# taz.de -- Kinotipp der Woche: Wie wird „man“ ein Mann? | |
> Bei der Doku-Reihe „Man wird nicht als Mann geboren“ im Kino Krokodil | |
> finden diese Woche diverse Labore der Männlichkeit den Weg auf die | |
> Kino-Leinwand. | |
Bild: Männlichkeit bedeutet Performance auf Dauer: Szene aus „A Year of Endl… | |
Wie so oft im Dokumentarfilm erzählen die Augen der Menschen eine eigene | |
Geschichte. So ist es auch bei den Männern, mit denen die deutsche | |
Dokumentarfilmerin Katrin Schlösser bei ihrem „Besuch im Bubenland“, d. i. | |
das ostösterreichische Burgenland, ins Gespräch kommt. Schlösser fragt nach | |
dem Selbstverständnis ihrer Interviewpartner als Mann, nach | |
Partnerschaften, solchen die noch bestehen oder über die Jahre in die | |
Brüche gegangen sind, nach Kindern, nach ihren Wünschen und Enttäuschungen. | |
Manche der Befragten geben offen Auskunft, mit Humor und Blick in die | |
Kamera, andere flüchten sich in die dritte Person, „man“ habe das damals | |
halt so entschieden – und blicken strikt an der Kamera vorbei. Schlössers | |
Dokumentarfilm zeigt einen interessanten Querschnitt ländlicher | |
Männlichkeitsverständnisse in großer Komplexität und auf Augenhöhe. | |
Ausgehend von [1][Katrin Schlössers Dokumentarfilm] haben Gabriel Hageni | |
und Debora Fiora für das [2][Kino Krokodil], das die beiden betreiben, eine | |
kleine Filmreihe mit dem Titel „Man wird nicht als Mann geboren“ zu | |
Männlichkeiten im Dokumentarfilm zusammengestellt. Die Reihe läuft den | |
gesamten März über, verdichtet sich aber in der Woche zwischen dem 20. und | |
dem 26. März noch einmal. | |
Wer als Erwachsener schon einmal seine Eltern besucht hat, kennt | |
Reibereien, die sich an unterschiedlichen Alltagsgewohnheiten entzünden | |
können. Als die kroatische Regisseurin Renata Lučić ihren Vater im – wie | |
sie schon während der Anreise verkündet – ungeliebten Dorf ihrer Kindheit | |
im kroatischen Slawonien besucht, bleiben diese Reibereien nicht lange aus. | |
Sie kulminieren in einem beidseitigen Stellvertreterkonflikt während des | |
Putzens. | |
Während ihr Vater sich über kleine Nachlässigkeiten unverhältnismäßig | |
empört, verschanzt sich die Regisseurin hinter ihrem Handy und | |
pathologisiert ihren Vater mit feinster Küchenpsychologie. Doch über all | |
die eingespielten, oberflächlichen Alltagsrituale, die sie mit dem Vater | |
und dessen Freunden teilt, stellt sich allmählich dennoch eine Form von | |
Vertrautheit ein. | |
Nicht wenige der Verhaltensweisen, die sich in Schlössers Film fanden – die | |
Schweigsamkeit über Emotionen und die Fähigkeit zu verdrängen – sind auch | |
in Renata Lučić' „Godina prođe, dan nikako“ (A Year of Endless Days) | |
unübersehbar. Doch der Kontext in Slawonien ist besonders: nach den | |
Jugoslawienkriegen sind viele Frauen aus der Region zur Arbeit ins Ausland | |
gegangen, vor allem in deutschsprachige Länder. | |
Die Reihe greift diesen Kontext auf und stellt dem nur gut 70minütigen Film | |
drei Kurzfilme voran, die die jugoslawische Arbeitsmigration in den 1960er | |
und 1970er Jahren beleuchten. In der Zusammenschau entsteht ein | |
vielschichtiges Bild der gesellschaftlichen Veränderungen, die | |
Migrationsbewegungen in den Herkunftsgesellschaften hinterlassen. | |
„Man wird nicht als Mann geboren“ skizziert in einigen wenigen Filmen – e… | |
paar werden über die nächsten Monate noch folgen – ein komplexes Bild | |
gegenwärtiger Männlichkeiten und verschiedene Wege, dieses Wort anzunehmen, | |
abzulehnen und einen Umgang mit den Erwartungen zu finden. Auch mit dieser | |
Reihe zeigt das Kino Krokodil einmal mehr, wie klug man mit | |
Dokumentarfilmen im Kinoprogramm arbeiten kann. | |
18 Mar 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Filmfestival-Diagonale/!6003858 | |
[2] https://kino-krokodil.de | |
## AUTOREN | |
Fabian Tietke | |
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