| # taz.de -- Frauen in der ukrainischen Armee: „An der Front sind wir alle gle… | |
| > Satana und Sancho sind zwei von 68.000 freiwilligen Kämpferinnen der | |
| > Ukraine. Das neue Selbstbewusstsein der Frauen hat das Land enorm | |
| > verändert. | |
| Es summt zwischen den Bäumen auf der Lichtung. Die vier Propeller der | |
| schwarzen Drohne haben sich in Bewegung gesetzt, doch noch ruht das | |
| Fluggerät in der Hand eines Soldaten. Er hat den Arm ausgestreckt. Dann | |
| hebt die Drohne sanft ab und schwebt über den Köpfen der Gruppe | |
| ukrainischer SoldatInnen. Das Gerät ist frisch eingetroffen. Ein paar | |
| Minuten zuvor war es noch im Karton. Nun will man testen, ob alles | |
| funktioniert, damit es im Ernstfall an der Front keine Überraschung gibt. | |
| Gesteuert wird der Quadrokopter von einer Soldatin. Sie steht ein paar | |
| Meter entfernt mit dem Controller in den Händen. Satana lautet ihr Rufname | |
| im Funk, eigentlich heißt sie Anya. Sie ist 32 Jahre alt und Drohnenpilotin | |
| in der ukrainischen Armee. „Ich fliege meistens Aufklärungsdrohnen“, | |
| erzählt sie, „solche wie diese und ein etwas größeres Modell.“ | |
| Satana ist eine von mehr als 68.000 Soldatinnen in der ukrainischen Armee. | |
| Wie alle anderen, hat sie sich freiwillig gemeldet. Die Wehrpflicht gilt in | |
| der Ukraine nicht für Frauen. In manchen Regionen seien fast die Hälfte der | |
| Freiwilligen Frauen, meldete jüngst das Verteidigungsministerium. Ihnen | |
| kommt in der Armee eine wachsende Bedeutung zu – nicht nur zahlenmäßig, | |
| sondern auch was das Aufgabenprofil angeht. Allein 5.000 seien an der | |
| Front. Und auch in der Wirtschaft nehmen Frauen wegen des Kriegs neue | |
| Rollen ein. Was hat das für Folgen? | |
| In der Sowjetunion durften Frauen in der Armee nur Köchin oder | |
| Krankenschwestern sein. So blieb es viele Jahre auch in der unabhängigen | |
| Ukraine – jedenfalls auf dem Papier. Als ab 2014 mehr Freiwillige in die | |
| Armee eintraten, stieg auch der Anteil der Frauen. Sie fuhren Panzer, | |
| flogen Flugzeuge, machten eigentlich alles. Nur bezahlt wurden sie | |
| weiterhin wie die Köchinnen in der Kaserne. Bei Verwundungen kam die | |
| erstaunte Frage, wie sich denn die Köchin aus der Kaserne eine | |
| Splitterverletzung zuziehen kann. Schließlich wurden 2018 per Gesetz alle | |
| Positionen auch in Kampfeinheiten für Frauen geöffnet. Doch erst 2023 nahm | |
| beispielsweise die Akademie für Aufklärung und Spezialeinheiten in Odessa | |
| die ersten Studentinnen auf. Inzwischen werben manche Militäreinheiten mit | |
| Plakaten explizit auch um weibliche Freiwillige. | |
| Trotz des hohen Personalbedarfs der Armee muss in der Realität allerdings | |
| weiter um Gleichberechtigung gerungen werden. Die Armee steht nicht | |
| außerhalb der Gesellschaft, schon gar nicht in der Ukraine mit so vielen | |
| Freiwilligen und Wehrpflichtigen. Eine Umfrage des ukrainischen | |
| Sozialforschungsinstituts Rating hatte 2020 ergeben, dass mehr als 80 | |
| Prozent der Befragten der Aussage zustimmten, dass die wichtigste Aufgabe | |
