| # taz.de -- Migration auf dem Ärmelkanal: Effizienz mit Todesfolge | |
| > Nie war es für Bootsmigrant*innen lebensgefährlicher als 2024, den | |
| > Ärmelkanal zu überqueren. Ein Grund ist die massive Hochrüstung der | |
| > Küsten. | |
| Bild: Was von der Nacht übrig bleibt: Boote von Migrant*innen werden regelmä�… | |
| Es ist eine eigenartige Prozession, die sich da gegen Mitternacht im | |
| Schritttempo den Dünenkamm entlang bewegt. Etwa 50 Personen, viele von | |
| ihnen tragen orange Schwimmwesten um den Hals oder in den Händen, die sich | |
| im Kegel der Taschenlampen deutlich gegen den Himmel abheben, umringt von | |
| den dunkelblauen Uniformen der Bereitschaftspolizei CRS. Als sie den | |
| steilen Pfad hinunter zur Straße erreichen, beginnen sie den Abstieg, | |
| Schritt für Schritt. Über den Dünen außerhalb des Dorfs Blériot-Plage | |
| kreisen surrend zwei Drohnen. | |
| Unten, an der Straße, die von Calais nach Sangatte und weiter die Küste | |
| entlang führt, hält die Prozession an. Unschlüssig und etwas ratlos stehen | |
| die Menschen, die nun eigentlich auf einem Schlauchboot in Richtung England | |
| unterwegs sein sollten, auf dem schmalen Grünstreifen. Das Blaulicht von | |
| sechs Mannschaftswagen, am Straßenrand geparkt, gibt der Szenerie einen | |
| gespenstischen Anstrich. | |
| Dass die Polizei diese Versuche vereitelt, wann immer es geht, wissen sie. | |
| Warum aber lässt sie die Gruppe nicht einfach gehen? Langsam setzt sich der | |
| Tross wieder in Bewegung, noch immer eingekreist von den CRS und Polizisten | |
| in schwarzen Westen. | |
| Nach ein paar Hundert Metern entpuppt sich das Schauspiel an einem | |
| Kreisverkehr als reine Machtdemonstration. Die Beamt:innen ziehen sich | |
| unvermittelt zurück, und die Gruppe, endlich frei zu gehen, biegt in einen | |
| Feldweg ein. | |
| ## Zurück in den Dschungel | |
| Eine junge Frau in heller Winterjacke, die wie viele hier aus Syrien | |
| stammt, berichtet, die Polizei habe sie am Strand überrascht, mit Tränengas | |
| zurückgedrängt und das Boot aufgeschlitzt. Sie reibt sich die Augen, die | |
| noch immer brennen. „Wir gehen zurück in den Dschungel“, sagt sie noch – | |
| das Camp, von dem aus sie vor Stunden aufbrachen, um in dieser Nacht den | |
| Ärmelkanal zu überqueren. Dann verschwindet sie mit den anderen in der | |
| Dunkelheit. | |
| Die Nacht auf den 1. Dezember ist die erste nach einer längeren | |
| Schlechtwetterperiode, in der von den Stränden Nordfrankreichs aus wieder | |
| Geflüchtete in Booten Richtung England abzulegen versuchen. Insgesamt 151 | |
| Personen, melden die französischen Behörden am nächsten Tag, konnten aus | |
| Seenot gerettet werden – ein Boot hatte 84 Passagiere an Bord, das zweite | |
| 67. Laut dem britischen Home Office wurden zwei weitere Boote mit insgesamt | |
| 122 Personen von der Küstenwache in den Hafen von Dover gebracht – wie es | |
| immer geschieht, wenn Migrant*innenboote in britischen Gewässern | |
| angetroffen werden. | |
| Seit sechs Jahren gehören die Bootspassagen zum Alltag an diesem Teil der | |
| Küste . Neu ist freilich, dass 2024 so viele Menschen wie nie zuvor den | |
| Versuch mit dem Leben bezahlt haben. 72 sind es bislang – mehr als die | |
| Gesamtzahl der Opfer in den letzten fünf Jahren, und anteilig auch | |
| auffallend viele der insgesamt 474 Menschen, die seit 1999 an der | |
| anglo-französischen Grenze starben. Vor allem seit dem Sommer ereigneten | |
| sich die Havarien fast wöchentlich, phasenweise kam es sogar täglich zu | |
| neuen Todesopfern. | |
| Doch selbst unter solchen Vorzeichen ist es besonders beklemmend, was die | |
