# taz.de -- Matheleistungen an Grundschulen: Ein Viertel kann nicht richtig rec… | |
> Die Timss-Studie zeigt: In Mathe und Naturwissenschaften haben sich | |
> deutsche Schüler:innen nicht verschlechtert. Das ist noch die beste | |
> Nachricht. | |
Bild: Hängen hinterher: Deutschlands Schüler:innen schneiden im Vergleichstes… | |
Berlin taz | Die Leistungen deutscher Viertklässler:innen in Mathe und | |
Naturwissenschaften haben sich [1][im Vergleich zu 2019] nicht | |
verschlechtert. Das zeigt die internationale Studie Timss 2023, die am | |
Mittwoch in Berlin vorgestellt worden ist. | |
Aus Sicht des nationalen Studienleiters Knut Schwippert von der Universität | |
Hamburg ist das ein positives Ergebnis: „Wir hatten ehrlich gesagt damit | |
gerechnet, dass sich die Leistungen verschlechtern würden.“ Als Grund führt | |
Schwippert die coronabedingten Schulschließungen an, die die getesteten | |
Schüler:innen in der ersten und zweiten Klasse getroffen hätten. „Vor | |
diesem Hintergrund werten wir die Ergebnisse als sehr positiv.“ | |
Zu dieser Bewertung kommen auch die für Schulpolitik zuständigen Länder. | |
Die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) etwa | |
bezeichnete die Ergebnisse angesichts der monatelangen Schulschließungen | |
als einen „Erfolg“, der „nicht zwingend zu erwarten“ gewesen wäre. Die | |
Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), Christine Streichert-Clivot, | |
sprach von einer „sehr guten Nachricht“. | |
Zuvor hatten mehrere Grundschulstudien wie der [2][IQB-Bildungstrend] oder | |
[3][Iglu] deutliche Leistungsabfälle festgestellt. Hubig, die in der KMK | |
die SPD-geführten Länder vertritt, dankte deshalb den Lehrkräften, die sich | |
„offensichtlich in besonderem Maß eingesetzt“ hätten, um die Lernrückst�… | |
aufzuholen. | |
## Pandemie gut weggesteckt | |
Insgesamt sind damit zumindest die Matheleistungen seit 2007, als | |
Deutschland das erste mal an Timss teilgenommen hat, konstant geblieben. | |
Die Autor:innen der Studie betonen, dass in diesem Zeitraum die Anteile | |
der Schüler:innen „mit besonderen Unterstützungsbedarfen“ (von 3 auf 6 | |
Prozent) sowie von Schüler:innen mit Migrationsgeschichte (von 28 auf 40 | |
Prozent) jeweils stark gestiegen sind und die Schulen damit vor zusätzliche | |
Herausforderungen gestellt hätten. Die konstant gebliebenen | |
Mathe-Kompetenzen seien auch deshalb erfreulich, so Schwippert. | |
Die übrigen Befunde geben jedoch wenig Anlass zur Freude: allen voran die | |
seit 2007 anhaltend große Gruppe leistungsschwacher Schüler:innen. In Mathe | |
hat auch heute jedes vierte Kind zum Ende der Grundschule Probleme mit | |
einfachen Rechen- und Anwendungsaufgaben, in den Naturwissenschaften ist es | |
mittlerweile sogar jedes dritte Kind. An weiterführenden Schulen werden | |
diese Schüler:innen „erhebliche Schwierigkeiten“ haben, warnt die | |
Studie. | |
Zum Vergleich: In den Timss-Spitzenländern Singapur, Taiwan und Südkorea | |
liegt der Anteil der abgehängten Schüler:innen in Mathe zwischen 3 und 7 | |
Prozent. Umgekehrt gehören bis zu 50 Prozent der Kinder in diesen Ländern | |
zu den leistungsstarken Schüler:innen, in Deutschland ist diese Gruppe in | |
Mathe zwar leicht gewachsen, aber mit 8 Prozent immer noch relativ klein. | |
Sorge bereitet den Studienautor:innen vor allem, dass die Leistungen | |