| einer Frau darin bestehe, sich um Haushalt und Familie zu kümmern, während | |
| für Männer die Hauptaufgabe darin liege, Geld zu verdienen. | |
| Allerdings tut sich etwas: Der Frauenanteil im Parlament liegt zwar bei nur | |
| 21 Prozent, doch das ist dreimal mehr als noch vor zwölf Jahren. In diesem | |
| Jahr haben Frauen erstmals mehr Gewerbe angemeldet als Männer. Nach Daten | |
| des Wirtschaftsministeriums verdienten Männer 2021 rund 18,6 Prozent mehr | |
| als Frauen – in etwa dasselbe Niveau wie in Deutschland. Innerhalb von | |
| sechs Jahren war der Gender-Pay-Gap um 7,4 Prozent gesunken. Ob sich diese | |
| Entwicklung fortgesetzt hat, ist unklar. Neuere Zahlen gibt es noch nicht, | |
| aber Indizien. | |
| Die Massenflucht ins Ausland und die Rekrutierung vieler Männer für die | |
| Armee haben den Arbeitsmarkt leer gefegt. Unternehmen werben nun verstärkt | |
| um Frauen bei Jobs, die früher überwiegend von Männern ausgeübt wurden. So | |
| werden etwa Kurse für das Bedienen von Baumaschinen angeboten und | |
| Lkw-Fahrerinnen gesucht. Beim Militär bekommen Frauen wie Männer denselben | |
| Grundsold von rund 750 Euro monatlich. Das ist deutlich mehr als das | |
| Durchschnittseinkommen. Wer an der Front im Einsatz ist, bekommt dreimal so | |
| viel. | |
| Die Einheit von Satana ist in einem Dorf in der Oblast Saporischschja | |
| stationiert. Wo genau, soll nicht veröffentlicht werden. 16 Kilometer seien | |
| es von der Basis bis zur vordersten Linie, erzählen die SoldatInnen. Hier | |
| sei es ruhig. „Beschuss gibt es selten. Höchstens mal mit | |
| Grad-Raketenwerfern“, sagt einer. „Grad“ bedeutet Hagel. Diese | |
| Mehrfachraketenwerfer sind in sowjetischer Zeit entwickelt worden, nicht | |
| sehr zielgenau, können aber schnell bis zu 40 Raketen abfeuern und in bis | |
| zu 20 Kilometern Entfernung eine Fläche von mehreren Fußballfeldern in ein | |
| Inferno verwandeln. | |
| Die Basis ist versteckt. In friedlicheren Zeiten wäre es vielleicht ein | |
| Lost Place. Mehrere ein- und zweistöckige Gebäude sind über ein größeres | |
| Areal verteilt. Die Natur ist hier dabei, die Oberhand zu gewinnen: | |
| Zwischen den leerstehenden Gebäuden wachsen Sträucher und junge Bäume. Ihr | |
| Laub gibt zumindest in der Vegetationszeit etwas Schutz gegen russische | |
| Aufklärungsdrohnen. Zusätzlich sind Tarnnetze gespannt. | |
| Unter so einem Netz haben sich die SoldatInnen eine Sitzecke gebaut. Ein | |
| paar Betonblöcke und Holzbretter sind um einen Tisch aufgestellt. Es gibt | |
| sogar Sitzkissen. Satana und ihre Kollegin mit dem Rufzeichen Sancho, die | |
| im zivilen Leben Oleksandra heißt, haben am Vormittag Pause und Zeit, um | |
| ihre Geschichte zu erzählen. Aber erst mal wird Kaffee gekocht. | |
| Beide sind Drohnenpilotinnen in der 141. Schützenbrigade. Diese Brigade | |
| wurde Anfang 2023 im Westen der Ukraine aufgestellt. Sie ist nur leicht | |
| bewaffnet, ohne eigene Panzer und Artillerie. Ursprünglich sollte sie die | |
| Gegenoffensive im Sommer 2023 unterstützen und befreites Territorium | |
| absichern. Im Frühjahr 2024 wurde sie in die Region Saporischschja verlegt. | |