| Region in diesem Spätherbst erlebt: Nach einem Unglück auf See Ende Oktober | |
| mit mehreren Vermissten wurden an verschiedenen Orten insgesamt 14 Leichen | |
| angespült, viele in stark verwestem Zustand, bei manchen ließ sich nicht | |
| einmal mehr erkennen, ob es sich um eine Frau oder einen Mann handelte. | |
| Laut der Regionalzeitung La Voix du Nord trieben sie eine Woche oder länger | |
| im Meer. Die Fundstellen zogen sich von Quend südlich von Boulogne-sur-Mer | |
| knapp 100 Kilometer die Küste entlang bis Marck östlich von Calais. | |
| ## Miserable Qualität der Schlauchboote | |
| „Es könnte durchaus noch mehr Leichen geben“, befürchtet Thomas Chambon, | |
| der bei der NGO Utopia 56 als Koordinator tätig ist. „Oft hören wir nach | |
| einem Schiffbruch von Menschen, die zurück an Land kommen, dass noch jemand | |
| fehlt.“ Utopia 56 ist seit Jahren am Ärmelkanal aktiv. | |
| Die Freiwilligen der Organisation, die durch Spenden finanziert wird, | |
| verteilen im Gebiet von Dunkerque und Calais Essen und Decken an | |
| Bewohner*innen inoffizieller Geflüchteten-Camps. Sie informiert mit | |
| Faltblättern und online über die Risiken der Kanalüberquerung, betreibt ein | |
| Alarmtelefon und fährt, wenn das Wetter entsprechend ist, nachts und | |
| frühmorgens mit kleinen Teams die Küste ab, um bei Notfällen zur Stelle zu | |
| sein. | |
| Wie ist es zu erklären, dass die Grenze in diesem Jahr derart tödlich | |
| geworden ist? Die miserable Qualität der Schlauchboote, von denen ein | |
| anonymes Mitglied einer Freiwilligen-Rettungsgesellschaft an der Küste | |
| einst sagte, er würde damit „kein Kind auf einen See fahren lassen“, ist | |
| zwar hinlänglich bekannt, aber genau darum auch keine ausreichende | |
| Erklärung. | |
| Im Hauptquartier von Utopia 56 im Hinterland von Dunkerque skizziert | |
| Chambon die Grundzüge einer Situation, die sich in den letzten Jahren immer | |
| weiter verschärft hat. „Zunächst einmal ist das Leben unter diesen | |
| Umständen in den Camps unglaublich hart. Schon allein daher nutzen die | |
| Menschen jedes noch so kleine Zeitfenster, in dem das Wetter eine Überfahrt | |
| zulässt.“ | |
| ## Je mehr Repression, desto mehr Tote | |
| Hinzu kommt die immer lückenlosere Überwachung der Küste, nicht nur um die | |
| großen Fährhäfen Calais und Dunkerque, sondern von der belgischen Grenze | |
| bis Boulogne-sur-Mer. „Je mehr Geld in Repression und Militarisierung der | |
| Grenze gesteckt wird, desto mehr Tote gibt es hier“, so Chambon. | |
| Zustimmung bekommt er dabei von [1][Bruno Retailleau, dem französischen | |
| Innenminister]. Dieser veröffentlichte im Oktober nach einem Treffen mit | |
| seiner britischen Amtskollegin Yvette Cooper auf X den folgenden Kommentar: | |
| „Frau Cooper lobte den heldenhaften Einsatz der Ordnungskräfte, um | |
| Überfahrten in das Vereinigte Königreich zu verhindern. Wir teilten auch | |
| die Beobachtung, dass diese Effizienz schädliche Folgen mit einem Anstieg | |
| der Todesfälle hatte.“ Folgen für das Auftreten an der Küste hat diese | |
| Erkenntnis bislang nicht. | |
| Chambon illustriert den Satz des Innenministers mit Beobachtungen aus dem | |
| Alltag der NGO. Immer häufiger wende die Polizei Gewalt an, um | |
| Schlauchboote am Ablegen zu hindern. Auch Tränengas komme an den Stränden | |
| regelmäßig zum Einsatz. „Zudem hören wir immer wieder, dass sie die Boote | |
| auch dann aufschlitzen, wenn sie bereits im Wasser sind. Das ist eigentlich | |
| verboten.“ Die Schilderung deckt sich mit jener einer anderen NGO, Osmose | |
| 62, die im Raum Boulogne-sur-Mer aktiv ist und sich ebenfalls auf | |