wie in kaum einem anderen Land von der sozialen Herkunft abhängen. Ein | |
Befund, der sich seit dem ersten „Pisa-Schock“ vor gut 20 Jahren im | |
Wesentlichen nicht verändert hat. So stellt auch die Timss-Studie 2023 | |
fest: Kinder aus Familien mit mehr als 100 Büchern zu Hause – was als | |
Indikator für die Bildungsaffinität gilt – haben in Mathe in Klasse vier | |
bereits einen Vorsprung von etwa einem Lernjahr. Ähnlich hoch fällt der | |
Leistungsunterschied zwischen Schüler:innen aus, deren Eltern in | |
Deutschland – und jenen, deren Elternteile beide im Ausland geboren sind. | |
Auch dieser Zusammenhang hat sich seit 2007 kaum verbessert. | |
## KMK hat einiges vor | |
„Es ist uns nicht gelungen, das Problem in den letzten 20 Jahren in den | |
Griff zu kriegen und alle Kinder so gezielt zu fördern, dass wir die | |
ungleichen Startchancen ausgleichen konnten“, sagte Rainer Schulz, der im | |
Hamburger Senat als Staatsrat für Schule und Berufsbildung zuständig ist. | |
Schulz verwies aber darauf, dass Bund und Länder zwei wertvolle Programme | |
gestartet hätten, die genau dort ansetzen. | |
Von dem [4][Startchancen-Programm], das in den nächsten zehn Jahren 4.000 | |
sogenannte Brennpunktschulen unterstützt, sollen Schüler:innen aus | |
sozial benachteiligten Familien profitieren. Das 2023 angelaufene Programm | |
„QuaMath“ soll Lehrkräfte für einen besseren Matheunterricht qualifiziere… | |
KMK-Präsidentin Streichert-Clivot hält das für einen „wichtigen Schritt“… | |
die richtige Richtung. Der Anteil auf den unteren Leistungsstufen sei ihr | |
aber „immer noch deutlich zu hoch. Hier müssen wir uns weiter engagieren.“ | |
Auch Bildungsministerin Hubig appelliert an ihre Amtskolleg:innen: „Alle | |
Bundesländer sind hier gefordert, weitere Anstrengungen zu unternehmen, mit | |
dem jetzigen Zustand dürfen wir uns niemals zufriedengeben.“ | |
Um die Basiskompetenzen an Grundschulen zu stärken, haben sich die Länder | |
im April bereits auf eine verbindliche Anzahl an Mathe- und Deutschstunden | |
geeinigt. Die KMK hat jedoch noch weitere Pläne: Laut Schulz soll ab 2025 | |
bundesweit zum Eintritt in die Grundschule der Leistungsstand aller Kinder | |
erhoben werden – idealerweise schließt daran eine individuelle Förderung | |
an. | |
## Mehr frühe Bildung | |
Lehrerverbandschef Stefan Düll allerdings fordert eine verpflichtende | |
Sprachförderung bereits vor der Einschulung, wie es bislang nur in einigen | |
Ländern wie Hamburg der Fall ist. Die sei nötig, sagte Düll der taz, um | |
auch in Mathe und in Naturwissenschaften von Klasse eins an | |
„Erfolgserlebnisse“ haben zu können. | |
Bildungsforscher:innen wie Kai Maaz betonen schon länger, dass | |
[5][Kitas eine große Rolle beim Abbau der Chancenungleichheit] spielen | |
könnten – sofern sie personell besser ausgestattet würden. Eine ebenfalls | |
am Mittwoch veröffentlichte Studie der Bertelsmann Stiftung macht jedoch | |
wenig Mut: An Kitas arbeiten demnach immer weniger Fachkräfte. | |
4 Dec 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Internationale-Grundschulstudie-Timss/!5730712 | |
[2] /Schule-und-jede-Menge-Fragen/!5887426 | |
[3] /Lesekompetenz-von-Grundschulkindern/!5931934 | |
[4] /Programm-fuer-Brennpunktschulen/!5985968 | |
[5] /Forscher-ueber-Bildungsbericht-2024/!6014705 | |
## AUTOREN | |
Ralf Pauli | |
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