| ## Veränderungen, die woanders Jahrzehnte gedauert haben | |
| Wie viele andere Einheiten wird auch die 141. Brigade mit Spenden | |
| unterstützt, vor allem die Versorgung der Soldatinnen mit passender | |
| Ausrüstung ist eine Herausforderung. Nach Beginn der Vollinvasion dauerte | |
| es rund anderthalb Jahre, bis die Armee sich überhaupt auf eine | |
| Sommeruniform für ihre Soldatinnen einigte. Doch das Problem geht über | |
| Bekleidung hinaus. Vor einem Jahr sorgte eine Aktion im Zentrum von Kyjiw | |
| für Aufsehen. Die Statue der Großfürstin Olga, einer Regentin der Kyjiwer | |
| Rus, trug plötzlich eine schusssichere Weste. Aktivisten forderten so, dass | |
| die ukrainischen Soldatinnen Schutzausrüstung bekommen, die zum weiblichen | |
| Körperbau passt. | |
| Für die Belange der Soldatinnen setzen sich mehrere Initiativen ein. Eine | |
| davon ist Zemliachky. Die NGO wurde im März 2022 in Kyjiw von der | |
| Journalistin Ksenia Drahaniuk und Andriy Kolesnyk gegründet. „Zunächst | |
| wollte Ksenia über die Probleme ukrainischer Frauen in sozialen Netzwerken | |
| berichten“, erinnert sich Kolesnyk. Doch es habe sich schnell | |
| herausgestellt, dass sie alle Hilfe brauchten. An der Front könne man nicht | |
| einfach Damenhygieneprodukte kaufen und die Armee habe keine gehabt. Dazu | |
| kam ein Mangel an Kleidung und Ausrüstung. So fing man an zu sammeln. | |
| Meist melden sich die Soldatinnen direkt bei der NGO via Instagram. | |
| „Anfangs haben wir 40 Kartons pro Monat geschickt, inzwischen sind es 300 | |
| bis 500 pro Woche. Bisher haben wir rund 25.000 Anfragen bekommen.“ Die | |
| Hilfe sei individuell und gehe immer direkt an die Soldatinnen. Man könne | |
| den Bedarf unbürokratischer decken, als Behörden das könnten, meint | |
| Kolesnyk. „Wir arbeiten mit ukrainischen Herstellern zusammen, um | |
| hochwertige und bequeme Uniformen speziell für Frauen zu nähen.“ | |
| Langfristig sei es natürlich notwendig, dass das Militär | |
| geschlechtsspezifische Beschaffungsprozesse institutionalisiert und | |
| sicherstellt, dass alle SoldatInnen Zugang zu der benötigten Ausrüstung | |
| haben. „Aber kurzfristig soll sich die Regierung darum kümmern, den Krieg | |
| zu gewinnen, um Waffen und Munition. Wir kümmern uns um den Rest.“ Unter | |
| Kriegsbedingungen sei es schwierig, für alle das Passende zu finden. „Wir | |
| reden hier von Veränderungen, die woanders Jahrzehnte gedauert haben.“ Die | |
| US Army habe 1969 angefangen, über Uniformen für Frauen nachzudenken, die | |
| ersten wurden 2009 ausgeliefert. „Verglichen damit sind wir sehr schnell.“ | |
| Trotz der Probleme mit der Schutzausrüstung habe sich das ukrainische | |
| Militär in den vergangenen Jahren enorm entwickelt. „Heute gibt es Frauen | |
| in allen Bereichen: Infanterie, Artillerie, Pilotinnen, Scharfschützinnen. | |
| Es gibt die erste Bataillonskommandeurin“, zählt Andriy Kolesnyk auf. „Aber | |
| natürlich ändert sich eine Armee und eine Gesellschaft nicht komplett | |
| innerhalb von zwei Jahren.“ Frauen würden jedoch zunehmend als wichtiger | |
| Bestandteil der Landesverteidigung wahrgenommen. „Wir versuchen, daran zu | |
