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# taz.de -- Mitgliederzuwachs bei den Grünen: Bereit für die Neuen
> Keine andere Partei gewinnt derzeit so viele Neumitglieder wie die
> Grünen. Diese wollen nun im Neuwahlkampf mitanpacken. Ein Ortsbesuch in
> Cottbus.
Bild: Auch musizieren darf man bei den Grünen: Auftritt beim Landesparteitag a…
Cottbus taz | Zur Begrüßung gibt es einen Schal – in Grasgrün der
Parteifarben, mit einer gelben Sonnenblume darauf. Auf der
Landesdelegiertenkonferenz der Grünen am Samstag in Cottbus wird er den
Neumitgliedern um den Hals gelegt. Er soll sie warm halten, vor allem wohl
im Januar und Februar. Dann, wenn sie mit den Brandenburger Grünen [1][in
den vorgezogenen Bundestagswahlkampf] ziehen sollen.
Einen der Schals hat Oliver Krohn bekommen. Nachdem er sich schon bei den
Landtagswahlen für die Grünen engagierte, ist er jetzt offiziell
beigetreten. „Es ist eine angenehme Atmosphäre hier. Das erste Mal seit
Langem, dass ich Hoffnung schöpfe“, sagt der Mittvierziger aus dem
Landkreis Dahme-Spreewald. Zuvor war er eigentlich an der Linken
interessiert, doch nach deren Zersplitterung orientierte er sich um. Für
die Verkehrswende und für mehr soziale Gerechtigkeit ist Krohn jetzt hier
und will auch beim kommenden Wahlkampf mit dabei sein: „Plakate hängen,
Präsenz zeigen“.
Wie Krohn wollen sich derzeit viele politisch engagieren: Seit dem 6.
November, dem [2][Tag des Ampelkollapses], melden alle Parteien Zuwächse
bei ihren Mitgliederzahlen. Laut Handelsblatt zählt die SPD derzeit 2.500
neue Online-Mitgliedsanträge, die FDP meldete Mitte November 2.000. Beim
CDU-Bundesverband sind nach eigener Aussage mehr als 1.000 Anträge auf
Mitgliedschaft eingegangen. Die meisten Neueintritte seien aber dezentral
in den Kreisverbänden erfolgt. Bei den Linken sind es sogar 4.860
Mitgliedsanträge.
Nirgends jedoch ist der Zuwachs so stark wie bei den Grünen. 20.000
Neuzugänge bundesweit [3][hat die Partei im November verzeichnet] – ein
Rekordmonat. Das spüren sie auch in Brandenburg. Hunderte sind in den
vergangenen Wochen zu dem vergleichsweise kleinen Landesverband
hinzugekommen. „Wir sind jetzt rund 3.300 Mitglieder“, verkündet
Landesvorsitzende Alexandra Pichl stolz. Den Brandenburger Landesverband
freut das besonders. Nach drei Wahlkämpfen für Kommunal-, Europa- und
Landtagswahl [4][sind die Batterien in vielen Kreisverbänden leer], die
Landespartei seit September nur noch in der außerparlamentarischen
Opposition.
## Statements am besten in 10 Sekunden
Um Schwung für den Bundestagswahlkampf zu bekommen, setzen die Grünen am
Samstag in Cottbus auf politische Schwergewichte wie die ehemalige
brandenburgische [5][Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher] und
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock. Baerbock wird später noch mit rund
92 Prozent auf den Spitzenplatz der Brandenburger Landesliste gewählt. In
ihrer Rede fordert sie mehr Anstand ein: „Wir werden uns an einem
Wahlkampf, der darauf abzielt, den demokratischen Mitbewerber kleinzumachen
und im Zweifel sogar mit Dreck zu bewerfen, nicht beteiligen.“
Während unten aus dem Saal der Baerbock-Applaus schallt, geht es oben im
Foyer der Stadthalle noch um Grundlegendes: Wie mache ich Haustürwahlkampf?
