# taz.de -- Was Griechenland wusste: Das tödliche Geschäft des Abu Sultan | |
> Hunderte Menschen starben 2023 beim Schiffbruch von Pylos und | |
> Griechenland steckte neun Überlebende in den Knast. taz-Recherchen | |
> zeigen: Die Justiz wusste, dass sie unschuldig waren. | |
Bild: Rettungswesten in Erinnerung an die Opfer des Schiffsunglücks vor der gr… | |
Sa’edia Adel erinnert sich an den Moment, als sie erfuhr, dass das Boot mit | |
ihrem Sohn Ahmed vor der Küste von Pylos, Griechenland, gekentert war. „Ich | |
habe geschrien, ich konnte es nicht glauben. Wir haben im Internet nach | |
Bildern von Überlebenden und Toten gesucht,“ sagt sie. | |
Ahmed Adel war damals 32 Jahre alt, hatte seine Frau und seine drei kleinen | |
Kinder zurückgelassen, um in Europa Arbeit zu suchen. Das vierte Kind war | |
zuvor an einer Lungenkrankheit gestorben, berichtet die Familie, als wir | |
sie in einem kleinen Dorf im Gouvernement Al-Sharqia, im Umland von Kairo, | |
treffen. Sie habe sich die medizinische Behandlung nicht leisten können. | |
Und so setzte sie ihre Hoffnungen auf Ahmed Adels Reise. | |
Rund 750 Menschen sollen am 9. Juni 2023 an Bord eines Fischtrawlers aus | |
dem ostlibyschen Tobruk losgefahren sein, Ziel: Italien. Am 14. Juni 2023 | |
sank das Schiff an einer der tiefsten Stellen des Mittelmeeres, rund 70 | |
Kilometer südwestlich der griechischen Stadt Pylos. Es war eines der | |
schwersten Schiffsunglücke im Mittelmeer überhaupt. [1][Bis zu 650 Menschen | |
ertranken.] | |
Als Sa’edia im Netz nach Informationen über das Unglück suchte, fand sie | |
ein Bild von Ahmed. Er lebte. Nur saß er in einem griechischen Polizeiauto, | |
mit den Händen schirmte er sein Gesicht ab. In den Stunden nach dem Unglück | |
versuchten die griechischen Behörden Schuldige für die Katastrophe zu | |
finden. Neun ägyptische Männer, darunter Adel, wurden aus der Gruppe der | |
104 Überlebenden herausgegriffen und verhaftet. Die „Pylos 9“ wurden | |
beschuldigt, Teil eines Schlepperrings zu sein, der die Reise organisiert | |
hatte. | |
## Unschuldige in Haft | |
Doch schon bald gab es Hinweise darauf, dass die Beschuldigten keine | |
Schlepper, sondern einfache Passagiere waren. Ihnen war ein Job in Europa | |
versprochen worden, um sie vom Kauf eines der teuren Plätze auf dem Schiff | |
zu überzeugen. [2][Eine monatelange Untersuchung unter der Leitung des | |
griechischen Investigativmediums Solomon und des Netzwerks Arab Reporters | |
for Investigative Journalism in Zusammenarbeit mit El País und der taz] | |
ergab, dass die griechischen Behörden schon früh wussten, dass die „Pylos | |
9“ unschuldig waren, sie aber fast ein ganzes Jahr in Untersuchungshaft | |
behielten. | |
Das Recherchenetzwerk konnte mehr als 700 Seiten Dokumente der ägyptischen | |
Staatsanwaltschaft, des Außen- und Innenministeriums einsehen. In ihnen | |
sind die Ermittlungen der ägyptischen Behörden gegen den Schlepperring | |
dokumentiert, der die Überfahrt der Migrant:innen wirklich organisiert | |
hat. Die Ägypter kamen zu dem Schluss, dass die „Pylos 9“ nicht Mitglieder | |
des Schlepperrings, sondern dessen „Opfer“ waren, wie es in den Akten | |
heißt. | |
Die Behörden übermittelten Griechenland dazu einen detaillierten Bericht. | |
Die tatsächlichen mutmaßlichen Schlepper und ihre Rollen innerhalb eines | |
kriminellen Netzwerks sind darin benannt. Bereits im Juli 2023, nur einen | |
Monat nach dem Schiffbruch, hatten die griechischen Behörden demnach Zugang | |
zu diesen Informationen, die die „Pylos 9“ entlasteten. Dennoch blieben sie | |
