# taz.de -- Männer und Feminismus: Die männliche Identitätskrise | |
> Mansplaining, Manspreading, #metoo: Männlichkeit ist vor allem negativ | |
> konnotiert. Das Vakuum an positiven Männlichkeitsidealen muss gefüllt | |
> werden. | |
Bild: Historische Aufnahme, starker Mann, Artist, ca. 1915 | |
Bloß nicht noch mehr toxische Männlichkeit! So fiel das Medienecho | |
erwartungsgemäß aus, nachdem Mark Zuckerberg vor zwei Wochen mehr | |
„maskuline Energie“ und „ein bisschen mehr Aggressivität“ gefordert ha… | |
Die einseitigen Reaktionen darauf offenbaren vor allem, woran die Debatte | |
über Männer seit vielen Jahren krankt. | |
Denn natürlich sind wir erst mal geneigt, „maskuline Energie“ als | |
Gender-Esoterik und Mark Zuckerberg als reaktionären Tech-Boss abzutun. Wir | |
sind geneigt, von [1][#metoo] und [2][Gisèle Pelicot], von Incels und | |
[3][Andrew Tate] zu reden und deshalb zu behaupten, dass ausgerechnet | |
männliche Energie nun wirklich das Letzte sei, von dem es auf der Welt noch | |
mehr bräuchte. | |
Statt unseren spontanen Neigungen nachzugeben, könnten wir uns aber auch | |
ein paar Fragen stellen. Warum weckt „maskuline Energie“ gerade diese | |
negativen Assoziationen? Warum wird das Wort „Männlichkeit“ in progressiven | |
Kreisen ironisch und in Anführungszeichen oder aber in Kombination mit | |
„toxisch“ verwendet? Warum lässt sich mit Mansplaining, Catcalling oder | |
Manspreading männliches Fehlverhalten präzise bezeichnen, während immer | |
weniger Richtlinien darüber zu existieren scheinen, wie man es als Mann | |
richtig machen kann? | |
Das Vakuum an positiven Männlichkeitsidealen spiegelt eine Entwicklung, die | |
als „masculinity crisis“ erst allmählich in den Blickpunkt der | |
Öffentlichkeit gelangt: Viele Männer suchen in den vermeintlichen Trümmern | |
des Patriarchats nach sich selbst – und finden nichts. Schon gar nicht | |
„maskuline Energie“. Sie fühlen sich nutzlos und überflüssig, einsam und | |
desorientiert. | |
## Arbeit, Mann! | |
Dabei sind es nach wie vor meist Männer, die an der Spitze von Regierungen | |
stehen. Es sind meist Männer, die in DAX-Vorständen sitzen. Es sind Männer, | |
die für die gleiche Arbeit mehr Geld bekommen. Es gibt keine Machtumkehr | |
im Verhältnis der Geschlechter. Aber: Es gibt eine tiefgreifende männliche | |
Identitätskrise. | |
So verrät schon ein Blick auf den Arbeitsmarkt, dass das Gefühl der | |
Nutzlosigkeit kein Produkt der Einbildung ist: Muskelkraft, oft assoziiert | |
mit Männlichkeit, ist in Industrie und Landwirtschaft heute weitestgehend | |
durch Maschinen ersetzt. Bergmann und Schlachter gelten mittlerweile in | |
manchen Kreisen als exotische Berufe, während immer mehr Community-Manager | |
und Servicekräfte gebraucht werden. Auch die traditionelle Rolle des | |
Ernährers bröckelt. Immer mehr Frauen erreichen ökonomische Unabhängigkeit. | |
Anders gesagt: Das Lebensmodell des stumpfen Ehemanns, der trotzdem geliebt | |
wird, solange er nur regelmäßig die Lohntüte nach Hause bringt, gehört | |
(glücklicherweise) der Vergangenheit an. Wer heute als Mann nichts darüber | |
hinaus anzubieten hat, findet erst gar keine Frau. | |
Angesichts der Tatsache, dass Männer jahrtausendelang Frauen unterdrückt | |
haben, mag das Mitleid des ein oder anderen sich in Grenzen halten: Sollen | |