| entsprechende Aussagen „zahlreicher“ Migrant*innen beruft. | |
| „Die Konsequenz ist, dass das Ablegen aus Angst vor der Polizei in großer | |
| Eile geschieht“, berichtet Chambon. „Manche Schlauchboote, die ohnehin | |
| übervoll sind, fahren, um Zeit zu sparen, sogar ohne Bodenplatte ab und | |
| sind dadurch noch instabiler. Die Boote wiederum, die aufs Meer gelangen, | |
| sind umso voller, je mehr andere von der Polizei abgefangen und zerstört | |
| werden. Durchschnittlich sind nun etwa 60 Menschen an Bord, gegenüber 40 im | |
| letzten Jahr und 30 im Jahr 2022. In den letzten Monaten waren es mehrfach | |
| um die 80. | |
| ## Tränengaskartuschen am Strand | |
| Die zunehmend chaotischen Umstände der Abfahrten bewirken, dass gerade ab | |
| dem Sommer mehrere Passagiere nicht ertranken, sondern erstickten oder | |
| erdrückt wurden. „Außerdem geschahen zuletzt immer mehr Havarien innerhalb | |
| von dreihundert Metern vom Strand“, so Chambon. Bis Oktober waren solche | |
| für die Hälfte der Todesopfer verantwortlich. Ein weiteres Detail macht | |
| solche Situationen zusätzlich gefährlich: „Die Rettungsboote sind für | |
| solche Notfälle nicht ausgerüstet, weil sie zu viel Tiefgang haben.“ | |
| Bei der gescheiterten Überfahrt von Blériot-Plage lassen sich einige dieser | |
| Elemente begutachten: Der Einsatz zweier Drohnen über den Dünen zeugt von | |
| der zunehmenden Überwachung der Küste mit ihren vielen einsamen, teils | |
| schwer zugänglichen Stränden. Das Schlauchboot, etwa neun mal zwei Meter | |
| lang, das sich am nächsten Morgen am Dünenrand findet, weist einen | |
| Messerschnitt auf. | |
| Im Sand davor enden mehrere Spuren der strandtauglichen Fahrzeuge, welche | |
| die Polizei bei diesen Operationen einsetzt. Zwischen zurückgelassenen | |
| Kleidungsstücken und Essensverpackungen finden sich zwei | |
| Schubkarren-Schläuche, offenbar als Ersatz für eine Schwimmweste gedacht. | |
| Im Sand liegen mehrere abgefeuerte Tränengaskartuschen. | |
| Die Dünen geben bei Tageslicht aber noch weitere Informationen preis: An | |
| einer Stelle liegen kleine, säuberlich zerrissene Papierschnitzel, die sich | |
| teils wieder zusammenfügen lassen. Das Puzzle enthält Informationen über | |
| SIM-Karten in Frankreich auf Somali, ein ausgedrucktes französisches | |
| Dokument für einen jungen Sudanesen, ausgestellt im August von der | |
| Präfektur Maine-et-Loire. | |
| ## Tickets aus einem anderen Leben | |
| Es könnte, muss aber nicht, zur Kopie eines Asylantrags in Frankreich | |
| gehören, von der sich ebenfalls Reste finden. Das Gleiche gilt für ein | |
| ausgedrucktes Bahnticket von der Pariser Gare du Nord nach Calais Ville | |
| und ein DB-Ticket zum Sparpreis Europa von München bis Paris Est, zweiter | |
| Klasse, Fensterplatz, jeweils für Ende November gültig. | |
| Ab und an kommt ein Hund von Spaziergänger*innen vorbei, die sich am | |
| Strand die Beine vertreten, und schnüffelt am Boot und den umliegenden | |
| Kleidungsstücken. Eine Frau, die sich als Mitglied der Hilfsorganisation | |
| Secours Catholiques vorstellt, sammelt die im Umkreis zurückgelassenen | |
| Rettungswesten ein, die sich noch benutzen lassen. | |
| Dann bleibt ein Jogger bei dem zusammengesunkenen schwarzen Schlauchboot | |
| stehen. „Seit 20 Jahren geht das hier an der Küste so“ erklärt er und wei… | |
| in Richtung England. „Früher war die Grenze dort drüben. Doch seit die | |
| Kontrollen 2003 aufs Festland verlegt wurden, haben wir hier diese | |
| Zustände.“ | |
| Der Jogger heißt Benoît Landesmann, ist 45 und wohnt im benachbarten | |
| Sangatte. Ein historischer Ort gewissermaßen, denn genau dort gab es um die | |