| arbeiten, indem wir darüber berichten, was die Soldatinnen leisten.“ | |
| Satana raucht eine der langen dünnen Zigaretten, die in der Ukraine populär | |
| sind. Dann verteilt sie Schokolade. Der Wind bewegt das Laub der Bäume und | |
| erzeugt ein konstantes Rauschen. Das friedliche Rauschen wird immer wieder | |
| aus der Ferne von Artilleriedonner übertönt. Ein Soldat lauscht, sagt: „Das | |
| klingt wie unsere“, und macht eine Handbewegung, die in die andere Richtung | |
| geht. Dorthin, wo die Front ist. | |
| ## Auch das Make-up ist fronttauglich | |
| Satana trägt viel Make-up. Sie fängt selbst an, darüber zu sprechen. „Das | |
| mache ich jeden Tag“, sagt sie. „Nicht nur, weil wir heute Besuch haben.“ | |
| Sie lacht. Obwohl sie in der Armee sei, wolle sie sich hübsch fühlen. Sie | |
| besitzt aber auch anderes Make-up als den leuchtend roten Lippenstift. Auf | |
| ihrem Smartphone zeigt sie Fotos von sich mit brauner und olivgrüner | |
| Tarnschminke im Gesicht. Russland betrachtet die Oblast Saporischschja als | |
| sein Territorium. Im Herbst 2022 hat es die Region nach einem gefakten | |
| Referendum in seine Verfassung aufgenommen. Im Sommer 2023 war hier einer | |
| der Angriffsschwerpunkte der ukrainischen Gegenoffensive. Ohne | |
| Luftunterstützung kam sie nur langsam voran. | |
| In dem Frontbogen ist die 141. Brigade nun im Einsatz. Sie soll einen Teil | |
| des befreiten Gebietes verteidigen. Weil sie über keine schweren Waffen | |
| verfügt, sind Drohnen umso wichtiger. Ihr Einsatz in großer Zahl hat den | |
| Krieg verändert. Die permanente Präsenz von Aufklärungsdrohnen erschwert | |
| jede Bewegung. Die SoldatInnen in den vorderen Schützengräben können nur in | |
| der Dämmerung abgelöst werden, wenn es schon zu dunkel ist für normale | |
| Kameras und noch zu hell für Drohnen mit Nachtsichtgerät. | |
| „Wir suchen uns zum Beispiel einen Keller etwa einen Kilometer hinter der | |
| Frontlinie, um uns zu verstecken“, erzählt Satana. „Von dort lenken wir | |
| unsere Drohnen.“ Die Aufklärungsdrohnen seien die Augen der Kommandeure. | |
| „Es geht darum, gegnerische Stellungen zu finden oder | |
| Angriffsvorbereitungen früh zu erkennen.“ Der Standort müsse aber trotzdem | |
| regelmäßig gewechselt werden, um nicht entdeckt zu werden. Wenn sie | |
| erzählt, wechselt sie vom Ukrainischen ins Russische und zurück. | |
| Vor der Invasion hatte Satana in ihrer Heimatstadt Charkiw ein ganz anderes | |
| Leben: „Zuletzt habe ich als Lehrerin gearbeitet“, erzählt sie. Sie hat | |
| akademische Abschlüsse in Jura, Psychologie und Geschichte. Der inzwischen | |
| 16-jährige Sohn lebt bei den Großeltern. Ihr Mann ist auch in der Armee. | |
| Ihn hat sie seit anderthalb Jahren nicht gesehen. Zunächst sei ihre Familie | |
| schockiert gewesen, als sie entschied, sich zur Armee zu melden. „Doch nun | |
| unterstützen sie mich.“ | |
| „Mein Sohn soll nicht in den Krieg müssen.“ Die Ukraine kämpfe nicht um | |
| Territorium zum Selbstzweck, sondern um eine Zukunft für ihre Kinder. | |
| „Keiner von uns hat eine Zukunft unter russischer Herrschaft“, sagt sie. | |
