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# taz.de -- Tote Geflüchtete im Ärmelkanal: Die Rettung kam zu spät
> Auf dem Weg aus Frankreich nach Großbritannien kentert ein Boot mit
> Menschen aus Afghanistan und Sudan. Trotz Rettung sind sechs Tote
> bestätigt.
Bild: Die britische Küstenwache weigert sich, Seenotrettung einzustellen
Berlin taz | Beim schwersten Bootsunglück seit 2021 auf der
[1][Flüchtlingsroute über den Ärmelkanal aus Frankreich nach
Großbritannien] sind am Samstag vermutlich acht Menschen gestorben. Die
französischen und britischen Behörden bestätigten am Wochenende den Tod von
sechs jungen Männern aus Afghanistan nach der Rettung. Rund 60 weitere
Bootspassagiere aus Afghanistan und Sudan konnten von der britischen und
der französischen Küstenwache geborgen werden und blieben am Leben. Zwei
werden noch vermisst und sind mutmaßlich ertrunken.
Das völlig überfüllte Boot wurde am Samstagmorgen kurz vor 4 Uhr von einer
französischen Patrouille vor der französischen Küste bei Sangatte nahe
Calais entdeckt, wo es in Seenot geraten war. Die Passagiere wurden mit
wenigen Ausnahmen alle geborgen, aber sechs von ihnen starben nach der
Rettung.
Erst am Donnerstag hatte die britische Küstenwache die Überquerung von 755
Flüchtlingen bestätigt – der höchste je registrierte Tageswert. Damit stieg
die Gesamtzahl der von den britischen Behörden registrierten Boat People
seit Beginn der Aufzeichnungen am 1. Januar 2018 [2][Berechnungen
britischer Medien zufolge] auf über 100.000. Dieses Jahr bis 10. August
waren es bereits 15.826, etwas weniger als im gleichen Vorjahreszeitraum.
Wie viele weitere Flüchtlinge es unentdeckt an die britische Küste
schafften, ist nicht bekannt.
Anders als manche EU-Länder betreibt Großbritannien staatliche
Seenotrettung: Die Küstenwache fährt aufgespürten Flüchtlingsbooten
entgegen und nimmt die Insassen an Bord oder eskortiert deren Boote an
Land. Die Flüchtlinge landen dann im regulären Asylverfahren.
## Schwimmende Unterkunft „Bibby Stockholm“ geräumt
Der britischen Regierung ist es trotz massiver Kritik von Rechtsaußen
bisher nicht gelungen, dass weniger Menschen nach Großbritannien fliehen.
[3][Immer wieder neu gestartete Vorhaben], die Seenotrettung zu beenden
oder Bootsflüchtlingen ein Asylverfahren zu verwehren, wurden bisher
allesamt nicht umgesetzt.
Die Küstenwache weigert sich, die Seenotrettung einzustellen, Frankreich
nimmt Bootsflüchtlinge nicht zurück und das Vorhaben der britischen
Regierung, sie zwangsweise nach Ruanda zu verfrachten, statt ihnen die
Möglichkeit eines Asylantrags in Großbritannien zu gewähren, wird weiterhin
[4][von der Justiz blockiert].
Ende 2022 warteten knapp 170.000 Flüchtlinge in Großbritannien auf ihren
Asylbescheid, dreimal so viele wie drei Jahre zuvor. Solange sie warten und
sobald sie das Erstaufnahmezentrum verlassen haben, müssen sie auf
Staatskosten von den Kommunen untergebracht werden, meist in
umfunktionierten Billighotels. Viele tauchen in dieser Zeit ab und
verschwinden aus der Statistik.
Die neueste Idee der britischen Regierung, Asylsuchende stattdessen auf
Schiffen unterzubringen, wo man sie besser überwachen kann, erlitt
vergangene Woche einen Dämpfer: das erste dafür vorgesehene Boot, das
umgebaute Containerschiff „[5][Bibby Stockholm“ im südwestenglischen Hafen
Portland] musste geräumt werden, gab die Regierung am Freitag bekannt.
Zuvor waren einige der 39 bislang dorthin gebrachten Flüchtlinge erkrankt
und daraufhin wurden Legionellen in der Wasserversorgung des Schiffes
festgestellt.
Für viele Flüchtlinge ist Großbritannien trotz aller Widrigkeiten ein
attraktiverer Zielort als Frankreich. Das liegt an der Sprache, am
leichteren Zugang zum Arbeitsmarkt, an der geringeren Polizeigewalt und am
humaneren Umgang der Behörden mit Illegalen. In Frankreich müssen viele
Flüchtlinge monatelang warten, bevor sie überhaupt einen Asylantrag stellen
können. Solange gibt es für sie kein Anrecht auf irgendeine Versorgung. Sie
kampieren irgendwo oder machen sich auf die Weiterreise. Ihnen Hilfe
zukommen zu lassen, wird oft [6][behindert oder kriminalisiert], selbst bei
kranken Obdachlosen oder alleinreisenden Minderjährigen.
Die französischen Kommunalbehörden im Raum Calais hatten zuletzt [7][laut
der britischen Sunday Times] gewarnt, es gebe eine deutliche Zunahme
anreisender Flüchtlinge, die auf eine Überfahrt nach Großbritannien
warteten. Zwei Wochen schlechten Wetters hätten Bootsfahrten unmöglich
gemacht und einen Stau an der Küste produziert. Seit Anfang vergangener
Woche sei das Wetter jedoch besser und nun würden sich besonders viele
Menschen auf den Weg machen.
13 Aug 2023
## LINKS
[1] /Migration-im-Aermelkanal/!5818973
[2] https://www.bbc.com/news/uk-england-kent-66473852
[3] /Asylrecht-in-Grossbritannien/!5920786
[4] /Britisches-Gericht-kippt-Deal/!5944255
[5] /Fluechtlingspolitik-in-Grossbritannien/!5945106
[6] /Franzoesischer-Fluechtlingshelfer/!5509040
[7] https://www.thetimes.co.uk/article/how-the-fatal-channel-migrant-tragedy-un…
## AUTOREN
Dominic Johnson
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Schwerpunkt Flucht
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