# taz.de -- Nordkorea an der Seite Russlands: Die Zeitenwende erreicht Korea | |
> Nordkoreas Truppenentsendung nach Russland weckt in Südkorea die Angst, | |
> der Norden beschaffe sich in Europa Kampferfahrung und moderne | |
> Technologie. | |
Bild: Nordkoreas Soldaten in Russland sind seit Tagen das alles dominierende Th… | |
Seoul taz | Um Punkt 12 Uhr mittags am Montag schritt Mark Rutte ans | |
Rednerpult im Nato-Hauptquartier und brachte die Öffentlichkeit auf den | |
neuesten Stand. „Heute kann ich bestätigen, dass nordkoreanische Truppen | |
nach Russland geschickt wurden und dass nordkoreanische Militäreinheiten | |
bereits in der Region Kursk stationiert wurden“, sagte der neue | |
Nato-Generalsekretär kurz und bündig. Die [1][Achse Pjöngjang-Moskau] | |
stelle eine „bedeutsame Eskalation“ und eine „gefährliche Expansion des | |
russischen Angriffskrieges“ dar. | |
Zuvor war Rutte von einer südkoreanischen Delegation gebrieft worden. | |
Hochrangige Vertreter des Geheimdienstes sowie des | |
Verteidigungsministeriums in Seoul teilten ihren Informationsstand. | |
Dass Südkorea das Thema der [2][nordkoreanischen Truppenentsendung nach | |
Russland] auf die internationale Agenda bringen möchte, ist nur allzu | |
verständlich, droht derzeit doch das Machtgefüge auf der koreanischen | |
Halbinsel ins Wanken zu geraten. | |
Der Oktober 2024 ist für Südkorea eine Zeitenwende. Nordkoreas Soldaten in | |
Russland sind seit Tagen das alles dominierende Thema. Es prangt auf den | |
Titelseiten der Zeitungen, eröffnet die Abendnachrichten im Fernsehen und | |
mobilisiert die Bevölkerung zu öffentlichen Kundgebungen auf die Straße. | |
## Nordkoreas Truppen in der Ukraine: Spezialkräfte, nicht Fußvolk | |
Doch geeinter Meinung sind die SüdkoreanerInnen, wie in praktisch allen | |
Grundsatzfragen, keineswegs. Die politische Linke spricht sich gegen eine | |
Annäherung an die Ukraine aus – aus Angst, in einen eskalierenden Konflikt | |
mit dem Norden gezogen zu werden. „Südkorea sollte sich nicht in einen | |
Stellvertreterkrieg mit Nordkorea verwickeln lassen“, sagte Park Chan-dae, | |
Parteichef der oppositionellen Minjudang. | |
Südkoreas Geheimdienst geht davon aus, dass Nordkorea bis Dezember 10.000 | |
Mann nach Russland entsenden wird. Rund 3.000 sollen sich bereits dort | |
aufhalten und für den Kriegseinsatz vorbereitet werden. Dabei soll es sich | |
laut ersten Einschätzungen nicht um das gewöhnliche Fußvolk der 1,3 | |
Millionen starken Volksarmee handeln – jenen Soldaten also, die oftmals | |
unterernährt und schlecht ausgebildet sind –, sondern um Spezialkräfte. | |
„Bei diesen Einheiten handelt es sich wahrscheinlich um nordkoreanische | |
Elitesoldaten, die über gewisse Spezialfähigkeiten verfügen“, kommentierte | |
jüngst Chun In Bum, pensionierter Generalleutnant der südkoreanischen | |
Armee. | |
Vermutet wird, dass Nordkoreas Machthaber Kim vier Brigaden aus dem | |
berüchtigten 11. Armeekorps der nordkoreanischen Volksarmee entsendet – | |
einer Spezialeinheit, die mindestens 40.000 Soldaten umfasst und in ihren | |
Fertigkeiten durchaus den Rangers der US-Armee ähnelt. Kim hat Einheiten | |
des 11. Armeekorps seit September mindestens zweimal persönlich inspiziert. | |
Südkorea hat Erfahrungen mit Pjöngjangs Elitesoldaten. Am 17. Januar 1968 | |
schlugen sich 31 Agenten der berüchtigten nordkoreanischen „Einheit 124“ | |
durch die verminte Demarkationszone nach Süden durch, um in einer | |
Infiltrierungsmission Südkoreas damaligen Präsidenten Park Chung Hee zu | |
enthaupten. Erst am letzten Checkpoint, wenige hundert Meter vor dem | |