in Haft und mussten mit lebenslangen Gefängnisstrafen rechnen. | |
Sie wurden erst freigelassen, als sich das Gericht im griechischen Kalamata | |
am 21. Mai 2024 für unzuständig erklärte. Es weigerte sich, den Fall zu | |
verhandeln, weil der Schiffbruch in internationalen Gewässern stattgefunden | |
hatte. | |
## Ägypten ermittelt allein | |
Die Dokumente geben einen seltenen Einblick in das transnationale | |
kriminelle Netzwerk hinter dem tödlichen Schiffsunglück. Es operiert in | |
ganz Ägypten und Libyen und beutet Migrant:innen aus, indem es ihnen | |
Plätze auf unsicheren Schiffen verkauft. Große Geldsummen wäscht es über | |
Schattenfirmen. Sichtbar wurde all dies auch in den Pylos-Ermittlungen der | |
ägyptischen Behörden, die unter anderem bei Razzien Bargeld und | |
Namenslisten von Migrant:innen beschlagnahmten. | |
Schon am Tag nach dem Schiffbruch des Trawlers leitete die ägyptische | |
Generaldirektion für die Bekämpfung von Menschenhandel eine Untersuchung | |
ein. Sie gab dem Fall oberste Priorität. Die ägyptischen Behörden | |
identifizierten zunächst 31 Verdächtige aus den Reihen des | |
Schleppernetzwerks. Die Verhaftung eines rangniedrigen Mitglieds ergab | |
Hinweise auf fünf weitere Personen. Die Liste der Männer, die Ägypten | |
verdächtigte, die Reise des Trawlers organisiert zu haben, wuchs somit auf | |
36 Namen an. | |
Am 8. Juli 2023 dann legte die ägyptische Staatsanwaltschaft erste | |
Ergebnisse vor. Sie bat Griechenland um Zusammenarbeit, „um die Wahrheit | |
über dieses Verbrechen ans Licht zu bringen“, wie es in einem an | |
Griechenland gesandten Memo hieß. Die ägyptischen Behörden lieferten darin | |
detaillierte Informationen über den Schlepperring, die Rollen der | |
Mitglieder und eine Liste der in Griechenland im Knast sitzenden „Pylos 9“. | |
Die Ermittler:innen baten Griechenland um ihre Erkenntnisse – und um | |
Aussagen von Überlebenden. Doch bis Ende August 2023 kam keine Antwort aus | |
Athen. Ägypten legte nach, schickte eine „dringende Folgeanfrage“, bat um | |
Informationen, um „die wahren Täter“ zu finden. In dieser zweiten Anfrage | |
benannte sie auch, dass die ägyptische Staatsanwaltschaft zu dem Schluss | |
gekommen war, dass es keine Verbindung zwischen den „Pylos 9“ und dem | |
Schleppernetzwerk gab. Doch die griechischen Behörden reagierten nicht. | |
## Razzia in der Luxusvilla | |
In der Zwischenzeit hatten die ägyptischen Behörden gehandelt: 23 der 36 | |
identifizierten Verdächtigen wurden bis Mitte Juli 2023 in Ägypten | |
verhaftet. Die übrigen 13 flohen nach Libyen. | |
Die Justizdokumente, die die taz einsehen konnte, geben einen Einblick in | |
die Operation: Demnach verhaftete die ägyptische Polizei am 14. Juli bei | |
einer Razzia in einer Luxusvilla im Badeort Al-Agami nahe Alexandria | |
Mohammed Solaiman. Er ist die rechte Hand des berüchtigten Abu Sultan, dem | |
Anführer eines der größten Schmugglernetzwerke Nordafrikas. | |
Solaiman hatte neben Bargeld auch Verträge für Immobilien, die nach dem | |
Schiffbruch gekauft worden waren, bei sich. Die Ermittler:innen fanden | |
ein Notizbuch mit den Namen von 146 Migrant:innen, die an Bord des Trawlers | |
waren. Aufgelistet war, dass pro Passagier ein Betrag von 140.000 | |
ägyptischen Pfund, umgerechnet rund 2.790 Euro, bezahlt wurde. | |
Ein weiterer Verdächtiger namens Hassan Al-Badawy wurde in seinem Haus in | |
Metoubas, etwa zwei Stunden östlich von Alexandria, festgenommen. Ein | |
weiterer Verdächtiger aus Metoubas war bereits geflohen, als die Polizei | |