| Jahrtausendwende eine Zeitlang ein stets überfülltes Auffanglager des Roten | |
| Kreuzes, das Calais und seine Umgebung erst auf die Landkarte der | |
| europäischen Flüchtlingskrise brachte. „Sarkozy, der damals Innenminister | |
| war, schloss das Lager. Danach entstand dort hinten“ – er weist nun den | |
| Strand entlang nach Osten, Richtung Calais – „der Dschungel. Meine Frau und | |
| ich gaben dort Sprachunterricht.“ | |
| ## Rivalisierende Schleuserbanden | |
| Anwohner Landesmann erzählt die Geschichte des Ärmelkanals als | |
| Migrations-Hotspot im Schnelldurchgang. Der Dschungel wurde 2009 geräumt, | |
| entstand Jahre später erneut, wuchs sich zu einer Kleinstadt aus, welche | |
| die Behörden 2016 erneut dem Erdboden gleichmachen ließen. Jedes Mal | |
| wiederholte sich die Ankündigung, nun sei es endgültig vorbei mit der | |
| klandestinen Kanalüberquerung. | |
| „Die Geschichte ist immer dieselbe“, sagt Landesmann, bevor er sich in | |
| Richtung Sangatte empfiehlt. Vom einstigen Lagerleiter Michael Derr ist im | |
| Übrigen ein Zitat überliefert: Solange England auf der anderen Seite des | |
| Kanals liege, würden Migrant*innen weiterhin probieren, dorthin zu | |
| gelangen. | |
| Die Nachfrage, bei gleichzeitigem Mangel an legalen Routen, hat schließlich | |
| auch einen millionenschweren Schwarzmarkt entstehen lassen, dessen | |
| Lieferketten sich über Deutschland und Osteuropa bis nach China ziehen. | |
| Auch das Boot am Strand von Blériot ist dort hergestellt, wie ein Aufdruck | |
| auf einer der Luftkammern zeigt. | |
| Er besagt auch, dass nicht mehr als 25 Personen darauf Platz nehmen dürfen, | |
| bei einem Gesamtgewicht von 2.125 Kilo. Darüber findet sich die Adresse | |
| eines „Bootsservice NRW“ in der Stadt Werne. Wenige Tage später veranlasst | |
| Europol an mehreren Orten in Deutschland [2][Razzien gegen ein | |
| kurdisch-irakisches Schleuser-Netzwerk]. Der Schwerpunkt liegt im | |
| Ruhrgebiet. | |
| Wie Schleuser am Kanal vorgehen, ist seit langem bekannt. Gerade im | |
| Dschungel nahe dem Hafen von Dunkerque werden Konflikte zwischen | |
| rivalisierenden Gruppen seit Jahren auch mit Schusswaffen ausgetragen. | |
| Mehrfach wurden dabei Geflüchtete verletzt oder getötet – etwa im Februar | |
| dieses Jahres. | |
| ## Mann über Bord | |
| Wenige Monate zuvor hatte ein anonymer Bewohner der taz berichtet, er höre | |
| nachts bisweilen Schießereien im Camp. Anfang Dezember trifft die taz an | |
| einem geheimen Ort an der Küste auf einen Mann, der in der Nacht zuvor auf | |
| einem überladenen Schlauchboot in Richtung England unterwegs war. Weil das | |
| Boot zu sinken drohte, warfen Mitglieder des Netzwerks den Mann wie auch | |
| mehrere andere Passagiere mitten auf dem Kanal über Bord. Er wurde gerettet | |
| und an Land gebracht. | |
| Während des Gesprächs wirkt er schwer traumatisiert. Nur mit großer | |
| Anstrengung kann er über seine Erlebnisse berichten. Mehrere NGOs | |
| bestätigen, dass dies nicht der erste vergleichbare Fall ist. Offenbar aber | |
| geschehe dies sonst eher in Ufernähe – etwa wenn Personen, die sich die | |
| Überfahrt nicht leisten könnten, aus Verstecken am Strand kommen und in der | |
| Hektik einer Abfahrt versuchen, an Bord zu springen. Der Mann sagt kurz vor | |
| dem Abschied, er sei weiterhin entschlossen, England zu erreichen. | |
| Weil die Umstände zwischen Dunkerque und Boulogne nun also zunehmend | |
| erschwert sind, hat sich das Geschehen im letzten Jahr deutlich nach Süden | |
| verlagert. „Von Calais aus ist es fast unmöglich geworden, abzulegen. Also | |
