| # taz.de -- Geflüchtete an EU-Ostgrenze in Polen: EU unterstützt Pushbacks | |
| > Die neue EU-Kommission stellt sich hinter die Zurückweisung von | |
| > Flüchtlingen an Polens Ostgrenze. Russland und Belraus setzten diese | |
| > Menschen gezielt ein. | |
| Bild: Polnische Soldaten nahe der Grenze zu Belarus | |
| Berlin taz | Bei „hybriden Bedrohungen“ durch Geflüchtete hat die neue | |
| EU-Kommission ihren Mitgliedstaaten weitgehend freie Hand gegeben. Wenn | |
| feindliche Nachbarstaaten Flüchtlinge als „Waffe“ einsetzten, seien | |
| „schwerwiegende Eingriffe in die Grundrechte“ gestattet, heißt es in einer | |
| neuen Stellungnahme. | |
| Hintergrund ist die Lage an der Grenze von Belarus und Polen. Im Oktober | |
| hatte [1][Polens Regierungschef Donald Tusk] angekündigt, an der Ostgrenze | |
| das Asylrecht auszusetzen. Dort Ankommende könnten keine Asylanträge mehr | |
| stellen. Mit ihrer Stellungnahme stützt die neue Kommission nun | |
| demonstrativ dieses Vorgehen. Die Mitgliedstaaten dürften „alles | |
| Notwendige“ tun, um sich gegen „hybride Angriffe Russlands und | |
| Weißrusslands zu verteidigen“ und ihre „nationale Sicherheit, öffentliche | |
| Ordnung und Souveränität zu schützen“, heißt es weiter in dem | |
| Kommissionspapier. | |
| In der Region habe man es nicht mit Flüchtlingen zu tun, die sich spontan | |
| und zufällig dort eingefunden hätten, sagte Tusk im Oktober. „Diese | |
| Aktionen sind paramilitärisch organisiert, und wir beobachten zunehmend, | |
| dass in Syrien und im Iran Gruppen organisiert werden, die nicht nur für | |
| den illegalen Grenzübertritt ausgebildet werden, sondern auch für ein | |
| Verhalten, das wir in der Nato als gefährlich bezeichnen müssen.“ Es gebe | |
| ein ganzes System der Rekrutierung über russische und belarussische | |
| diplomatische Vertretungen in mehreren Ländern, sagte Tusk weiter. | |
| Seit 2021 hat die Regierung in Minsk die Einreise für Menschen aus | |
| Asyl-Herkunftsländern erleichtert, damit diese in die EU weiterziehen | |
| können. Die polnische Grenzschutzbehörde schrieb am vergangenen Donnerstag, | |
| sie habe seit Jahresbeginn rund 30.200 versuchte Grenzübertritte | |
| registriert. Allerdings zählt sie offenbar wiederholte Versuche der | |
| gleichen Person mehrfach. | |
| ## Pro Asyl: Pushbacks „schon lange stillschweigend toleriert“ | |
| Die EU-Grenzschutzagentur Frontex [2][kommt auf wesentlich geringere | |
| Zahlen]: Sie verzeichnete im ersten Halbjahr 2024 insgesamt nur 6.725 | |
| irreguläre Grenzübertritte an der gesamten östlichen EU-Landgrenze, von | |
| Finnland bis Rumänien. 2023 wurden in Polen rund 9.700 Asylanträge gestellt | |
| – ein im EU-Vergleich äußerst niedriger Wert. | |
| Die EU hatte als Reaktion auf die Lage an der polnisch-belarussischen | |
| Grenze ursprünglich klare Regeln eingeführt. Für Fälle der | |
| „Instrumentalisierung“ von Geflüchteten war Ende 2023, als Teil des | |
| gemeinsamen Asylsystems GEAS, eine Krisenverordnung beschlossen worden. Die | |
| legt fest, wie EU-Staaten in solchen Fällen verfahren können. Ankommende | |
| dürfen dann zum Beispiel länger an der Grenze festgehalten werden. | |
| Deutschland hatte das aufgrund humanitärer Bedenken lange abgelehnt. Polen | |
| hatte hingegen schon früh angekündigt, sich nicht an die Verordnung | |
| gebunden zu fühlen. | |
| Anstatt nun etwa eine vorgezogene Umsetzung des GEAS gegenüber Polen | |
| anzumahnen, stützt die Kommission den Kurs Tusks. Sie begründet dies mit | |
| einem Passus in den EU-Verträgen. Darin heißt es, die Rechte der | |
| Mitgliedstaaten zum „Schutz der inneren Sicherheit“ blieben vom EU-Recht | |
| unberührt. | |
| Wiebke Judith von Pro Asyl sagte, die Kommission habe [3][die Pushbacks] an | |
| der polnischen EU-Außengrenze „schon lange stillschweigend toleriert“. Mit | |
| der neuen Linie gebe es offene Unterstützung aus Brüssel „für die | |
| Brutalität der polnischen Grenzschützer und für problematische | |
| Einschränkungen des Asylrechts“. Sie fürchte eine Eskalation der Lage, | |
| deren Leidtragende die Schutzsuchenden sein werden, so Judith. | |
| 17 Dec 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Polen-will-Asylrecht-aussetzen/!6040011 | |
| [2] /Deutsche-Asyldebatte/!6033920 | |
| [3] /Grenzkontrollen-in-Brandenburg/!6022727 | |
| ## AUTOREN | |
| Christian Jakob | |
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