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# taz.de -- Bundestagswahl: Sollten wir strategisch wählen?
> Die Linke ist im Aufwind. Dennoch erwägen manche, eine Partei mit höheren
> Erfolgsaussichten zu wählen. Woher das kommt und wohin es führt.
Bild: Sind zuversichtlich, in den Bundestag einzuziehen: Jan van Aken, Ines Sch…
Zwischen Rauchschwaden und Resignation zirkulieren durch linke Kneipen
zurzeit zwei Ideen: Angesichts der düsteren Aussichten setzen manche schon
aufs [1][Preppen]. Gemeint ist damit nicht, Konserven und Waffen für einen
Tag X zu horten, wie es Neonazis tun, sondern sich selbst zu organisieren:
Wie schützen wir uns vor Hochwasser, wenn der Staat es nicht tut, wie
führen wir Schwangerschaftsabbrüche durch, wenn der Staat diese verbietet,
und so weiter. Dem Ansatz lässt sich durchaus etwas abgewinnen. Auf das
Schlimmste vorbereitet zu sein, kann nicht schaden. Es schließt keineswegs
aus, im Hier und Jetzt noch etwas zu versuchen.
Die zweite Frage, die derzeit viele beschäftigt, lautet: Sollte man bei der
Bundestagswahl am 23. Februar „strategisch wählen“? Diese schräge Idee
geistert durch Köpfe von globalisierungskritischen Rentner:innen genauso
wie von israelsolidarischen Gewerkschafter:innen. Leute, die seit Jahren
gute Gründe nennen, warum sie Die Linke wählen: weil es die einzige Partei
sei, die sich für echte Umverteilung einsetze, die den Klimawandel
sozialverträglich abschwächen wolle, die niemanden im Mittelmeer ersaufen
ließe. Und so weiter.
Diese Linken verachten das bürgerliche Bündnis 90/Die Grünen, das Dörfer
wie [2][Lützerath] für den Kohleabbau zerstört, mit [3][autoritären
Machthabern wie in Katar] verhandelt und das mit seiner Zustimmung zum
Gemeinsamen Europäischen Asylsystem (GEAS) auch den letzten Rest
Menschlichkeit zugunsten des Machterhalts geopfert hat.
Sie schimpfen über das von der SPD durchgedrückte [4][Sondervermögen fürs
Militär] – 100 Milliarden Euro –, die in ihren Augen besser für Soziales,
Frauen, Bildung, Klima oder Kultur ausgegeben worden wären. Sie sind sauer,
dass die Ampel weder eine ordentliche Kindergrundsicherung hinbekommen noch
Paragraf 218 abgeschafft hat. Die Liste ließe sich fortsetzen. Und
ausgerechnet von diesen Leuten erwägen nun manche, die Grünen oder die SPD,
also ebenjene an der katastrophalen Ampelregierung beteiligten Parteien, zu
wählen.
Politisch ist das schwer nachzuvollziehen. Psychologisch könnte man von
kognitiver Dissonanz sprechen. Erklären ließe sich der Widerspruch
vielleicht mit der Sehnsucht dieses gebildeten Milieus, auf keinen Fall
naiv, sondern pragmatisch zu wirken. Eine andere Motivation könnte der
Glaube sein, eine Niederlage besser zu verkraften, je früher man beginnt,
sie zu akzeptieren.
## SPD und Grüne sind zu einer Koalition unter Merz bereit
Fragt man die Leute selbst, begründen sie ihre fixe Idee oft damit, etwas
gegen den „Rechtsruck“ tun zu wollen. Sie meinen, um ein Gegengewicht zu
CDU und AfD bilden zu können, müssten SPD und Grüne möglichst viele Sitze
bekommen. Dabei sind diese beiden Parteien doch zu einer Koalition unter
Merz bereit! Ob der Juniorpartner ein paar Sitze mehr oder weniger hat,
wird da keinen großen Unterschied machen. Zudem haben Grüne und SPD in der
Ampel nicht einmal gegenüber der kleineren FDP mit Durchsetzungsfähigkeit
geglänzt.
Wirksamer gegen rechte Politik wäre eine linke Kraft, die SPD und Grüne an
die guten Punkte aus ihren Wahlprogrammen erinnert – etwa den Mindestlohn
von 15 Euro, Pflegegeld und Steuererleichterungen für Alleinerziehende.
Damit solche Forderungen umgesetzt werden, braucht es Druck von links.
Grüne und SPD müssen davon abgehalten werden, sich weiter rechten Diskursen
zu unterwerfen, so wie der Kanzlerkandidat der Grünen Robert Habeck es tut,
wenn er [5][vorschlägt, Syrer auszuweisen].
Ganz unabhängig von Inhalten: „Strategisch“ zu wählen ist auch deshalb
unklug, weil der Bundestag den tatsächlichen Willen der Wählenden
widerspiegeln sollte. Sonst ist bald gar niemand mehr zufrieden und die
Demokratie wird immer unbeliebter. Gerade in Zeiten einer erstarkenden
extremen Rechten braucht ein Parlament eine demokratische Opposition.