vor seiner Tür stand. In einer Kiste in seinem Haus fanden die | |
Ermittler:innen über 2,5 Millionen ägyptische Pfund, umgerechnet rund | |
48.000 Euro. | |
## Wer ist Abu Sultan? | |
Al-Badawy bestritt, an dem Schlepperring beteiligt zu sein. Doch auf seinem | |
Telefon fand die Polizei Fotos von Migrant:innen, die an Bord des Trawlers | |
waren, Nachrichten zur Koordinierung der Reise, Telefonnummern von anderen | |
Schleppern und Zahlungsbelege. Bemerkenswert ist, dass Al-Badawy sich nach | |
dem Schiffbruch einer Facebook-Gruppe anschloss, die gegründet worden war, | |
um den Verbleib der Überlebenden von Pylos nachverfolgen zu klnnen. Einen | |
gelöschten Screenshot von einem Beitrag über eine Person, die nach dem | |
Schiffbruch vermisst wurde, konnte die Polizei auf Al-Badawys Telefon | |
wiederherstellen. | |
Das 2017 gegründete Schleppernetzwerk in Ägypten und Libyen hatte sich den | |
europäischen Behörden lange Zeit entzogen. An der Spitze steht der aus | |
Westlibyen stammende Mohammed Saad al-Geheshi alias Abu Sultan. Der | |
libysche Staatsbürger gilt als derart berüchtigt, dass sogar andere | |
Kriminelle sein Pseudonym für ihre illegalen Geschäfte nutzten. | |
Abu Sultans Netzwerk nutzte legal arbeitende Unternehmen, darunter die | |
Personalvermittlungsagentur Al Farahat in der ägyptischen Provinz Gizeh, um | |
seine Aktivitäten zu verschleiern. Einer der „Pylos 9“ wurde mit seinem | |
Vater vor einem Büro der Agentur an dem Tag fotografiert, an dem sie seine | |
Reise bezahlten. | |
Mindestens ein:e Mitarbeiter:in von Al Farahat brachte Migrant:innen, | |
die später mit dem Trawler reisten, etwa zum Flughafen Borg El Arab oder | |
zur ägyptisch-libyschen Grenzstadt Sallum. Von dort wurden Migrant:innen | |
dann nach Libyen weitertransportiert, teils mit Hilfe von Beduinen, die für | |
die Schlepper arbeiteten. In Libyen wurden sie in Lagerhäusern | |
festgehalten, bis ihre Seereise vom Hafen in Tobruk am frühen Morgen des 9. | |
Juni 2023 begann. | |
## Abu Sultans Reisen nach Italien | |
Die Schmuggler verkauften die Plätze auf dem Trawler offenbar zu drei | |
unterschiedlichen Tarifen – je teurer, desto besser war die Unterbringung | |
auf dem Schiff. Die 140.000 ägyptischen Pfund, rund 2.700 Euro, die Ahmed | |
Adel und ein weiterer der „Pylos 9“ zahlten, deutet darauf hin, dass sie in | |
der zweiten Stufe waren, in der die Passagiere auf dem Deck, in der Nähe | |
des Motors, zusammengepfercht wurden. | |
Die Zahlungen wurden über Juweliergeschäfte, Wechselstuben und | |
Immobilienkäufe abgewickelt. Ein Angeklagter gab zu, dass der Schlepperring | |
systematisch billige, unsichere Fischerboote für diese Reisen kaufte. Unter | |
anderem nutzten sie die Vodafone Cash App für die Zahlungen der | |
Migrant:innen. | |
Das Netzwerk präsentierte sich sogar auf Facebook, wo Seiten wie „Mohammed | |
Abu Sultan für Reisen nach Italien“ in arabischer Sprache Arbeitsplätze in | |
Europa versprach. Zu dem Schleppernetzwerk gehörten Fahrer, Bauern und | |
sogar ein Anwalt, die alle unterschiedliche Aufgaben hatten: vom Kassieren | |
der Zahlungen bis hin zur Koordination der Logistik. Das Netzwerk täuschte | |
die Migrant:innen, nutzte ihre Verzweiflung aus – und machte dabei | |
erhebliche Gewinne. | |
Aus Zahlungsaufzeichnungen sowie aus Sprach- und Textnachrichten zwischen | |
den Familien zweier Beschuldigter der „Pylos 9“ mit Mitgliedern des | |
Netzwerks von Abu Sultan, die Journalist:innen einsehen konnten, ergibt | |
sich, dass die Männer für ihre Reisen bezahlt, diese aber nicht als | |
