# taz.de -- Gedenken an die Bombardierung Kreuzbergs: Als der Krieg zurück nac… | |
> Erstmals hat Berlin der Toten des Bombenagriffs vom 3. Februar 1945 | |
> gedacht. Warum in der Hauptstadt keine Dresdener Verhältnisse drohen. | |
Bild: Der Bombenangriff auf Berlin am 3. Februar 1945 | |
Blickt man vom Verlagsgebäude der taz auf den Besselpark, sieht das Auge | |
vor allem Neubauten. 1987 hat die Internationale Bauausstellung die | |
südliche [1][Friedrichstadt] wiederbelebt. Und sie hat eine Lücke | |
geschlossen. Eine Lücke, die der 3. Februar 1945 gerissen hatte. Nicht nur | |
im [2][Berliner Zeitungsviertel], sondern auch in der Luisenstadt und am | |
Moritzplatz. Weite Teile von Kreuzberg und Mitte glichen einer | |
Trümmerwüste. | |
Dass in diesem Teil von Berlin der Krieg gewütet hatte, war sichtbar. Das | |
Datum dafür war aber, anders als der 13. Februar 1945 in Dresden, nur | |
einigen wenigen bekannt. Das hatte auch damit zu tun, dass Berlin der Toten | |
des Bombenangriffs vom 3. Februar 1945 lange Zeit kaum gedacht hat. Nur | |
1995, zum 50. Jahrestag, hatte es eine Ausstellung im [3][Kreuzberg Museum] | |
gegeben. | |
Es war also eine Premiere, die da am vergangenen Montag in einem 1941 zum | |
Bunker umgebauten Tunnel in der Dresdener Straße stattgefunden hat. Auf | |
Einladung des [4][Vereins Berliner Unterwelten] waren etwa 100 Gäste | |
gekommen, unter ihnen auch Berlins Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey | |
(SPD). Sie alle wollten hören, wie die Schauspielerin Martina Gedeck aus | |
einem Zeitzeuginnenbericht von Hedwig Langer las. | |
Langer und ihr Mann Felix hatten beim Bombenangriff vor 80 Jahren ihre vier | |
Kinder verloren. Insgesamt hat ein Forschungsteam des Vereins die Namen von | |
über 5.000 Opfern recherchiert. Bislang war die Zahl weit geringer | |
geschätzt worden. Tatsächlich aber könnte sie deutlich höher liegen als | |
5.000. Denn laut Unterwelten hatte es nicht nur bei den Bombardierungen von | |
Hamburg und Dresden einen Feuersturm gegeben, sondern auch in Kreuzberg und | |
Mitte. | |
Wird das die Erinnerung in Berlin verändern? Werden Rechtsextreme, wie in | |
Dresden, bald auch in Berlin vom „angloamerikanischen Bombenterror“ | |
sprechen? | |
## Am Anfang standen Warschau und Coventry | |
Dies zu verhindern, haben die Veranstalter nicht nur an die Opfer des | |
Angriffs auf Berlin erinnert, sondern auch an die Gefallenen des | |
Bomberpersonals auf alliierter Seite. 27.000 amerikanische und 55.000 | |
britische Piloten und Angehörige der Bomberbesatzungen waren im Zweiten | |
Weltkrieg ums Leben gekommen. Ihnen gedachte im Bunker unter der Dresdener | |
Straße auch Jonathan Sear, Verteidigungsattaché der britischen Botschaft. | |
Er sagte: „Heute stehen wir hier zusammen Schulter an Schulter, Deutsche | |
und Briten.“ | |
Franziska Giffey erinnerte daran, dass die Erinnerung an das Leid von | |
Hinterbliebenen wie Hedwig Langer lange Zeit unterblieben war, „weil man | |
Angst hatte, das Leid der Shoa zu relativieren“. Heute aber könne man | |
beides tun, sagte Giffey. „Leid lässt sich nicht aufrechnen.“ | |
Gut möglich, dass einige das als Beleg dafür sehen wollen, die Deutschen | |
strickten an ihrer Umerzählung von einer Täter- zu einer Opfernation. Ein | |
britischer Militärattaché und eine Senatorin der SPD dürften freilich über | |
einen solchen Verdacht erhaben sein. | |
Die Säule, neben der das Rednerpult für Martina Gedeck aufgestellt worden | |
war, zierte am 3. Februar 2025 ein symbolisches Nagelkreuz aus Coventry. | |
Die britische Stadt war im November 1940 von der deutschen Luftwaffe fast | |
völlig zerstört worden – und mit ihr die berühmte Kathedrale. Schon zuvor | |
hatten die Deutschen Warschau und Rotterdam mit Flächenbombardements | |
überzogen. Es war der Beginn eines Luftkriegs, der vor zivilen Opfern nicht | |
zurückschreckte – und an jenem 3. Februar 1945 am folgenreichsten dorthin | |
zurückkam, wo er begonnen hatte: Berlin. | |
Dass nun zum ersten Mal eine Gedenkveranstaltung in Berlin stattfand, ist | |
aber auch aus einem anderen Grund nicht mit dem Beispiel Dresden zu | |
vergleichen. Dort hatte nach dem Krieg die DDR das nationalsozialistische | |
Narrativ vom „angloamerikanischen Bombenterror“ wortgleich übernommen. Es | |
herrschte schließlich Kalter Krieg. | |
Nach der Wende kaperten dann Neonazis die Erinnerung in Dresden. An der | |
Ruine der Frauenkirche zeigten sie Plakate mit einer angeblichen Opferzahl | |
von 250.000 [5][und provozierten mit dem Begriff eines „Bombenholocausts“. | |
Tatsächlich belief sich die Zahl der Toten in Dresden auf höchstens | |
25.000]. | |
In Berlin wurden das Erinnern an den 3. Februar 1945 von Anfang an richtig | |
eingeordnet. Kein Wort von Terror, stattdessen der Hinweis auf Ursache und | |
Wirkung. „Aus der Geschichte zu lernen“, sagte Franziska Giffey, „heißt, | |
Verantwortung für die Zukunft zu übernehmen.“ | |
Sie sagte dies auch vor dem Hintergrund eines Erstarkens der AfD. | |
7 Feb 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrichstadt_(Berlin) | |
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Zeitungsviertel | |
[3] https://www.fhxb-museum.de/museum/ueber-uns | |
[4] https://www.berliner-unterwelten.de/index.html | |
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Todesopfern_der_Luftangriffe_auf_Dr… | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
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