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# taz.de -- Ridley Scotts „Gladiator II“: Das alte Rom bekommt ein Upgrade
> Ridley Scott hat einen zweiten Film aus dem Stoff seines
> Monumentalfilm-Hits gedreht. „Gladiator II“ rückt den Machtkampf im
> antiken Rom ins Zentrum.
Bild: Hier wird kräftig intrigiert: Macrinus (Denzel Washington), Marcus Acaci…
Lucius Aurelius Verus hat nur kurz Zeit, pittoresk zwischen Kürbissen zu
knien, dann ruft schon eine nahende römische Flotte nach seiner
Aufmerksamkeit. Fast wichtiger noch: Lucius Aurelius Verus (Paul Mescal)
weiß zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass er der nämliche ist, sondern
heißt einstweilen Hanno.
Er lebt mit seiner Frau, der Bogenschützin Arishat (Yuval Gonen), in einer
unbenannten Stadt in der römischen Provinz Numidia, die in etwa den
Nordosten des heutigen Algeriens umfasste.
Die Verteidiger können die Stadt nicht lange gegen die römische Armee unter
dem General Marcus Acacius (Pedro Pascal) halten. Hannos Frau wird im Zuge
der Eroberung von römischen Bogenschützen getötet, er selbst mit großen
Teilen der Stadtbevölkerung versklavt.
Die Sklaven werden nach Rom verschifft und müssen im antiken Badeort Antium
(heute: Anzio) gegen eine Horde Zähne fletschender Affen um ihr Leben
kämpfen. Als Hanno wider alle Erwartungen einen der Affen töten kann, zieht
er die Aufmerksamkeit von Macrinus (Denzel Washington) auf sich, der eine
Gladiatorenschule unterhält.
Filmstart diese Woche in Europa
Gut 24 Jahre nachdem Ridley Scotts „Gladiator“ im Mai 2000 in die Kinos kam
und gut 23 Jahre nachdem die ersten Pläne für einen zweiten Film aus dem
Stoff entstanden waren, ist dieser zweite Film nun fertig und „Gladiator
II“ startet diese Woche in europäischen Kinos.
Allen, denen weniger an [1][marschierenden römischen Armeen] und Russell
Crowes Hundeblick liegt als an einem Intrigenspiel kombiniert mit einem
Füllhorn von Spektakel und angedeuteten Verbindungslinien in die Gegenwart,
sei schon hier mitgeteilt: „Gladiator II“ ist der bessere Film der beiden.
Als Marcus Acacius im Triumphzug nach Rom zurückkehrt, erwarten ihn die
beiden Kaiser, die im Jahr 211 in Rom herrschten: Caracalla und Geta. Doch
statt Dank und Ruhe erwartet den siegreichen General eine Klinge am Hals
und die Aussicht, sogleich an die nächsten Kriegsschauplätze entsandt zu
werden.
Schon bald sinnen Marcus Acacius und mehr noch seine Frau, Lucilla (Connie
Nielsen), Tochter des Kaisers Marcus Aurelius, der den Protagonisten im
ersten Teil des Films adoptiert hat, auf Umsturz. Aber zunächst soll der
Sieg mehrere Wochen lang mit Spektakeln im Kolosseum gefeiert werden.
Gladiatoren als Werkzeuge
Für Macrinus wiederum sind seine Gladiatoren und insbesondere Hanno, der im
Laufe der Kämpfe im Kolosseum zum Liebling des Publikums aufsteigt,
Werkzeuge, um Zugang zur Machtelite Roms zu erhalten. Bei einem der Kämpfe
Hannos macht die Bildarbeit von „Gladiator II“ deutlich, dass sich,
vermittelt über das Gemetzel unten auf dem Sand, ein Machtspiel zwischen
den beiden Kaisern, den Umstürzler_innen um Marcus Aurelius und Lucilla und
Macrinus abspielt, die alle in unterschiedlichen Beziehungen zu Hannos
Kampf stehen.
„Gladiator II“ ist – anders als scheinbar ursprünglich geplant – wenig…
Pre- oder Sequel als Remake des ersten Films. Allerdings mit einigen
entscheidenden Kniffen des Drehbuchs. So ist die Rolle des Protagonisten
des ersten Films, Maximus Decimus Meridius (Russell Crowe), zu Beginn auf
Hanno und Marcus Acacius aufgespalten. Erst als Hanno herausfindet, dass er
der Sohn von Maximus und Lucilla ist, verbinden sich diese Facetten wieder
in einer Person.
Die Rolle des Besitzers einer Gladiatorenschule, die im ersten Film mit
einem moralischen Wandel gezeichnet wurde, ist nun zu der eines
Machtpolitikers gewendet. War Proximo im ersten Film rein an finanziellem
Gewinn durch die Gladiatoren interessiert, sind sie für Macrinus als
Schwarzer in einer weißen Machtelite eine Möglichkeit, Zugang und Einfluss
zu gewinnen.
Während der erste Film den eher plumpen Zwiestreit zwischen Maximus und dem
Kaiser Commodus als Ringen zwischen Gut und Böse zeigte, wird die Handlung
von „Gladiator II“ von einem multipolaren Intrigenspiel getragen.
Moralischer Verfall
Die größte Schwäche sind nicht die historischen Kleinigkeiten und
Freiheiten, die sich der Film nimmt und die man sich bei Bedarf auf Youtube
von diversen Historiker_innen erläutern lassen kann, sondern ein
Repräsentationsproblem. [2][Scott] zeigt den moralischen Verfall des
römischen Reiches unter Caracalla und Geta auch durch eine Effemination
ihres Umfelds.
Dem ersten Kampf Hannos vor den Kaisern geht der Auftritt eines singenden
Kastraten voraus. Während des Kampfes werden die Kaiser umlagert von
halbnackten Jünglingen gezeigt. Später, bei den Kämpfen im Kolosseum,
erscheint der unterwürfige Zeremonienmeister erneut als sehr weiblich
konnotierter Mann.
Scott stellt in seinem politischen Ringen um die Macht in Rom also ein
blutrünstiges Kaiserpaar, das von Männern umgeben ist, die nach klassischen
Rollenerwartungen wenig männlich wirken, den echten, soldatischen Männern
wie Marcus Acacius und Lucius Aurelius Verus/Hanno gegenüber.
Trotz dieses erheblichen Mankos versucht „Gladiator II“ immerhin – anders
als der erste Film –, den Machtkampf in Rom halbwegs komplex darzustellen,
und in dem Ringen um Realität oder Fiktion des „römischen Traums“ vom
gesellschaftlichen Aufstieg klingen unüberhörbar Parallelen zu den USA der
Gegenwart an.
All dies macht aus „Gladiator II“ aber keinen Politthriller, das Remake des
ersten Films ist vielmehr in Schauspiel, Drehbuch und den Spielen im
Kolosseum ein Upgrade des Spektakelkinos. Nicht mehr, aber auch nicht
weniger.
14 Nov 2024
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## AUTOREN
Fabian Tietke
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