# taz.de -- MeToo in japanischer Medienbranche: Nötigung in Nippon | |
> Ein MeToo-Skandal trifft den japanischen Sender Fuji TV auch finanziell. | |
> Mehrere Medienhäuser kündigen nun die Untersuchung frauenfeindlicher | |
> Praktiken an. | |
Bild: Fuji-TV-Chef Koichi Minato bei einer zehnstündigen Pressekonferenz zur C… | |
Tokio taz | Japanische Medien verwenden das englische Wort „trouble“, wenn | |
sie eine als [1][unangenehm wahrgenommene Tatsache] nicht explizit benennen | |
wollen. Seit Wochen berichten sie zum Beispiel über den „trouble“ einer | |
Frau. Verschleiert wird dabei die Tat des berühmten Entertainers Masahiro | |
Nakai. | |
Der 52-Jährige hatte eine 23-jährige, namentlich ungenannte | |
Nachrichtenmoderatorin sexuell attackiert und ihr so heftige „körperliche | |
und seelische Schmerzen“ zugefügt, dass er außergerichtlich ein für | |
japanische Verhältnisse extrem hohes Schmerzens- und Schweigegeld von | |
560.000 Euro an sie zahlte. | |
Solche Skandale häuften sich zuletzt. Der TV-Comedian Hitoshi Matsumoto | |
bestätigte kürzlich nach längerem Leugnen die Vorwürfe, er habe nach einem | |
Hotelbesuch mehrere Frauen gegen ihren Willen zu sexuellen Aktivitäten | |
gezwungen. Bisher kehrten solche TV-Stars [2][trotz MeToo-Anschuldigungen] | |
auf den Bildschirm zurück, wenn sie sich entschuldigten und vorübergehend | |
zurückzogen. | |
Doch im Fall von Nakai tauchte der Skandal auf den Wirtschaftsseiten der | |
großen Tageszeitungen auf: Der US-Fonds Dalton, ein Großaktionär des | |
Fuji-TV-Mutterkonzerns Fuji Media, verlangte, den Vorfall unabhängig | |
untersuchen zu lassen. Zuvor hatte der Sender nur eine interne Prüfung | |
versprochen. | |
Darauf zogen sich von Toyota bis zum Telekommunikationsriesen NTT rund 75 | |
Werbepartner des Senders zurück. Fuji TV entgehen dadurch nach eigenen | |
Angaben bis Ende März Einnahmen von 147 Millionen Euro. | |
## Intransparente Männerwirtschaft | |
Plötzlich drehte sich die Diskussion um die intransparente Männerwirtschaft | |
in den TV-Führungsetagen. Denn es war offenbar gängige Praxis, dass Fuji TV | |
junge weibliche Angestellte und prominente Show-Moderatoren für Partys | |
zusammenführte. Da die Einladungen vom Unternehmen selbst kamen, fühlten | |
sich weibliche Angestellte unter Druck, die Partys zu besuchen, kritisieren | |
viele. Der Sender wollte so seine männlichen Stars bei Laune halten. | |
Darauf leiteten die großen TV-Sender Nippon TV, TBS, TV Asahi und TV Tokyo | |
eigene Untersuchungen ein, ob es bei ihnen ähnliche frauenfeindliche | |
Praktiken gibt. | |
## Die heimlichen Machthaber bleiben | |
Bei Fuji Media und anderen privaten Rundfunkkonzernen hat noch die „alte | |
Garde“ von Japans männlicher Unternehmenswelt das Sagen. Bei einer | |
10-stündigen Pressekonferenz mit 400 Journalisten traten Chairman Shuji | |
Kano und TV-Chef Koichi Minato zurück. Aber heimlicher Machthaber bleibt | |
der 87-jährige Hisashi Hieda, Senderchef von 1988 bis 2017 und seitdem | |
weiter als „Berater“ im Verwaltungsrat. | |
Laut Nicholas Benes, Experte für Unternehmungsführung in Japan, sind die | |
Mitglieder im Fuji-Verwaltungsrat im Schnitt 72 Jahre alt. Der | |
Fuji-Aktionär Dalton legte am Anfang der Woche nach und verlangte den | |
Rücktritt von Hieda, der seit fast 40 Jahren im Verwaltungsrat sitzt. | |
## Das Ende einer Karriere | |
Die alten Manager des TV-Konzerns Fuji Media verstehen den [3][Wandel der | |
gesellschaftlichen Werte] in Japan offenbar nicht. Sonst hätte man Nakai | |
trotz Kenntnis von seinem brutalen Übergriff auf die junge Moderatorin | |
nicht ungeniert weiter moderieren lassen. Man hatte wohl Angst, den | |
Ex-Leiter von Japans berühmtester Popgruppe Smap als Gastgeber von mehreren | |
TV-Shows zu verlieren. | |
Inzwischen reagierte Nakai auf die tagelangen Shitstorms auf Twitter und | |
Instagram und beendete seine Karriere mit sofortiger Wirkung. Doch | |
Großunternehmen schalten weiter keine Werbespots auf dem Sender. Sie wollen | |
das Ergebnis der externen Untersuchung abwarten. Japanische Medienkenner | |
halten es sogar für möglich, dass der einst erfolgreichste Sender Fuji TV | |
diesen Skandal nicht überlebt. | |
5 Feb 2025 | |
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## AUTOREN | |
Martin Fritz | |
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