| „Es geht ums Überleben.“ Die Ukraine gegen Russland zu verteidigen, ist f�… | |
| sie auch eine persönliche Sache. „Mein Bruder ist in Mariupol gefallen.“ | |
| Das, sagt Satana, solle nicht umsonst gewesen sein. | |
| Ihre militärische Karriere verlief nicht geradlinig. Als 2022 die Invasion | |
| begann, sei sie zum Rekrutierungsbüro gegangen. „Die haben mich | |
| weggeschickt.“ Damals meldeten sich viele Männer freiwillig, teilweise mit | |
| militärischer Erfahrung. Die hatte Anya nicht. Sie versuchte es direkt bei | |
| verschiedenen Einheiten – ohne Erfolg. „Immer hieß es: Du hast keine | |
| Ausbildung, keine Erfahrung. Ich sollte warten.“ Anya machte Kurse in | |
| taktischer Medizin und lernte, wie man Minen entschärft. | |
| Nach anderthalb Jahren habe dann das Rekrutierungsbüro in Uschhorod am | |
| anderen Ende des Landes zugestimmt. Nach der Grundausbildung und vierzig | |
| Tagen Training in Großbritannien kam sie zur 141. Brigade und wurde | |
| Sanitäterin. „Sieben Monate habe ich Verwundete evakuiert.“ Dann gab es die | |
| Gelegenheit zu einem Kurs als Drohnenpilotin. „Am Anfang hätte ich mir das | |
| nicht vorstellen können. Aber ich wollte mehr lernen.“ | |
| Dass passende Uniformen fehlen, sieht man beispielhaft bei Sancho. Die | |
| Farben ihrer Uniform passen zur üblichen Farbpalette bei der ukrainischen | |
| Armee: verschiedene Sandfarben mit etwas Oliv. Doch das Muster besteht | |
| nicht aus den üblichen Pixeln. „Die ist aus Großbritannien“, erklärt sie. | |
| Dort hatte auch sie einen Kurs absolviert. „Der Schnitt passt mir besser.“ | |
| Das ist keine Frage des Geschmacks. Eine schlecht sitzende Uniform kann die | |
| Beweglichkeit beeinträchtigen. Im Einsatz kann das gefährlich sein. | |
| ## Traditionelle Geschlechterrollen im Krieg aufbrechen | |
| Sancho ist zehn Jahre jünger als Satana. Im zivilen Leben heißt sie | |
| Oleksandra. „Als die Invasion begann, habe ich gerade meine Bachelorarbeit | |
| geschrieben.“ Am Polytechnischen Institut in Kyjiw, einer der größten | |
| Universitäten des Landes, hat sie Chemie studiert und in einem | |
| Wasserkraftwerk bearbeitet. „Aber in dem Moment wollte ich gleich zur | |
| Armee.“ In ihrer Heimatstadt Kyjiw wurde auch sie vom Rekrutierungsbüro | |
| abgelehnt. Wie bei Satana klappte es dann in Transkarpatien. Ihre Familie | |
| habe ihre Entscheidung verstanden. „Sie war nicht so überrascht, weil ich | |
| schon mal nach der Schule überlegt hatte, auf die Militärakademie zu | |
| gehen.“ | |
| Nach der Grundausbildung wurde sie im Sommer 2023 wegen ihres Studiums | |
| einer Einheit für ABC-Sicherheit zugeteilt. Dabei geht es um das Aufspüren | |
| atomarer, biologischer und chemischer Kampfstoffe. „Aber ich habe erkannt, | |
| dass ich mehr kann.“ So habe sie sich um eine Ausbildung für Drohnenpiloten | |
| beworben. Mit ihrer Qualifikation hätte sie auch im Ausland einen Job | |
| finden können. Das habe sie nicht gewollt. „Ich verurteile niemanden, der | |
| gegangen ist. Aber ich bin in der Lage, meinen Leuten zu helfen.“ Also | |
| mache sie das. Sie habe schon Freunde durch Russlands Krieg verloren. „Ich | |
| will das stoppen. Und ich glaube, dass wir zusammen etwas erreichen | |
