# taz.de -- Bezahlkarte für Geflüchtete in Berlin: Schwarz-rote Kartenspiele | |
> Die Diskussionen über die Einführung der Bezahlkarte für Geflüchtete | |
> reißen nicht ab. Der Druck auf Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) | |
> wächst. | |
Bild: Hamburg hat die Bezahlkarte als erstes Bundesland Mitte Februar eingefüh… | |
Berlin taz | Der Streit zwischen SPD und CDU über die Einführung der | |
Bezahlkarte für Asylbewerber schwelt weiter. Offiziell mag das Stefan | |
Strauß, der Sprecher von SPD-Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe, zwar nicht | |
bestätigen. „Zurzeit finden intensive und konstruktive Gespräche statt | |
zwischen unserem Haus und der Senatskanzlei“, ist von ihm lediglich zu | |
hören. | |
Doch aus einer noch unveröffentlichten Antwort seiner Senatsverwaltung auf | |
eine parlamentarische Anfrage der Linken-Abgeordneten Elif Eralp geht | |
hervor, dass diese angeblich so konstruktiven Gespräche keine | |
Kaffeeplaudereien sind und die Ausgestaltung der Bezahlkarte im Senat | |
höchst umstritten bleibt. | |
Bekanntlich hatte sich Kiziltepe dafür ausgesprochen, [1][dass Asylbewerber | |
mit der Karte mehr als 50 Euro Bargeld abheben können]. Die CDU und der | |
Regierende Bürgermeister Kai Wegner hingegen beharren mit Verweis auf die | |
Praxis in anderen Bundesländern auf einer 50-Euro-Obergrenze. | |
Die B.Z. hatte vor wenigen Tagen getönt, „Berlins Blockade-Senatorin“ | |
Kiziltepe müsse die Bezahlkarte mit dem 50-Euro-Bargeld-Limit nun | |
„schnellstmöglich“ einführen; zu groß sei der Druck auch aus den eigenen | |
SPD-Reihen, namentlich von [2][Fraktionschef Raed Saleh] und den | |
Landesvorsitzenden Martin Hikel und Nicola Böcker-Giannini. „Davon ist mir | |
nichts bekannt“, sagt der SPD-Abgeordnete Martin Matz zur taz. „Meine | |
Fraktion und ich persönlich stehen hinter Frau Kiziltepe.“ | |
## Forderungen nach Personalaufstockung | |
Zur Wahrheit gehört zudem, dass die Einführung der Bezahlkarte ein | |
umfangreiches Verwaltungshandeln erfordert. So soll die Sozialverwaltung | |
dafür nach Informationen der taz mehr personelle und finanzielle Mittel | |
gefordert haben. Denn für das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten, das | |
personell ohnehin unterbesetzt ist, bedeutet die Karte einen höheren | |
Personalaufwand und dann auch mehr Sachkosten. | |
Darüber hinaus stehen noch mehrere juristische Prüfungen an. Auch das geht | |
aus der Antwort der Sozialverwaltung auf die Anfrage der | |
Linken-Abgeordneten Eralp hervor. „Eine Datenschutzfolgenabschätzung wird | |
durchgeführt und die Berliner Beauftragte für Datenschutz und | |
Informationsfreiheit eingebunden“, heißt es dort. Dieser fachliche | |
Austausch habe bisher noch nicht stattgefunden. | |
Gravierender ist jedoch, dass die beim Senat angesiedelte, gleichwohl | |
unabhängige [3][Ombudsstelle für das Landesantidiskriminierungsgesetz] sich | |
einer Beanstandung der Bezahlkarte durch den Berliner Flüchtlingsrat | |
anschließt. | |
Demnach könnte eine Bargeldobergrenze von 50 Euro für alle Geflüchtete | |
diese gegenüber anderen Hilfeempfängern benachteiligen und damit | |
diskriminieren. Ein „hinreichend sachlicher Grund“ für diese Bargeldgrenze | |
ist aus Sicht der Ombudsstelle nicht erkennbar. Die rechtliche Prüfung der | |
Beanstandung sei aber auch noch nicht abgeschlossen, heißt es weiter. | |
## Kritik vom Flüchtlingsrat | |
Emily Barnickel vom Flüchtlingsrat mahnt, „die verfassungsrechtlich | |
verbriefte Menschenwürde und ihr daran gebundenes Existenzminimum“ dürften | |
„nicht für politische Zwecke verhandelt werden“. Richtersprüche aus ander… | |
Bundesländern hätten gezeigt, dass die Bargeldobergrenze von 50 Euro in | |
Einzelfällen unzulässig sei, sagt sie. | |
Die Sozialverwaltung von Senatorin Kiziltepe mochte sich am Donnerstag im | |
Integrationsausschuss des Abgeordnetenhauses zur Kritik der Ombudsstelle | |
nicht äußern. Von der Grünen-Fraktion nach einer Reaktion gefragt, hieß es | |
von Kiziltepes Staatssekretär Max Landero (SPD), ihm liege das | |
angesprochene Dokument nicht vor. | |
Auch Landero verwies auf laufende Gespräche zur Bezahlkarte – wobei er | |
diese nicht bloß als konstruktiv, sondern auch als kritisch bezeichnete. | |
„Wir haben derzeit keinen Verhandlungsstand, den es zu berichten gibt“, | |
erwiderte Landero Richtung der Grünen: „Das heißt, Sie müssen sich noch ein | |
bisschen gedulden.“ Senatorin Kiziltepe selbst nahm nach Ausschussangaben | |
aus gesundheitlichen Gründen nicht an der Sitzung teil. | |
Der SPD-Abgeordnete Martin Matz lehnt die Bezahlkarte auch vor dem | |
Hintergrund seiner Tätigkeit als Sozialstadtrat von Spandau zwischen 2006 | |
und 2011 ab. Damals hatte der Bezirk Flüchtlingen ihre Sozialleistungen als | |
Gutscheine gewährt. „Das war aufwendig für die Verwaltung. Für die | |
Flüchtlinge ließ sich das ganz einfach umgehen: Wer hinter ihnen an der | |
Kasse stand, konnte mit dem Gutschein bezahlen und dem Flüchtling dann den | |
Barbetrag auszahlen.“ | |
Matz hätte das damals abgeschafft. „Ich verstehe gar nicht, warum Kai | |
Wegner die Bezahlkarte so vorantreibt. Er kommt ja aus Spandau und hat das | |
Dilemma damals miterlebt.“ Klar ist: Der Konflikt wird sich nicht klären, | |
[4][bevor Senatschef Wegner am Wochenende von seiner USA-Reise | |
zurückkehrt]. | |
14 Nov 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Streit-um-Bezahlkarte-in-Berlin/!6041358 | |
[2] /Raed-Saleh-und-die-Vergesellschaftung/!6025453 | |
[3] /Antimuslimischer-Rassismus/!5977823 | |
[4] /American-Football/!6049062 | |
## AUTOREN | |
Marina Mai | |
Stefan Alberti | |
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