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# taz.de -- Die Kunst der Woche: Verwandelt im Bild
> Margarete Hahners brilliante Malerei spielt mit Farbe und Ambivalenz.
> Simon Starling bringt für seine skulpturalen Porträts Flossen und Rot ins
> Spiel.
Bild: Margarete Hahner, „Netsuke“, 2024, Öl auf Leinwand, 41 x 50 cm (Auss…
Das kleine zweihöckrige Kamel schaut irritiert, als hätte es gerade etwas
Unangenehmes entdeckt. Und tatsächlich, seine beiden Höcker bilden ganz
eindeutig ein menschliches Gesicht. Das kann einem Kamel schon zusetzen.
Aber vielleicht ist alles nur Einbildung? „Fata Morgana“, der Titel, den
Margarete Hahner dem kleinformatigen Bild gegeben hat, deutet darauf hin.
Hahner ist eine alte Bekannte bei [1][Zwinger]. Die 1960 in Bamberg
geborene Künstlerin, die seit 20 Jahren in Los Angeles lebt und arbeitet,
stellt seit 1996 bei Werner Müller aus. Und seit jeher sieht man in ihren
Bildern plötzlich etwas, das man vorher nicht gesehen hat. [2][Das konnte
malerisch, installativ oder filmisch sein.] Nun zeigt sie ausschließlich
Malerei. Moment! Da ist dieses „Kleid“ (1993), ein kleines Schwarzes, in
das ein kleiner Keilrahmen mit weißer Leinwand eingearbeitet ist. Damit man
auf der Party eindeutig als Malerin erkannt wird. Oder auch nicht. Man muss
es ja nicht glauben, was man sieht, aber man kann.
Das ist die wunderbare Kunst der Margarete Hahner: die Kunst der
Verwandlung, die „Romance of Digestion“ wie der Titel ihrer Ausstellung
lautet. Die Kunst der Ambivalenz, die Kunst, die Farbe scheinbar ganz
einfach, anspruchslos auf die Leinwand zu bringen, tatsächlich aber den
Glanz und die Transparenz der roten Vase in einem Gemälde „o.T.“ aus diesem
Jahr so gekonnt herauszuarbeiten, dass man den Blick gar nicht mehr
abwenden möchte. „Meine Meere kommen aus dem Museum, meine Züge kommen aus
dem Film“, hat die Künstlerin einmal gesagt und damit darauf hingewiesen,
dass ihre Malerei Konzept ist, Selbstthematisierung und Zitat.
Die massive, geschlossene Holztür von „Kock Knock“ (2023) stammt aus der
Kunstgeschichte und verweist auf die Gucklochtür von „Étant donnés“ (196…
Doch Hahner sieht vor der Tür nicht den Voyeur wie Marcel Duchamp, sondern
eher den Bittsteller wie Kafka. Oder einfach sich selbst, denn „manchmal“,
sagt sie, „ist Malen wie eine Tür, gegen die man haut und die nicht
aufgeht“. Aber bei Zwinger hat sie sich geöffnet, mal sollte nicht
versäumen, hindurchzugehen.
## Die Quellen des Starling
Ein alter Bekannter ist auch Simon Starling. Der Turner-Preisträger von
2005 wird bereits seit 2001 von [3][neugerriemschneider] vertreten. Jetzt
zeigt er in der großen Ausstellungshalle der Galerie eine Art Kamingespräch
mit den Experten, die bei der Produktion seiner Arbeiten eine zentrale
Rolle innehatten.
Mit Graham Eatough von der Theatergruppe Suspect Culture beispielsweise
begann Simon Starling 2014 mit der Arbeit „At Twilight (A Play for Two
Actors, Eight Masks,Three Musicians and a Donkey Costume)“, einem Stück
über W. B. Yeats’ Ausflug ins japanische Noh-Theater während des Ersten
Weltkriegs.
Fulvio Ferrari, dem Nachlassverwalter des legendären italienischen Designer
Carlo Mollino, war sein Mitarbeiter bei den Turiner Projekten. Der
Architekt und Amateurastronom Mike Davies war eine wichtige Quelle für
Starling als dieser den Auftrag erheilt, ein Werk für den Venustransit 2012
zu schaffen. Daraus entstand der „Film Black Drop“ (2012), den Starling auf
dem 4.207 Meter hohen Vulkan Mauna Kea auf Hawaii drehte, wo erstmals der
Astronom und Mathematiker Jeremiah Horrocks einen solchen Durchgang für das
Jahr 1639 vorhergesagt hatte.
Weil nun der Nachvollzug des Entstehungsprozesses seiner Werke, die
Transformation von Material oder Energie [4][ein wesentlicher Bestandteil
und Reiz seiner Arbeit ist] und Simon Starling dabei auch mit biologischem,
lebendem Material arbeitet, musste er zwangsläufig auf Sherry Phillips
treffen, die Konservatorin schlechthin für biobasierte zeitgenössische
Kunst. Für sein Infestation Piece hatte Starling einen Kopie von Henry
Moores Warrior with Shield 2008 im Ontariosee versenkt, wo sie von
Zebramuscheln besiedelt wurde. Deren verrottendes Fleisch zog dann, als die
Skulptur im Museum ausgestellt wurde, einen Befall von Kleidermotten nach
sich, dem erst Sherry Phillips Herr oder besser Herrin wurde.
Wie man sieht, stecken Starlings prozessuale Kunstwerke voller
Überraschungen und unerwartetem Witz. Was sich auch in der Ausgestaltung
der skulpturalen Porträts zeigt, für die Starling charakteristische
Instrumente, Farben oder Objekte von seinen Mitstreitern verwendet.
Den Meeresbiologen Sam Bowser charakterisieren Flossen und ein
wiederverwendbarer Sauerstofftank, das rote Gestänge dann Mike Davies, der
stets in Rot gekleidet auftritt und schließlich findet sich Simon Starling
selbst im Kreis seiner Mitstreiter wieder. Ihn kennzeichnen seine drei
Schilfbeine, das Klopfbrett und die Bindenadel, die er in den Händen hält,
denn Starling beschäftigt sich seit kurzem mit der Technik des
Reetdachdeckens.
Wie beim britischen Künstler gerne der Fall, verzweigt sich auch „Project
for an Exhibition, Part 1: Time Takes (Scenario for a Conversation)“, seine
jetzt achte Einzelausstellung bei neugerriemschneider, jederzeit sehenswert
in den übrigen Galerieräumen weiter.
11 Dec 2024
## LINKS
[1] https://www.zwinger-galerie.de/
[2] /!666149/
[3] https://www.neugerriemschneider.com/
[4] /Simon-Starlings-Installationen/!5167248
## AUTOREN
Brigitte Werneburg
## TAGS
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