| kommen die Migrant*innen hierher, um einen Versuch zu starten. Die | |
| Überfahrt dauert dann zwar viel länger als von Calais, aber dieses Risiko | |
| gehen sie ein. Bei gutem Wetter gab es in letzter Zeit fast täglich | |
| Abfahrten“, berichtet Samir Khechib, der sich als Freiwilliger der NGO | |
| Osmose 62 im Raum Boulogne-sur-Mer seit einem Jahr um Geflüchtete kümmert. | |
| Dabei hat er erlebt, wie Orte wie Équihen-Plage und Hardelot-Plage immer | |
| mehr in den Fokus rücken. | |
| Hardelot-Plage ist ein idyllisches Dorf mit freistehenden Häusern auf | |
| großzügigen Grundstücken, eingebettet in Hügel und Küstenwald. An der | |
| verwaisten Strandpromenade steht kurz vor Einbruch der Dämmerung ein | |
| Gendarmerie-Auto geparkt. Zwei uniformierte Gestalten sind durch den | |
| Dezemberregen hinter den Scheiben zu erkennen, die trotz des schlechten | |
| Wetters hier die Lage im Auge behalten. „Sie stehen hier immer und suchen | |
| mit ihren Scheinwerfern das Meer ab“, erklärt Khechib. | |
| ## Fortgeschrittene Verwesung | |
| Was die Gegend um Hardelot prädestiniere, seien die hohen Dünen, in denen | |
| Bootsmigrant*innen sich verstecken könnten, bis die Wetterlage günstig | |
| sei. „Permanente Niederlassungen gibt es hier nicht, aber manchmal bleiben | |
| große Gruppen dort mehrere Tage.“ Khechib weist auf die hohen Dünen hinter | |
| der Promenade. „Letzten Monat erst trafen wir dort auf Migrant*innen, deren | |
| Versuch fehlgeschlagen war. Einige erzählten mir, dass in einem Wäldchen | |
| schon mal um die 1.000 Menschen kampierten.“ | |
| Bei [3][so viel Aktivität auf einer Kanal-Route] liegt es auf der Hand, | |
| dass es auch dort inzwischen zu Opfern kam – zuletzt am 30. Oktober. „Heute | |
| Morgen spielten sich surreale und dramatische Szenen ab, da es an der | |
| gesamten Küste zu zahlreichen Abfahrten kam. Sobald es ein günstiges | |
| Wetterfenster gibt, stürzen sich Hunderte von Geflüchteten ins Wasser und | |
| sind bereit, jedes Risiko einzugehen“, schrieb Osmose 62 später auf ihrer | |
| Facebook-Seite. Ein 28-jähriger Mann aus dem Irak starb an | |
| Herz-Kreislauf-Versagen. Später am Tag wurden in der Umgebung drei Leichen | |
| angespült. | |
| Die Aufnahmen, die Samir Khechib auf seinem Telefon zeigt, vermitteln eine | |
| Idee von dem, was dort an jenem Tag geschah. Während sich zwei übervolle | |
| Boote vom Strand entfernen, stehen etwa 40 Personen, die nicht mehr an Bord | |
| gelangen konnten, im Meer, das ihnen vom Bauch bis zu den Schultern reicht. | |
| Nicht einmal die Hälfte von ihnen trägt Schwimmwesten. „Sie waren vom | |
| Wasser eingeschlossen“, erinnert sich Khechib. Die nächste Aufnahme zeigt | |
| einen niedrig fliegenden Hubschrauber, der zu ihrer Rettung eingesetzt | |
| wurde. | |
| Wegen des weiterhin schlechten Wetters an der Kanalküste gab es seit Mitte | |
| November nur an wenigen Tagen Überfahrten. In nächster Zeit dürften es | |
| daher umso mehr werden. Unterdessen wird am 8. Dezember im Dorf Escalle, | |
| westlich von Sangatte, die oder der 73. Tote dieses Jahres gefunden. Die | |
| Leiche treibe seit Wochen im Wasser und befinde daher sich im Zustand | |
| fortgeschrittener Verwesung, so die Regionalzeitung La Voix du Nord. Eine | |
| Identifizierung sei daher nicht möglich. | |
| 17 Dec 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://calais.bordermonitoring.eu/2024/10/18/ein-tweet-vom-g7-gipfel/ | |
| [2] https://www.tagesschau.de/inland/regional/nordrheinwestfalen/wdr-grosse-raz… | |
| [3] https://calais.bordermonitoring.eu/2024/10/ | |
| ## AUTOREN | |
| Tobias Müller | |
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