Farbauftrag deshalb etwas weniger schwer als früher, | |
vermittelt aber mehr als früher den Eindruck, noch im Fluss, in Bewegung zu | |
sein. Ein Eindruck, der durch einen wechselnden Lichteinfall noch verstärkt | |
wird. | |
Seine Formate sind nach wie vor monumental, „Pole Star“, das der | |
Ausstellung ihren Titel gibt, misst 220 x 220 x 17 cm, „Not Here“ 272 x 240 | |
x 10 cm. Dass auch die Tiefe gemessen wird, macht deutlich, dass seine | |
Bilder dreidimensional angelegt sind. | |
Martins farbenfrohe abstrakte Malerei tendiert immer auch zum Figurativen | |
und Gegenständlichen. Der grandiose „Pole Star“, der Blau, Weiß mit einer | |
Spur Schwarz mischt und überlagert, lässt unwillkürlich an den Sommer, | |
seinen Himmel oder sein Meer denken. | |
Auch bei „Not Here“ oszilliert die Wahrnehmung zwischen gegenständlicher | |
und abstrakter Darstellung deren Farben und Schichtungen, deren Rhythmus | |
und Struktur man folgt und in deren Tiefe des Farbauftrags man eintaucht. | |
Und dann fallen einem Gerhard Richters Abstraktionen ein und man bemerkt, | |
dass man Jason Martin ihnen jederzeit vorzieht. | |
Im Zentrum der Ausstellung stehen aber neue Papierarbeiten, die während der | |
letzten Reisen des Künstlers entstanden sind, unter anderem in den | |
Mangroven Sümpfen von Bahia. Diese Information ist deshalb wichtig, weil | |
Jason Martin mit Farbstoffen gearbeitet hat, die im Gegensatz zu den in der | |
Ölmalerei verwendeten Farbpigmenten auf komplexe Weise auf Feuchtigkeit, | |
Licht und Wärme reagieren. Ähnlich wie bei der Fotochemie müssten diese | |
hydro- und photochromen Farbtinten fixiert werden, wollte man ihre mögliche | |
Veränderung aufhalten. | |
Aber darum geht es dem Künstler gerade nicht. Ihn interessieren besonders | |
diese Umwelteinflüsse auf seine Malerei. Die im Mangrovensumpf natürlich | |
besonders stark waren. Und insofern die Natur hier als Co-Autorin auftritt, | |
spricht der Künstler zu Recht von „Aufzeichnungen eines verspäteten | |
Naturalismus“ oder einem „Naturalismus der Nachträglichkeit“. Naturalism… | |
geht auch abstrakt und ist dann eher dunkel, erdig, eher nicht transparent, | |
geheimnisvoll. Irgendwie wispert es in den Bildern. | |
14 Feb 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://www.zitadelle-berlin.de/ev_exhibition/lichtwanderer/ | |
[2] /Ausstellung-zu-Malerin-Maria-Lassnig/!5839102 | |
[3] /Spielfilm-ueber-Malerin-Maria-Lassnig/!6011276 | |
[4] https://buchmanngalerie.com/de | |
[5] https://www.brooklynmuseum.org/opencollection/exhibitions/683 | |
## AUTOREN | |
Brigitte Werneburg | |
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