| # taz.de -- Was Spanien besser macht: Das spanische Wirtschaftswunder | |
| > Während es in Deutschland kriselt, wächst Spaniens Wirtschaft. Grund sind | |
| > auch bessere Arbeitsbedingungen und Investitionen in günstige Energie. | |
| Bild: Das Gras wird kürzer, aber die Wirtschaft wächst, auch durch Investitio… | |
| Madrid taz | Nicht Deutschland und auch nicht Frankreich, Spanien zieht | |
| derzeit den Karren aus dem Dreck. Das Land auf der Iberischen Halbinsel | |
| wächst wie kein zweites in der Europäischen Union. Spaniens | |
| Bruttoinlandsprodukt (BIP) legte 2024 stolze 3,4 Prozent zu, während es im | |
| EU-Schnitt gerade einmal 0,8 Prozent waren und der jahrzehntelange Motor | |
| der EU, [1][Deutschland, mit minus 0,2 Prozent mehr als stottert]. Für 2025 | |
| sagt die Industriestaatengemeinschaft OECD Spanien erneut ein Wachstum von | |
| mindestens 2,3 Prozent und für 2026 von mindestens 2 Prozent vorher. | |
| Längst ist vom spanischen Wunder die Rede. Seit 2021, dem Jahr nach der | |
| Covid-Pandemie, wächst Spanien überdurchschnittlich. Heute ist die | |
| Wirtschaftsleistung 5,7 Prozent über der vor der Pandemie. In der EU sind | |
| es nur 4,2 Prozent. „Spaniens BIP wurde durch Bevölkerungswachstum, | |
| öffentlichen Konsum und Dienstleistungsexporte gestützt“, erklärt Judith | |
| Arnal, Forscherin am Königlichen Institut Elcano und unabhängige Beraterin | |
| der spanischen Staatsbank. | |
| Spanien war stärker als die meisten EU-Länder von Covid betroffen. Ein | |
| monatelanger, harter Lockdown brachte einen Großteil der Wirtschaft zum | |
| Erliegen. Vor allem die Tourismusbranche, die in Spanien über 13 Prozent | |
| des BIP ausmacht, brach fast völlig zusammen. Die Erholung ging rasant | |
| vonstatten. | |
| Bis auf die Bauindustrie wachsen in Spanien alle Wirtschaftszweige wieder – | |
| [2][allen voran die Tourismusbranche]. Nach Covid startete diese erneut | |
| durch. Das spanische Statistikamt INE verzeichnete 2024 bis November 93,8 | |
| Millionen internationale Touristen. Das übertrifft die Zahlen vor der | |
| Pandemie deutlich. Und im Vergleich zum Jahr 2023 bedeutet dies ein | |
| Wachstum von 10 Prozent. | |
| ## Spaniens zugezogene Arbeitskräfte kurbeln die Binnennachfrage an | |
| Auch die Binnennachfrage macht einen wichtigen Teil des Wachstums aus. | |
| Anders als in der Eurokrise 2008 zahlten bei Covid nicht die Arbeitnehmer | |
| die Zeche. Breite Sozialprogramme ermöglichten Kurzarbeit und unterstützten | |
| Selbstständige. So blieb zumindest ein Teil der Binnennachfrage erhalten. | |
| Dank EU-Hilfen und den Fonds Next Generation kommt nun Geld ins Land, das | |
| zudem die öffentliche Nachfrage ankurbelt. 54 Prozent des Wachstums gehen | |
| auf ebendiese öffentliche Nachfrage zurück. | |
| Dank des Wachstums sinkt nicht nur die Arbeitslosigkeit, es werden sogar | |
| mehr Arbeitskräfte gebraucht. Spanien hat eine liberale | |
| Einwanderungspolitik. Auch diese neuen Arbeitskräfte kurbeln die | |
| Binnennachfrage an. | |
| Anstatt, wie in vielen Ländern mittlerweile üblich, Arbeitnehmerrechte | |
| einzuschränken und gar über Arbeitszeitverlängerungen nachzudenken, | |
| reformiert die Linkskoalition unter Pedro Sánchez den Arbeitsmarkt in die | |
| entgegengesetzte Richtung. | |
| Spanien ist nicht mehr das Billiglohnland, das es vor der Pandemie war. Der | |
| Mindestlohn wurde seit 2020 in mehreren Schritten um 54 Prozent – von 736 | |
| auf 1.134 Euro bei 14 Monatslöhnen – erhöht. Eine erneute Erhöhung um knapp | |
| 4 Prozent steht bevor. Außerdem schränkt eine Arbeitsmarktreform aus dem | |
| Jahr 2022 Teilzeitarbeit und prekäre Kurzverträge ein. | |
| ## Investoren suchen nicht wie früher billige Arbeitskräfte, sondern | |
| billige Energie | |
| Was von der konservativen und rechtsextremen Opposition als schädlich für | |
| die Wirtschaft gebrandmarkt wurde, hat genau den gegenteiligen Effekt. Mit | |
| 21,86 Millionen arbeiten in Spanien so viele Menschen wie nie zuvor. Knapp | |
| die Hälfte von ihnen hat einen unbefristeten Arbeitsvertrag. Auch das ist | |
| eine Rekordzahl in Spanien. Der nächste Schritt soll bis zum Jahresende die | |
| [3][Arbeitszeitverkürzung von 40 auf 37,5 Stunden pro Woche bei vollem | |
| Lohnausgleich sein]. Sichere Arbeitsverhältnisse führen zu mehr Konsum. | |
| Spanien ist in diesen Jahren für ausländische Investoren interessanter | |
| geworden denn je, das zeigt eine Untersuchung der Stiftung der Sparkassen | |
| Funcas. Die Direktinvestitionen aus dem Ausland machen 2023 und 2024 rund | |
| 3 Prozent der Wirtschaftsleistung aus, während es in Deutschland nur noch 1 | |
| Prozent sind. | |
| „Marktbezogene Dienstleistungen, einschließlich Aktivitäten im Zusammenhang | |
| mit Technologie und Telekommunikation, sind die Hauptempfänger | |
| ausländischer Direktinvestitionen und machten 2019–2023 über die Hälfte der | |
| Gesamtsumme aus. Auch die Industrie sowie die Elektrizitäts- und | |
| Energieversorgungsbranche zählen zu den Hauptnutznießern, wobei die | |
| Zuflüsse proportional höher sind als der Anteil dieser Sektoren am BIP: Auf | |
| die Industrie entfallen 34 Prozent der gesamten im betrachteten Zeitraum | |
| eingegangenen ausländischen Direktinvestitionen“, heißt es dort. | |
| Hier kommt eine weitere Erfolgsgeschichte der spanischen Politik ins Spiel. | |
| Viele der Investoren suchen nicht wie früher billige Arbeitskräfte, sondern | |
| billige Energie. Spanien hat in den letzten Jahrzehnten die erneuerbaren | |
| Energien ausgebaut, und in Zeiten der Ukrainekrise wurde der Gaspreis für | |
| die Stromerzeugung gedeckelt. In den letzten fünf Jahren stiegen Strom- und | |
| Gaspreis im Vergleich zu den Ländern Mittel- und Nordeuropas um weniger als | |
| die Hälfte. | |
| 11 Feb 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Reiner Wandler | |
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