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# taz.de -- Grüne Asyl- und Sicherheitspolitik: In fünf Stufen zum harten Hund
> Redundanz zahlt sich aus: Robert Habeck recycelt einen Acht-Punkte-Plan
> als Zehn-Punkte-Plan in der „Bild“ und dringt endlich als Hardliner
> durch.
Bild: Dabei sein ist alles: Robert Habeck schaut auf den rechten Zeitgeist
Sie kennen das: Der Zeitgeist geht nach rechts, Sie gehen mit, aber die
breite Öffentlichkeit nimmt es einfach nicht wahr. Robert Habeck hat den
Fluch jetzt gebrochen: Mit seinem Zehn-Punkte-Plan zur Asyl- und
Sicherheitspolitik hat es der Grünen-Kandidat zu Wochenbeginn als harter
Hund in die Schlagzeilen geschafft. Mit Beharrlichkeit, Redundanz und der
Bild-Zeitung gelang ihm in fünf Stufen der Umschwung.
## Stufe 1
In der Ampel-Regierung tragen die Grünen die massivsten
Asylrechtsverschärfungen seit Jahrzehnten mit. Darunter: weniger
Sozialleistungen, schnellere Abschiebungen und Haftzentren an den
Außengrenzen im Rahmen der EU-Reform Geas. Ihre Zustimmung geben die Grünen
teils aus inhaltlicher Überzeugung, teils wegen Koalitionszwängen und teils
unter dem Druck der öffentlichen Meinung. Für [1][vorwürfliche]
[2][Berichterstattung] [3][von links] langen die Verschärfungen, für
Anerkennung von rechts muss es aber schon noch mehr sein. Mitte Januar
bringt es ein Leserbriefschreiber der Bild auf den Punkt: Er sei kein
Scholz-Fan, schrieb der Mann. „Aber er allein ist auch nicht schuld, wenn
die Grünen gegen alles ihr Veto einlegen, was mit Abschiebungen zu tun
hat.“
## Stufe 2
Langwierige Diskussionen auf Parteitagen muss die Grünen-Spitze nach drei
Regierungsjahren immerhin nicht mehr über sich ergehen lassen. Ein
Bekenntnis zur Geas-Reform, [4][das sie den Delegierten vor zwei Jahren
hart abringen musste], schafft es in der vorletzten Woche ohne große
Debatte ins Wahlprogramm. Ein paar Wünsche der Basis werden aber doch noch
berücksichtigt. Zum Beispiel: keine Einschränkungen mehr beim
Familiennachzug. Oder, in den Worten von Alexander Dobrindt (CSU): „Weitere
Pull-Faktoren, Öl ins Feuer.“
## Stufe 3
Nächster Versuch also, ohne Rechenschaftspflicht vor den Delegierten des
Parteitags: Am Dienstag vergangener Woche, unter dem Eindruck der
Messerattacke von Aschaffenburg und den Abschottungsforderungen der Union,
präsentiert Habeck auf seinen Social-Media-Kanälen sein Gegenangebot. In
einem Video kommt er mit einem Acht-Punkte-Plan.
Dieser besteht aus Maßnahmen, die die Ampel schon angeschoben hatte (noch
mal Geas und Migrationsabkommen mit Herkunftsstaaten), aus Vorschlägen, die
Grüne schon an anderer Stelle unterbreitet hatten (Sicherheitsbehörden
besser vernetzen, Gefährder schneller abschieben) und zwei neuen
Forderungen ([5][Vertragsverletzungsverfahren gegen EU-Staaten, die
Flüchtlinge nicht zurücknehmen] – und psychologische Untersuchungen für
alle Neuankömmlinge). Punkte aus dem Wahlprogramm wie den Familiennachzug
oder das Verbot von Abschiebungen in Kriegsgebiete lässt er weg. Gibt
100.000 Views auf Instagram, aber nur wenig Resonanz in den klassischen
Medien.
## Stufe 4
Nächster Tag im Bundestag: Habeck spricht in der Debatte nach der
Regierungserklärung des Bundeskanzlers. Seinen Acht-Punkte-Plan trägt er in
veränderter Reihenfolge noch mal vor. Reicht aber auch noch nicht. „Sie
verhindern alles, was notwendig ist! Alles! Ihre Partei!“, ruft laut
Protokoll Thorsten Frei (CDU/CSU) dazwischen. Medial dominiert an diesem
Tag die gemeinsame Abstimmung der Union mit der AfD.
## Stufe 5
Nicht aufgeben: Noch einmal recycelt Habeck seine acht Vorschläge. Er
bringt sie auf Papier, sortiert sie neu und streut zwei weitere Maßnahmen
dazwischen, für die sich Grüne schon länger aussprechen (mehr Befugnisse
für die Bundespolizei, schnellere Asylverfahren). Seinen zum
Zehn-Punkte-Plan gestreckten Acht-Punkte-Plan bringt er exklusiv in der
Bild unter. „Habeck legt seinen Asyl-Plan vor“, titelt sie immerhin auf
Seite 2. „Habeck: Zehn Punkte für mehr Sicherheit“, schreibt zdf.de. „Gr…
Antwort auf Aschaffenburg“, heißt es im Springer-Newsletter Politico.
Geschafft. Authentizität bescheinigt dem Kanzlerkandidaten am Tag darauf
sogar der eigene Parteinachwuchs. „Habeck oder Merz, wo ist der
Unterschied?“, [6][schreibt die Grüne Jugend Niedersachsen auf Instagram]
in Bezug auf die erfolgreich aufgewärmten Forderungen.
Aber jetzt nicht nachlassen. Auf der Rechtsaußenplattform X nölt nach
wenigen Minuten schon wieder der erste herum. „Wer hat denn damals dagegen
gestimmt?“, schreibt Christian Lindner (FDP) zu Habecks Geas-Forderung.
„Die Grünen im Europaparlament. Und wer hat wirksame Drittstaatenverfahren
verhindert? Die grüne Außenministerin.“
4 Feb 2025
## LINKS
[1] /Gruene-SPD-und-EU-Asylreform/!5981195
[2] /EU-Einigung-auf-Asylreform/!6003993
[3] /Ex-Gruener-zum-Austritt-wegen-Asylpolitik/!5981460
[4] /Laenderrat-der-Gruenen/!5941355
[5] /Dublin-Regeln-durchsetzen/!6062272
[6] https://www.instagram.com/p/DFplRIZN5Ts/?igsh=bnl0bjRzdTlpNndw
## AUTOREN
Tobias Schulze
## TAGS
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