Schleuser organisiert haben. Aus den Dokumenten geht auch hervor, dass sie | |
vor der Abfahrt aus Tobruk in libyschen Lagern festgehalten wurden. | |
## Schuldig: Die griechische Regierung | |
Am 30. August 2023 lud die ägyptische Staatsanwaltschaft einen | |
Abteilungsleiter der Direktion für die Bekämpfung des Menschenhandels und | |
der Schleusung von Migrant:innen des Innenministeriums vor. Der Beamte | |
sollte Auskunft zu den Ermittlungen gegen das Schleppernetzwerk geben. Aus | |
den Akten geht hervor, dass die Staatsanwaltschaft bei dem Treffen explizit | |
fragte, ob die „Pylos 9“ zum Schleppernetzwerk gehörten. | |
Die Antwort des Ministerialbeamten: Die neun in Griechenland inhaftierten | |
Überlebenden seien „Opfer“ – keine Täter, keine Verdächtigen. Es gebe … | |
gegenteiligen Hinweise. Die Schlepper hätten ihnen falsche Versprechungen | |
für Arbeitsmöglichkeiten in Europa gemacht und ihre Reise organisiert. Das | |
bestätigten auch die in Ägypten festgenommenen Schlepper selbst: Sie | |
bestritten gegenüber der Polizei Verbindungen zwischen den „Pylos 9“ und | |
ihrem Netzwerk. | |
Aus den Akten ergibt sich, dass das griechische Justizministerium diese | |
Informationen der ägyptischen Behörden sogar an die Staatsanwaltschaft in | |
Kalamata weiterleitete, die gegen die neun Überlebenden ermittelte. | |
Griechenland wusste seit Juli 2023, dass die im Gefängnis von Nafplion | |
sitzenden „Pylos 9“ keine Schlepper waren. Trotzdem erhoben die | |
Staatsanwälte Anklage wegen Schleuserei, illegaler Einreise nach | |
Griechenland, Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und | |
Verursachung eines tödlichen Schiffsunglücks. | |
Wider besseres Wissen: Eine [3][Recherche von Solomon] und weiteren Medien, | |
die mit dem Journalistenpreis des EU-Parlaments ausgezeichnet wurde, hatte | |
schon Ende 2023 ergeben, dass durch Versäumnisse der EU-Grenzschutzagentur | |
Frontex und griechischer Behörden mehrere Möglichkeiten zur Rettung der | |
Menschen auf dem Trawler ungenutzt blieben. Aussagen der Überlebenden | |
deuteten zudem darauf hin, dass die Versuche der griechischen Küstenwache, | |
den Trawler abzuschleppen, letztlich zum Untergang führten. Die griechische | |
Küstenwache bestreitet allerdings bis heute, dass sie versucht hat, den | |
Trawler abzuschleppen. | |
## Systematische Kriminalisierung | |
Zwischen Ende August und Ende September 2023 antwortete Griechenland | |
endlich auf die ägyptische Bitte um Kooperation – und lehnte das Ersuchen | |
ab. Eine Kooperation sei „zum jetzigen Zeitpunkt“ nicht möglich, der Fall | |
sei „an das zuständige Gericht verwiesen“ worden. Ob Griechenland nach | |
September 2023 seine Meinung dazu änderte und mit den ägyptischen Behörden | |
zusammengearbeitete, ist offen. Presseanfragen dazu blieben unbeantwortet. | |
Es handelt sich bei dem Fall nicht um ein tragisches Justizversagen | |
Einzelner. Er zeigt vielmehr erneut, dass Griechenland systematisch | |
Flüchtlinge als Kriminelle hinstellt – und gleichzeitig die für seine | |
Behörden oft nur schwer greifbaren Schleppernetzwerke ignoriert. | |
„Dieser Fall passt zweifellos in das Muster der Kriminalisierung von | |
Menschen auf der Flucht, bei dem einzelne Personen zu Sündenböcken gemacht | |
werden“, sagt Ioanna Begiazi vom Human Rights Legal Project. Die auf der | |
Insel Samos ansässige NGO beobachtet Verfahren, in denen Flüchtlinge nach | |
ihrer Ankunft in Griechenland als Schlepper angeklagt werden. Das komme | |
