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# taz.de -- Sächsischer Landtag: Eine Mehrheit für Kretschmers Minderheit
> Der sächsische Landtag hat Michael Kretschmer als Ministerpräsidenten
> wiedergewählt. Die AfD scheiterte offenbar mit ihren Tricksereien.
Bild: Zwei Anläufe benötigte Sachsens amtierender Ministerpräsident Michael …
DRESDEN taz | Schon in seiner Antrittsrede richtete Michael Kretschmer am
Mittwochmorgen ein paar dankende Worte an die „verantwortungsvolle
Opposition“, die ihn mit einer absoluten Mehrheit gewählt hatte. Der
CDU-Landesvorsitzende bleibt Ministerpräsident in Sachsen. [1][Obwohl seine
Minderheitskoalition mit der SPD] lediglich über 51 Stimmen im Landtag in
Dresden verfügt, stimmten letztlich im zweiten 69 der 120 Abgeordneten für
ihn. Sie hätten dazu beigetragen, sagte Kretschmer in die Kameras, „dass
wir heute nicht in einem Chaos versinken“. Dabei gestikulierte er mit ein
paar weißen Zetteln in der Hand und fügte hinzu: „Und deswegen ist diese
Wahl heute auch ein Stück weit ein Signal, was in den nächsten Jahren
möglich ist.“
Was nun auf Sachsen zukommt, damit hat der Freistaat keine Erfahrung:
Erstmals regiert ein Ministerpräsident ohne Mehrheit.
Seit der Wahl im September sind sieben Parteien im sächsischen Landtag
vertreten. Die CDU stellt mit 41 der insgesamt 120 Abgeordneten die größte
Fraktion, die zweitmeisten Stimmen hat die AfD mit 40. Auf dem dritten
Platz folgt die BSW-Fraktion mit 15 Stimmen, dann die SPD 10, die Grünen 7,
die Linke 6, und Matthias Berger vertritt die Freien Wähler allein. Trotz
der Auswahl, fand sich keine Mehrheit, die gemeinsam regieren wollte.
Letztlich erarbeiteten CDU und SPD einen gemeinsamen [2][Koalitionsvetrag],
obwohl ihren Fraktionen 10 Stimmen bis zur Mehrheit fehlten. Gespräche mit
den anderen Fraktionen ergaben keine Zusagen für eine stabile Tolerierung.
## Grüne schreiben „Nein“ auf Stimmzettel
Mit dieser Ausgangslage ging Michael Kretschmer am Mittwoch in den ersten
Wahlgang. Neben ihm traten noch zwei weitere Kandidaten an: AfD-Chef Jörg
Urban und Matthias Berger. Beide bekamen weniger Stimmen als der
geschäftsführende Ministerpräsident. Von den 120 Abgeordneten des Landtags
stimmten 55 für ihn. Für Urban stimmten 40 Abgeordnete – vermutlich alle
aus seiner Fraktion. Berger bekam 6 Stimmen.
12 Abgeordnete enthielten sich. Die 7 Abgeordneten der Grünen schrieben
nach eigenen Angaben „Nein“ auf ihre Stimmzettel, um ihre Ablehnung aller
drei Kandidaten zu verdeutlichen. Das machte ihre Stimme ungültig. Als
Landtagspräsident Alexander Dierks den zweiten Wahlgang ankündigte,
applaudierte nur die AfD.
Im zweiten Anlauf überraschten dann gleich zwei Ergebnisse. Zum einen
gewann Michael Kretschmer mit absoluter Mehrheit: Von 120 Mitgliedern
stimmten 69 für ihn. Zum anderen konnte der Freie Wähler Berger seinen
Stimmanteil deutlich ausbauen: Er erhielt nun 39 Stimmen, während AfD-Chef
Urban nur noch eine einzige bekam. Offenbar waren die AfD-Abgeordneten auf
einen Kemmerich-Moment aus. In Thüringen war es 2020 ihren
Partei-Kolleg:innen gelungen, den überrumpelten FDP-Chef Thomas Kemmerich
zum Ministerpräsidenten zu wählen, was eine Regierungskrise zur Folge
hatte. Sachsen blieb das erspart.
Während sich die Grünen nach eigenen Angaben enthielten, stimmten das BSW
und die Linke mehrheitlich für Kretschmer. Beide hoffen darauf, Einfluss
auf die künftige CDU-SPD-Regierung nehmen zu können.
## So weit ist es gekommen: Linke wählen Kretschmer
Sabine Zimmermann sagte nach der Wahl am Rande des Plenarsaals, ihre
[3][BSW-Fraktion] sei übereingekommen, dass eine Regierung für Sachsen
besser sei als keine Regierung, darum hätten sie für Kretschmer gestimmt.
Sie bedauere aber nicht, dass das BSW kein Koalitionsmitglied sei, dafür
habe das Vertrauen gefehlt.
Dass die Linke in Sachsen einen CDU-Ministerpräsidenten mitwählt, gab es
auch noch nicht. Die Umstände hätten ihre Fraktion dazu gebracht, erklärte
Linkenvorsitzende Susanne Schaper. Die Linke hoffe auf eine „neue
politische Kultur“, sagte sie wenige Stunden nach der Wahl in ihrem
Landtagsbüro. Ihre Partei sei jedoch nicht verantwortlich für das
Regierungshandeln der Koalition. „Wir wollen in den
Konsultationsmechanismus mit eingebunden werden.“ In der oppositionellen
Rolle bleibe die Linke weiterhin, etwa beim Thema Migration. Eine klare
Bedingung nennt Schaper noch: „Wenn die AfD hier an Einfluss gewinnt, dann
sind wir raus.“
Mit einschwörenden Worten schloss Michael Kretschmer seine Antrittsrede.
Der „anstrengende Wahlkampf“ sei vorbei, „jetzt geht es darum, diesem Land
eine gute Zukunft zu geben, arbeiten Sie alle mit.“ Bald muss er sich
wieder auf die Suche nach Mehrheiten machen.
18 Dec 2024
## LINKS
[1] /Optionen-fuer-eine-Minderheitsregierung/!6045423
[2] /Koalition-in-Sachsen/!6054892
[3] /BSW-Fraktion-in-Sachsen-steht/!6035695
## AUTOREN
David Muschenich
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