Wie spreche ich die Leute auf der Straße an? Rund ein Dutzend Menschen sind
zum Wahlkampf-Workshop für Neumitglieder gekommen. Im Stuhlkreis sitzt ein
typischer Querschnitt politisch Engagierter: Student:innen,
Neurentner:innen und ein paar dazwischen. Sie sind hier wegen des
Klimaschutzes, des Rechtsextremismus, der Ukraine oder der Wirtschaft. Die
Werte und die Haltung, die die Grünen zeigten, seien authentisch, mit denen
könne man sich identifizieren, sagt eine Frau. Andere nicken.
In den nächsten zwei Stunden üben sie, diese Werte auch rüberzubringen. Und
das am Besten kurz und knackig, in 60, in 30 oder sogar nur zehn Sekunden.
Im Gespräch mit Menschen, die noch nie Grün gewählt haben und jenen, die es
schon lange tun. Persönlich bleiben, von sich selbst erzählen, damit sei
man auf der sicheren Seite, so der Workshopleiter und versucht die Sorge zu
nehmen, eine Frage nicht beantworten zu können.
Der ausgefüllte Mitgliedsantrag von Margit Schad und ihrem Ehemann Joachim
Dietrich aus Erkner ist gerade mal einen Tag alt. Warum sie ausgerechnet
jetzt eingetreten sind, wo die Grünen doch eigentlich viel Unmut für ihre
Politik auf sich ziehen? „Ich wollte nicht weiter zugucken und jetzt ist
eben Bundestagswahl“, sagt Schad. Sie sei zwar enttäuscht gewesen von der
grünen Parteipolitik. Doch es zeige eben, dass die Grünen bereit seien für
Kompromisse. Nur so könne man politisch erfolgreich sein. Erstmal will das
Ehepaar jetzt den eingeschlafenen Ortsverband aufmischen.
Auch Henrik aus Cottbus will die Werte der Grünen nach draußen tragen. Der
16-jährige Schüler ist früher in Burg auf die Schule gegangen, hat dort
Erfahrungen mit Rechtsextremismus gemacht. „Es geht um Zugehörigkeit“, so
Henrik. Bei den Grünen zu sein, sei ein Statement.
## Drohende Angriffe im Wahlkampf? „Bisschen nervös“
Ein Statement, dass aber nicht immer ungefährlich ist. Insbesondere Grüne,
SPD und Linke hatten beim Wahlkampf im vergangenen Jahr immer wieder
[6][mit verbalen und körperlichen Übergriffen] zu kämpfen. Auch das ist
Thema beim Workshop. Die Tipps: direkte Ansprache, das Aufzeigen von
Grenzen, wenn nötig die Polizei. Den 22-jährigen Eric Schade aus Wildau
macht das „ein bisschen nervös“. Aber es sei ein kleiner Preis, verbal
angegangen zu werden, wenn man für seine Werte offen einstehe, findet er.
Am Nachmittag gibt es dann noch eine kleine Überraschung für die
Neumitglieder. „Annalena“ schaut bei ihnen vorbei, setzt sich zu den
mittlerweile 20 Leuten. Die Außenministerin hat nur fünf Minuten, gleich
ist ihre Bewerbungsrede dran. Zeit für zwei Fragen und ein paar Fotos.
Neumitglied Henrik hatte sich da etwas mehr erhofft – er will einen
Workshop zum Umgang mit Rechtsextremismus organisieren und wollte hören,
was Baerbock ihm dazu rät. „Ich muss sie dazu auf jeden Fall heute noch mal
sprechen.“
1 Dec 2024
## LINKS
[1] /Schwerpunkt-Bundestagswahl-2025/!t5007549
[2] /Bilanz-der-Ampel-Regierung/!6045272
[3] /Parteitag-der-Gruenen/!6046991
[4] /Bundestagswahlkampf-im-Lokalen/!6045902
[5] /Entlassene-gruene-Ministerin-Nonnemacher/!6051027
[6] /Rueckzug-von-Marco-Wanderwitz/!6048121
## AUTOREN
Amelie Sittenauer
## TAGS
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
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