„fast täglich“ auf den Ägäisinseln sowie auf dem Festland vor, sagt | |
Begiazi. | |
Ihre Organisation hatte die Anwält:innen der „Pylos 9“ unterstützt. Für | |
Begiazi belegt der Fall die „dringende Notwendigkeit, gegen die | |
unrechtmäßige Kriminalisierung von Asylbewerbern in Europa vorzugehen“, | |
sagt sie. Die Anklage von Überlebenden wie den „Pylos 9“ lenke die Schuld | |
von den Behörden ab, „deren Versäumnisse und bewusste Entscheidungen zu dem | |
tödlichen Schiffbruch geführt haben“, so Begiazi. | |
## Spätes Mutterglück | |
Am Montag, den 5. Februar 2024, – sieben Monate nach dem Schiffbruch – | |
verhandelten ägyptische Richter in Wadi el-Natrun, auf halber Strecke | |
zwischen Alexandra und Kairo, gegen 36 Angeklagte. Die Justiz warf ihnen | |
vor, als Teil des Schleppernetzwerks von Abu Sultan für die | |
Pylos-Katastrophe verantwortlich zu sein. 23 der Angeklagten waren im | |
Gericht anwesend, die übrigen 13 waren vor ihrer Verhaftung getürmt. | |
Das Verfahren endete mit harten Strafen: Elf der Angeklagten, darunter der | |
Anführer Abu Sultan selbst, allerdings in Abwesenheit, wurden zu | |
lebenslanger Haft und Geldstrafen von jeweils 5 Millionen ägyptischen Pfund | |
– umgerechnet etwa 94.000 Euro – verurteilt. 16 weitere bekamen jeweils | |
fünf Jahre Haft und Geldstrafen von umgerechnet 19.000 Euro. | |
Fast ein Jahr lang wartete die Familie von Ahmed Adel in ihrem Dorf im | |
ägyptischen Gouvernement Al-Sharqia auf Nachrichten über sein Schicksal in | |
Griechenland und die Pläne der Justiz für den Prozess. Es war eine Zeit | |
voller Trauer und Ungewissheit. Adels Mutter hatte wenig Hoffnung. | |
Als sie schließlich die Nachricht von Adels Freispruch erhielt, ließ sie | |
ihrer Erleichterung auf der Straße freien Lauf. Sie lief auf die Straße und | |
rief: „Mein Sohn wurde freigesprochen!“ Sie legte die schwarze | |
Trauerkleidung ab, die sie elf Monate lang getragen hatte, und kaufte | |
Getränke, um mit den Nachbarn zu feiern. Später bereitete sie in der | |
winzigen Küche der Familie Milchreis zu – ein traditionelles ägyptisches | |
Gericht, das zu Anlässen wie Hochzeiten oder Geburten serviert wird. Für | |
Adels Familie symbolisierte es mehr als nur Freude: Es markierte das Ende | |
einer Tortur und die Hoffnung auf einen Neuanfang. | |
## Keine Reue, keine Entschädigung | |
Eine Woche zuvor, am 14. Mai 2024, hatte ein ägyptisches Berufungsgericht | |
in der Stadt Tanta mit einer Ausnahme die Urteile gegen die Schlepper vom | |
Februar 2024 bestätigt. | |
Von den neun Schleppern, die bei der Verhandlung im Februar im ägyptischen | |
Wadi el-Natrun aus Mangel an Beweisen freigesprochen worden waren, wurden | |
drei später wegen Beteiligung an der kriminellen Vereinigung verurteilt. | |
Die 13 untergetauchten Beschuldigten, darunter Abu Sultan, sind weiterhin | |
auf freiem Fuß. | |
Ende November 2024 wies das Gericht in Kalamata einen Antrag der „Pylos 9“ | |
auf Entschädigung für die fast einjährige Haftzeit ab. | |
Der Autor Stavros Malichudis war Teilnehmer des [4][taz Panter Workshops] | |
der taz Panter Stiftung zur [5][EU-Migrationspolitik] im Mai und Juni 2024. | |
10 Dec 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Nach-dem-Bootsunglueck-vor-Griechenland/!5937697 | |
[2] https://ecre.org/greece-greek-authorities-accused-of-yet-another-maritime-p… | |
[3] https://wearesolomon.com/mag/format/feature/it-was-already-too-late-frontex… | |
[4] /Projekt-zur-Migration-in-die-EU/!vn6014143/ | |
[5] /EU-Migrationsprojekt-2024/!6008673 | |
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