die Männer eben schauen, wo sie bleiben! Man würde es sich allerdings | |
entschieden zu leicht machen, wenn man glaubte, es wäre ein reines | |
Männerproblem, dass ein positiver Männlichkeitsentwurf fehlt. Das Problem | |
betrifft alle. | |
Denn während in progressiven Milieus vor allem kritisch über Männlichkeit | |
gesprochen wird, hat man anderswo längst Sinnangebote für Männer parat: | |
Manosphere-Influencer bilden ihre Follower zu frauenverachtenden „Alpha | |
Males“ aus, und rechtsextreme Parteien buhlen erfolgreich um Männer, die | |
statt vereinsamter Gamer lieber tapfere Soldaten der Festung Europa wären. | |
„Echte Männer sind rechts – dann klappt’s auch mit der Freundin“, brac… | |
AfD-Mann Maximilian Krah 2023 auf der Plattform Tiktok diesen Zusammenhang | |
propagandistisch geschickt auf den Punkt. | |
Es ist höchste Zeit, dass Männer ein positives Männlichkeitsideal | |
entwickeln. Eines, das nicht hinter den aktuellen Gender-Diskurs | |
zurückfällt, aber nicht bei Ratlosigkeit und schlechtem Gewissen stehen | |
bleibt. | |
27 Jan 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Schwerpunkt-metoo/!t5455381 | |
[2] /Unterstuetzerin-von-Gisele-Pelicot/!6054045 | |
[3] /Razzia-bei-Andrew-Tate/!6029823 | |
## AUTOREN | |
Robert Schwerdtfeger | |
## TAGS | |
Patriarchat | |
Feminismus | |
Toxische Männlichkeit | |
Social-Auswahl | |
Emanzipation | |
ZDFneo | |
Kolumne Einfach gesagt | |
taz Plan | |
Japan | |
Schwerpunkt USA unter Trump | |
Emanzipation | |
Feminismus | |
Toxische Männlichkeit | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Serie „Club der Dinosaurier“: Durch Testo zum Dino | |
In einer neuen ZDFneo-Serie wollen zwei Jungen dem klassischen | |
Männlichkeitsbild gerecht werden. Dafür greifen sie zu ungewöhnlichen | |
Mitteln. | |
Männer und Menschheit: Der Fisch stinkt vom Schwanz her | |
Die Menschheit hat ein Männerproblem, aber sich für die Fehler anderer | |
Männer zu entschuldigen, ist keine Lösung. Ein fiktives Gespräch unter | |
Männern. | |
Kinotipp der Woche: Wie wird „man“ ein Mann? | |
Bei der Doku-Reihe „Man wird nicht als Mann geboren“ im Kino Krokodil | |
finden diese Woche diverse Labore der Männlichkeit den Weg auf die | |
Kino-Leinwand. | |
MeToo in japanischer Medienbranche: Nötigung in Nippon | |
Ein MeToo-Skandal trifft den japanischen Sender Fuji TV auch finanziell. | |
Mehrere Medienhäuser kündigen nun die Untersuchung frauenfeindlicher | |
Praktiken an. | |
Mark Zuckerbergs Männlichkeitsbild: Der neue Tech-Boss-Maskulinismus | |
Meta-Chef Mark Zuckerberg fordert mehr „maskuline Energie“ in Unternehmen | |
und Gesellschaft. Dadurch befördert er den Antifeminismus. | |
Progressive Bewegungen: „Wir brauchen neue Geschichten“ | |
Die Autorin und Kommunalpolitikerin Mirrianne Mahn setzt sich für | |
Feminismus und gegen Rassismus ein. Ein Gespräch über Hoffnung und Mut. | |
Redeanteil von Frauen im Parlament: It's still a man's world | |
Auch im Berliner Abgeordnetenhaus sprechen vor allem Männer. Warum nehmen | |
sie sich nicht mal zurück? | |
Kritische Männlichkeit in der Schule: Wann ist ein Mann ein Mann? | |
Zwölf pubertierende Jungen sollen sich in einem Schulworkshop kritisch mit | |
Männlichkeit beschäftigen. Klappt das, wenn sie Zärtlichkeit kaum kennen? |