ikonischen Präsidentensitz Cheongwadae, konnten die Eindringlinge durch ein | |
blutiges Feuergefecht gestoppt werden. | |
## Söldner als gutes Geschäft für Nordkorea | |
56 Jahre später fürchtet Südkorea nun, dass die nordkoreanischen Soldaten | |
Kriegserfahrungen in der Ukraine sammeln könnten, um sich für den Ernstfall | |
auf der koreanischen Halbinsel zu rüsten. Zudem dürfte Russland die | |
Nordkoreaner auch mit neuer Militärtechnologie versorgen. | |
„Der Ukrainekrieg hat die Sicherheitslage in Ostasien verschlechtert. | |
Russland und Nordkorea arbeiten daran, die internationale Ordnung zu | |
destabilisieren“, sagt Frederic Spohr, Leiter der | |
Friedrich-Naumann-Stiftung Korea. | |
Im Kern jedoch sind Kims Russland-Söldner vor allem finanziell ein gutes | |
Geschäft. In einer aktuellen Studie der Friedrich-Naumann-Stiftung vom | |
Montag wird geschätzt, dass Nordkoreas Waffenlieferungen an Russland seit | |
Beginn des flächendeckenden Angriffskriegs gegen die Ukraine im Wert | |
zwischen 1,7 und 5,5 Milliarden US-Dollar liegen. Die Zahlen beruhen auf | |
Geheimdienstberichten und geleakten Dokumenten, die Dimension ist enorm: | |
Nordkoreas Volkswirtschaft insgesamt wird von der Zentralbank in Seoul auf | |
lediglich 23 Milliarden US-Dollar beziffert. | |
## Das Thema aussitzen | |
Die [3][Volksrepublik China] dürfte an der Annäherung zwischen Pjöngjang | |
und Moskau keinen Gefallen finden, allein schon weil diese Nordkoreas | |
Abhängigkeit gegenüber dem mächtigen Nachbarn China reduziert. Und obwohl | |
Staats- und Parteichef Xi Jinping sich stets gegen eine „Blockbildung“ wie | |
zu Zeiten des Kalten Krieges ausgesprochen hat, hält sich die Parteiführung | |
in Peking bislang mit öffentlicher Kritik vollkommen zurück. Man muss schon | |
genau hinschauen. So blieb etwa der chinesische Botschafter in Pjöngjang | |
einer Feier zum Ende des Koreakriegs fern – nur wenige Wochen nachdem Kim | |
und Putin ihren weitreichenden Militärpakt unterzeichnet hatten. Chinas | |
Außenministerium versucht, das Thema auszusitzen. Jedes Mal, wenn Reporter | |
dort bei der täglichen Pressekonferenz nach den nordkoreanischen Soldaten | |
in Russland fragen, heißt es bloß: „China ist sich der entsprechenden | |
Situation nicht bewusst.“ | |
In Chinas akademischen Kreisen wird das Thema aufgrund seiner politischen | |
Sensibilität vorsichtig behandelt, doch lassen sich durchaus ambivalente | |
Einschätzungen finden. „Meiner Ansicht nach hatten Nordkorea und Russland, | |
die beide unter enormem strategischem Druck stehen, keine andere Wahl, als | |
engere Beziehungen zu knüpfen“, kommentiert Feng Yujun, Historiker an der | |
renommierten Peking-Universität: „Unter immensem Druck streben Nordkorea | |
und Russland danach, die Blöcke aus der Zeit des Kalten Krieges (…) | |
wiederherzustellen, in der festen Absicht, China in ihr Lager zu ziehen.“ | |
Doch genau dieses Vorhaben sei zum Scheitern verurteilt: Die Stärke | |
Russlands und Nordkoreas habe nachgelassen, und sie reiche sicher nicht | |
aus, um dem Westen die Stirn zu bieten. Feng Yujun, der als vergleichsweise | |
kritischer Geist gilt, zieht eine durchwachsene Schlussfolgerung: Russland | |
und Nordkorea können ein paar kurzfristige Vorteile erreichen, doch | |
langfristig überwiegen die strategischen Nachteile. China solle sich daher | |
hüten, unnötigen Ärger auf sich zu ziehen. | |
28 Oct 2024 | |
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## AUTOREN | |
Fabian Kretschmer | |
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