| # taz.de -- Dresden 1945: Besser gar nicht als falsch gedenken | |
| > Der Bombenangriff auf Dresden im Februar 1945 wird gerne als Opfermythos | |
| > erzählt. Ein Bündnis plädiert für einen Verzicht auf das Gedenken. | |
| Bild: Die zerstörte Dresdner Frauenkirche: Sie wurde von 1993 bis 2005 wiedera… | |
| Im Vergleich der Opferzahlen traf es Städte wie Hamburg oder Pforzheim im | |
| Zweiten Weltkrieg härter als Dresden. Doch die „starke propagandistische | |
| symbolische Aufladung“ und die politische Vereinnahmung der Zerstörung vom | |
| 13. und 14. Februar 1945 bleiben eine Besonderheit der Elbmetropole, | |
| stellte der [1][Historiker und Friedensaktivist Matthias Neutzner schon vor | |
| 20 Jahren fest.] | |
| Auch heute schwelt der Streit um Deutungshoheit und angemessenes Gedenken | |
| an das Dresdner Inferno. [2][Das Bündnis „WiEdersetzen“] hält die | |
| öffentlichen Erinnerungsrituale für verlogen und fordert ihre Abschaffung. | |
| Bereits vor einem Jahr organisierte das überparteiliche Bündnis | |
| Großdemonstrationen nach den „Correctiv“-Enthüllungen über eine rechte | |
| „Remigrationskonferenz“ sowie Proteste für Demokratie vor der Landtagswahl | |
| im Sommer. | |
| Neu ist die Forderung nicht. Auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzungen um | |
| den rechten Missbrauch des Gedenkens – [3][etwa bei den bis 2011 größten | |
| Naziaufmärschen Europas] – skandierte die Antifa „No tears for Krauts“. | |
| Doch „WiEdersetzen“ untermauert seine Ablehnung angesichts des Rechtsrucks | |
| in der Gesellschaft nun mit Argumenten. „Braucht es eine bombardierte | |
| deutsche Gauhauptstadt, um zu zeigen, wohin Krieg und Faschismus führen?“, | |
| sagt Sprecherin Anne Herpertz der taz. | |
| Das Bündnis vermisst klare Hinweise auf die Verbindung zwischen dem | |
| besonders in Dresden florierenden Faschismus und seinen brutalen Folgen – | |
| nicht nur für die Stadt selbst. „Man muss immer sagen: Dort kommt es her | |
| und das ist im Ergebnis dessen passiert“, sagt Co-Sprecherin Rita Kunert. | |
| ## Heute machen die Rechten sogar bei Menschenketten mit | |
| [4][In Dresden brannten schon] fünf Wochen nach der Machtergreifung die | |
| ersten Bücher. 1933 folgte die erste Ausstellung „Entartete Kunst“. | |
| Reichspropagandaminister Goebbels lobte 1934 bei den ersten | |
| Reichstheatertagen die besondere Führertreue der Dresdner. Gauleiter Martin | |
| Mutschmann hatte bereits den Grundstein für ein riesiges Gauforum gelegt. | |
| In Dresden produzierten Zwangsarbeiter Rüstungsgüter, und der | |
| Rangierbahnhof Friedrichstadt diente als Verkehrsknoten für Kriegslogistik | |
| und Deportationen. Dennoch hält sich der Mythos von der unschuldigen Stadt. | |
| „Das städtische Gedenken wird nicht von den Rechtsextremen missbraucht, | |
| sondern das offizielle Gedenken ist per se anschlussfähig. Es baut auf den | |
| gleichen Opfererzählungen auf“, begründet Sprecherin Herpertz die | |
| Ablehnung. Längst mischen sich AfD und andere Rechtsextreme unter die | |
| Teilnehmer der jährlichen Menschenkette am 13. Februar. Auf einem Foto ist | |
| Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) gewiss unbeabsichtigt neben einem | |
| bekannten Mitglied der „Freien Sachsen“ zu sehen. | |
| „WiEdersetzen“ folgt sinngemäß dem Postulat von Christian Lindner nach den | |
| gescheiterten Bildung einer Jamaika-Koalition 2017: Besser gar nicht | |
| gedenken, als falsch zu gedenken! „Um das Übel bei den Wurzeln zu packen, | |
| müssen wir an die Gedenkkultur und Erinnerungspolitik heran“, rief Anne | |
| Herpertz, die auch für die Piraten im Stadtrat sitzt, bei einer Aktion am | |
| 3. Februar. Auf einem 21 Meter langen Banner rief das Bündnis dabei zum | |
| Widerstand gegen geplante Naziaufmärsche am 13. und 15. Februar auf. Dabei | |
| soll ein 39-jähriger Dresdner eine Frau geschlagen haben, die sich | |
| schützend vor die Rednerin stellte. Laut Herpertz reichte ein Polizist dem | |
| Angreifer anschließend sogar die Hand. | |
| Hinter den Versöhnungsrufen mit der Vergangenheit vermutet „WiEdersetzen“ | |
| die Sehnsucht der Dresdner – und der Deutschen generell – nach einem | |
| Schlussstrich. Beispielhaft sei dafür das Jahr 2008 genannt, als das | |
| Staatsschauspiel Dresden mit der Inszenierung „Die Wunde Dresden“ einen | |
| Bogen von 1934 bis zur Weihe der wiederaufgebauten Frauenkirche 2005 | |
| schlug. „Sie bedeutet im kollektiven Bewusstsein: Die Nachkriegszeit ist zu | |
| Ende, die DDR eine Episode der Geschichte, Deutschland ist wieder eins, die | |
| Schuld ist bezahlt und die Wunde Dresden geschlossen“, erinnert sich der | |
| damalige Chefdramaturg Stefan Schnabel an die Intentionen. | |
| 11 Feb 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Michael Bartsch | |
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