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# taz.de -- Kinotipp der Woche: Der Klang des Holzes
> Deben Bhattacharya war Musikethnologe und bereiste für Tonaufnahmen die
> Welt. Weniger bekannt sind seine Filme: Nun zu sehen im Sinema
> Transtopia.
Bild: Deben Bhattacharya, „Faces of the Forest“ (UK, 1973), 27 min., Engl
Das Gesicht eines Mannes mittleren Alters im Profil, die Haare noch
schwarz, der Bart schon am Ergrauen, der Mann blickt parallel im rechten
Winkel an der Kamera vorbei. Es folgen weitere Gesichter aus einem Dorf der
Santhal-Gemeinschaft im Osten Indiens, in der Nähe der Grenze zu
Bangladesch.
Doch die Bilder sind nur ein Teil des knapp halbstündigen Dokumentarfilms
„Faces of the Forest“ (1973), mit dem Deben Bhattacharya Leben, vor allem
aber Musik und Tanz der Menschen porträtiert: Unter den Gesichtern liegt
synkopierte Perkussion, der man das Holz der Instrumente anhört.
Am Donnerstag und Freitag (23.+24. Januar) stellt der Filmkurator und
-kritiker Arindam Sen im [1][Sinema Transtopia] Ausschnitte aus dem Werk
des indischen Musikarchivars und Feldforschers Bhattacharya vor, der neben
seinen ethnomusikologischen Audioaufnahmen auch begann, Filmaufnahmen zu
machen.
Dabei entstand eine Form des anthropologischen Dokumentarfilms, die der
Ankündigungstext „zwischen den Wochenschauen der britischen Pathé und den
Dokumentarfilmen von Alan Lomax oder John Cohen“ verortet. „Faces of the
Forest“ zum Beispiel ist Teil einer Reihe von Filmen mit dem Titel
„Ungeschriebene Musik des Orients“, produziert von der Firma eines
ehemaligen Schnittmeister der britischen Gaumont Wochenschau.
„Unsere Heimat ist geschmückt mit Wäldern und Hügeln, mit Ringen von
Flüssen und Strömen / Mit den Augen kann man leicht erkennen, wie schön die
Landschaft ist“: Deben Bhattacharya, 1921 in Varanasi geboren, greift in
„Faces of the Forest“ wiederholt Liedtexte als Möglichkeit auf, die
Weltsicht der Santhal in Selbstäußerungen zu vermitteln. Vor allem die
Bedeutung von Bäumen und Wäldern klingt in den Texten mehrfach an.
Während sich der Film weitgehend auf die Verbindung von sozialem Leben,
Tanz und Musik konzentriert, findet sich schon früh eine gut gesetzte
Kritik an Fremdbildern der Santhal: „Religiöse Vorstellungen und Rituale
wurden von früheren Generationen übernommen ohne auffällige Veränderungen.
Sie wurden von evangelikalen Missionaren im 19. Jahrhundert als Dämonismus
verurteilt. Heute würde man schlicht von Animismus sprechen, der für die
Santhal ganz offensichtlich wichtig ist als Grundlage von sozialem Leben
und dem Selbstausdruck in Musik und Tanz.“
Die zwei Filmabende, die Arindam Sen (Mitbegründer der Brüsseler Plattform
für Experimentalfilmprogramme, Cinema Parenthèse) für das Sinema Transtopia
organisiert hat, werden am Freitagabend ergänzt durch eine Hörauswahl. Die
Abende setzen eine Reihe von Anstrengungen fort, dem lange übersehenen Werk
von Deben Bhattacharya zu seinem rechtmäßigen Platz in der Geschichte
musikalischer Feldforschung zu verhelfen. Die sechs Filme des Programms
widmen sich ganz unterschiedlichen Traditionen Südostasiens – und
Bhattacharyas Werk ist noch deutlich umfangreicher. Was auf eine künftige
Fortsetzung hoffen lässt, um diese Entdeckung weiter vertiefen zu können.
22 Jan 2025
## LINKS
[1] https://sinematranstopia.com/de/program/film-series/retake
## AUTOREN
Fabian Tietke
## TAGS
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