Dabei soll nicht verschwiegen werden, dass es bei der Linkspartei Probleme
gibt. Während sie im Wahlkampf geschlossen auftritt und Soziales in den
Mittelpunkt stellt, täuscht das nicht über die vielen ungelösten Konflikte
hinweg. Zu lange duldete die Partei in ihren Reihen Anti-Israel-Aktivisten
wie [6][Ramsis Kilani], der das Massaker vom 7. Oktober verteidigte.
Politischer Richtungsstreit ist auch nach dem [7][Weggang von Sahra
Wagenknecht] mitnichten verschwunden. Die Linke, die besonders häufig wegen
ihrer Haltung in der Außenpolitik abgelehnt wird, hat keine Lösung für die
Kriege in dieser Welt. Aber die hat auch keine der anderen Parteien! Einige
Linkseingstellte wählen die Partei nicht (mehr), weil sie
Waffenlieferungen, auch an die Ukraine, kritisch sieht. Dabei gilt zu
bedenken: Das von Putin überfallene Land würde keine Patrone weniger
kriegen, wenn Die Linke weiterhin im Bundestag säße.
Sehr wohl aber würde die Welt weiterhin erfahren, wie viele Patronen und
Waffen deutsche Neonazis horten. [8][Denn diese Art von Kleinen Anfragen]
stellt die Linkspartei. Je stärker die extreme Rechte wird, desto wichtiger
wird dieses Wissen. Antifaschist:innen schätzen, unabhängig von der
eigenen Parteipräferenz, die Arbeit von linken Abgeordneten wie Martina
Renner oder Clara Bünger.
Wie wichtig eine linke Opposition ist, zeigen auch Beispiele aus anderen
Politikfeldern: Es war der Linkenchef Jan van Aken, der im Interesse der
gesamten Öffentlichkeit die Geheim-Dokumente zum Transatlantischen
Freihandelsabkommen [9][TTIP geleaked] hat. Und nicht zuletzt ist es die
Rosa-Luxemburg-Stiftung der Linkspartei, die politische Bildung fördert,
von der das gesamte progressive Lager profitiert.
## Sorge, dass die Stimme verloren ist
Trotzdem ist in der aktuellen Debatte zur Bundestagswahl die Sorge zu
hören, Stimmen an die Linke könnten verschenkt sein, da diese vielleicht
gar nicht in den Bundestag komme. Was auf Anhieb logisch klingt, ergibt
näher betrachtet keinen Sinn: Wenn die Leute deshalb eine andere Partei
wählen, hat diese nur eine Stimme mehr. Wenn Die Linke aber wegen dieser
einen fehlenden Stimme nicht einzieht, gehen Millionen Stimmen verloren.
Ja, es wird knapp, aber es gibt eine echte Chance, dass Die Linke es
schafft. Entweder, weil sie genug Zweitstimmen erhält, [10][wonach es in
Umfragen teils aussieht,] oder durch Direktmandate. Gute Chancen hierauf
haben nicht alle [11][alten Herren der Mission Silberlocke], sondern am
ehesten Gregor Gysi in Berlin und Bodo Ramelow in Erfurt und Weimar sowie
darüber hinaus [12][Sören Pellmann in Leipzig].
Die Linke ist im Aufwind, seit Mittwoch treten [13][täglich 1000 neue
Mitglieder] ein. Auch der Bundesparteitag hat [14][Zuversicht
ausgestrahlt]. Und nach der kämpferischen Rede der Spitzenkandidatin
[15][Heidi Reichinnek] im Bundestag erwägen nun sogar einige
Anhänger:innen von Grünen und SPD, ihr Kreuz bei der Linken zu setzen.
Die Partei könnte den Einzug in den Bundestag also schaffen. Vor allem,
wenn ihre Anhänger:innen sie auch wählen.
4 Feb 2025
## LINKS
[1] /Strategien-der-Klimabewegung/!6058836
[2] /Kampf-um-Kohledorf/!5903043
[3] /Robert-Habeck-zu-Besuch-in-Katar/!5842662
[4] /100-Milliarden-sind-fast-aufgebraucht/!6003832
[5] /Debatte-um-Ausbuergerung/!6058227
[6] /Kilani-wird-ausgeschlossen/!6051598/
[7] /Spaltung-der-Linkspartei-vollzogen/!5968643
[8] /Rechtsextreme-und-Reichsbuerger/!6002576
[9] https://www.spiegel.de/politik/jan-van-aken-linken-chef-gibt-zu-ttip-dokume…
[10] /Neue-Prognose-fuer-Bundestagswahl/!6062696
[11] /Silberlocke-auf-Platz-1-in-Berlin/!6058049
[12] /Linkenkandidat-Soeren-Pellmann/!6064879
[13] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/gruene-und-linke-parteien-verze…
[14] /Bundesparteitag-der-Linken/!6059789
[15] /Linke-Politikerin-Heidi-Reichinnek/!6063355
## AUTOREN
Lotte Laloire
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