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# taz.de -- Debatte um Ausbürgerung: Remigration setzt sich in den Köpfen fes…
> Ein Jahr nach den AfD-Geheimplänen zur „Remigration“ ist kaum etwas von
> der Empörung übrig. Die Politik hat die Idee faktisch übernommen.
Bild: Tausende Menschen demonstrieren gegen die menschenverachtende Idee der �…
Ein Jahr ist vergangen, seit die Geheimpläne der AfD bekannt wurden,
Ausländer und Deutsche mit Migrationshintergrund aus dem Land zu schaffen.
Millionen Menschen demonstrierten anschließend gegen die extrem rechte
Partei und die menschenverachtende Idee der „Remigration“.
Politiker*innen aller demokratischen Parteien äußerten sich empört und
unterstützten die Proteste.
[1][Inzwischen ist davon nichts mehr übrig]. Im Gegenteil. Das
Spitzenpersonal von Union, SPD, FDP und auch der Grünen tut gerade viel
dafür, dass sich die zentrale Idee des Potsdamer Geheimtreffens in der
politischen Debatte festsetzt.
[2][Innenministerin Nancy Faeser (SPD) kündigte an, nicht arbeitende
Syrer*innen ohne Deutschkenntnisse in ihr Herkunftsland
zurückzuzwingen]. Grünen-Vizekanzler Robert Habeck sagte: „Diejenigen, die
hier nicht arbeiten, werden – wenn das Land sicher ist – wieder in diese
Sicherheit zurückkehren können oder auch müssen.“
Die Behörden wollen Familien, die freiwillig zurückkehren, mit 4.000 Euro
belohnen. Und CDU-Chef Friedrich Merz, der all das schon seit Wochen
fordert, stellte nun in den Raum, Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft
auszubürgern, wenn sie Straftaten begehen.
## Strudel immer schärferer Forderungen
Es ist ganz egal, dass diese Forderungen und Ankündigungen im Moment nicht
viel mehr sind als populistische Wahlkampfrhetorik. Egal, dass für Merz’
Pläne eine Verfassungsänderung nötig wäre, für die sich ohne AfD kaum eine
Mehrheit finden wird.
Egal, dass viele Syrer*innen in Deutschland schon die Staatsbürgerschaft
haben oder zumindest eine Niederlassungserlaubnis, was Faesers Pläne und
Habecks Ideen wohl auf einen kleinen Personenkreis beschränken würde.
Und egal ist auch, dass der bürokratische Aufwand so hoch sein dürfte, dass
eine Umsetzung schwer vorstellbar ist. Die Details verschwimmen im Strudel
immer schärferer Forderungen und Ankündigungen. Was bleibt, ist die so
rassistische wie unüberhörbare Botschaft: „Wir“ müssen „die“ loswerd…
## Zwei Klassen von Staatsbürgern
Und diese dumpfe Botschaft frisst sich in den Diskurs und in die Köpfe. Sie
macht vorstellbar und irgendwann vielleicht doch umsetzbar, was gerade noch
ausgeschlossen schien.
Insbesondere bei der Union kommt dazu eine beängstigende Bereitschaft, an
bewährten Institutionen und gut begründeten Tabus zu rütteln. Schon seit
Monaten fordern CDU und CSU Zurückweisungen von Geflüchteten an den
Grenzen. Dabei würde das Europarecht gebrochen und das Schengensystem der
offenen Grenzen gesprengt – ein zentraler Pfeiler der EU.
[3][Merz’ jüngste Forderung nach Ausbürgerungen ist nicht nur zutiefst
verletzend und von seltener Schäbigkeit]. Sie würde auch eine Art
Zweiklassenstaatsbürgerschaft schaffen. Und sie berührt eine zentrale
Lehre aus der NS-Zeit. Nicht zufällig entzogen die Nazis Juden*Jüdinnen
die Staatsbürgerschaft, sobald sie die damaligen Landesgrenzen
überschritten.
Die Juden*Jüdinnen, die von Deutschen später in Osteuropa ermordet wurden,
wurden zuvor gezielt in den schutzlosen Zustand der Staatenlosigkeit
versetzt. Nach dem Sieg über Nazideutschland wurde der Anspruch auf
Staatsbürgerschaft in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte
festgeschrieben.
## Merz hat ein Tabu gebrochen
Natürlich hat Merz’ Vorschlag nichts mit den NS-Verbrechen zu tun und würde
ohnehin nur diejenigen treffen, die noch den Pass eines anderen Landes
haben. Staatenlosigkeit droht deshalb niemandem. Aber bislang galt eben als
Folge der deutschen Vergangenheit, dass sich Demokrat*innen vom Thema
Ausbürgerung fernhalten. Damit hat Merz gebrochen.
Es hätte auch alles ganz anders sein können am ersten Jahrestag der
Enthüllungen der „Remigrations“-Pläne der AfD. Aus dem Sturz des syrischen
Tyrannen Assad folgt nicht automatisch, dass Deutschland darüber
diskutieren muss, wie man möglichst viele Syrer*innen rauswirft oder
deutschen Staatsbürgern den Pass wegnimmt.
Es hätte ein Moment sein können, in dem die demokratischen Parteien der AfD
klar entgegentreten, statt deren Ideen aufzunehmen. Immerhin zeigt die
syrische Revolution, dass die Menschenfeinde und Putin-Freunde – darunter
die AfD – keinesfalls unbesiegbar sind.
Vielleicht ist es wert, an dieser Erkenntnis festzuhalten: Es muss nicht so
sein, wie es ist. Auch wenn die Demonstrationen vor einem Jahr verhallt zu
sein scheinen. Die schleichende Ausbreitung rechter Ideen bis weit in die
demokratische Mitte ließe sich aufhalten.
Die AfD ist weit entfernt von einer Mehrheit im Bundestag, man muss nicht
vorauseilend vor ihr kuschen. Und: All die Menschen, die vor einem Jahr
demonstriert haben, sind noch da. Die demokratischen Parteien müssen
endlich auf sie hören.
12 Jan 2025
## LINKS
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## AUTOREN
Frederik Eikmanns
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