| können.“ An eine Zukunft nach einem Ende des Krieges denke sie nicht. „Dazu | |
| müssen wir erst mal am Leben bleiben“, sagt sie. Dann fällt ihr doch noch | |
| etwas ein. Vielleicht könne sie auch später mit Drohnen arbeiten. „In der | |
| Landwirtschaft oder der Vermessung, das könnte ich mir vorstellen.“ | |
| Neben der Frage der Ausrüstung sind sexistische Vorurteile ein Problem. Der | |
| Kyiv Independent berichtete über Vorwürfe, dass Frauen von der Armee nicht | |
| zur Ausbildung ins Ausland geschickt wurden, weil man befürchtete, sie | |
| würden schwanger. | |
| Satana und Sancho sowie weitere Soldatinnen berichten, dass sie in ihren | |
| Einheiten gut behandelt werden. „An der Front sind wir alle gleich“, sagt | |
| Satana. „Die russische Artillerie fragt nicht nach dem Geschlecht.“ Wenn es | |
| Probleme gebe, dann eher mit der Bürokratie und manchen Offizieren, die | |
| schon sehr lange in der Armee seien. Ihr persönlich habe ein Offizier | |
| gesagt, er finde schon eine Aufgabe für sie, die nicht so gefährlich sei, | |
| sagt Satana. „Als Frau müsse ich nicht an die Front. Aber das war ja der | |
| Grund, warum ich hergekommen bin.“ Sie habe sich durchgesetzt, aber das | |
| gelinge vielleicht nicht jeder. | |
| Eine andere Soldatin berichtet von herablassender Behandlung durch einen | |
| Vorgesetzten. Andere Soldaten hätten das bemerkt und protestiert. Der Mann | |
| sei dann versetzt worden. | |
| Bei Zemliachky erwartet man, dass die aktive Kriegsteilnahme so vieler | |
| Frauen auch traditionelle Geschlechterrollen in der Gesellschaft aufbricht | |
| – nicht nur im Militär selbst, sondern darüber hinaus. „Es stellt | |
| traditionelle Erwartungen infrage und beweist, dass Frauen in jeder | |
| Funktion hervorragende Leistungen erbringen können, auch in Rollen, die | |
| normalerweise Männern vorbehalten sind.“ Das Engagement von Frauen stellte | |
| einen Präzedenzfall für künftige Generationen dar. | |
| Ob das wirklich so kommt, ist zunächst Spekulation. Aber es gibt durchaus | |
| Beispiele dafür, dass sich nach Kriegen auch die Geschlechterrollen neu | |
| sortieren. So stieg beispielsweise während des Ersten Weltkriegs die | |
| Erwerbsquote von Frauen in vielen Ländern an und anschließend wurde das | |
| Frauenwahlrecht eingeführt – etwa in den USA und Deutschland. | |
| Im Falle eines russischen Sieges dürfte das ausgeschlossen sein. Der Kreml | |
| vertritt ein äußerst konservatives Rollenverständnis. Putin fordert, dass | |
| jede Frau bis zu acht Kinder gebären solle. Am 12. November stimmte die | |
| russische Staatsduma dafür, die Förderung von „Propaganda für | |
| Kinderlosigkeit“ zu verbieten, und verhängte Geldstrafen gegen diejenigen, | |
| die solche Ansichten öffentlich äußern. Die Formulierung ist vage und | |
| könnte genutzt werden, die Werbung oder den Verkauf von Verhütungsmitteln | |
| ins Visier zu nehmen und das Recht auf Abtreibung weiter einzuschränken. | |
| Nur Mönche sind vom Gesetz ausgenommen. | |
| 28 Nov 2024 | |
| ## AUTOREN | |
| Marco Zschieck | |
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