# taz.de -- Letzte Pegida-Kundgebung in Dresden: Nicht jedem Ende wohnt ein Zau… | |
> Zur letzten Pegida-Demo in Dresden beschwört Schaumschläger Lutz Bachmann | |
> ein Ersatzformat. Auf der Gegendemonstration bedankt man sich für den | |
> Mobilisierungseffekt. | |
Bild: Tschüss Pegida: in Dresden demonstrieren Rechtsextreme und notorische Ne… | |
Dresden taz | Nur etwa 800 [1][Pegida-Anhänger] wollten am | |
Sonntagnachmittag noch einmal die guten alten, aber keineswegs veralteten | |
Zeiten heraufbeschwören, als sie den Ruf Dresdens und [2][Sachsens | |
nachhaltig beschädigten]. Vor genau zehn Jahren fand die erste kleine | |
Demonstration einer bis dahin unbekannten Privatgruppe „Patriotische | |
Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ in Dresden statt. Die | |
Bewegung wuchs lawinenartig im schwierigen Jahr für Geflüchtete 2015 auf | |
bis zu 20.000 Teilnehmer bei ihren „Montagsspaziergängen“ an, verlor sich | |
aber zunehmend. Diese 250. Demo auf dem Neumarkt sollte die letzte sein, | |
verkündete Pegida-Häuptling [3][Lutz Bachmann] nun. | |
Er flog dazu von seinem Wohnsitz auf Teneriffa ein, wo er seit vielen | |
Jahren seine glühende deutsche Vaterlandsliebe auslebt. Angeblich soll er | |
krank sein und in finanziellen Nöten stecken. Aber auf dem traditionellen | |
Pegida-Lautsprecherwagen wirkte er schnoddrig und aggressiv wie gewohnt und | |
zog seine Show ab. Nur mit politischen Äußerungen hielt er sich zurück und | |
moderierte vorwiegend. Der „Patriot“ mit 22 Vorstrafen verwies selbst auf | |
seine Mitte August erfolgte neueste Verurteilung wegen Beihilfe zur | |
Volksverhetzung im Internet zu 17 Bewährungsmonaten. | |
Die Polizei trennte die Pegida-Ecke mit einem etwa zehn Meter breiten | |
Gitterkorridor von der Gegendemo vor der Dresdner Frauenkirche mit einer | |
ähnlichen Teilnehmerzahl. „Solange sich die Menschen nicht vertragen, | |
müssen wir das machen“, erklärt ein Polizist. Der schwarze Antifa-Block mit | |
etwa 350 Personen „begleitete“ zwischenzeitlich lautstark den sogenannten | |
Spaziergang von Pegida durch die Dresdner Innenstadt. | |
## Tummelplatz für Faschisten und skurrile Typen | |
Déja-Vu-Gefühle stellten sich ein. Wie immer dominierten die grauen Bärte, | |
erschollen „Lügenpresse“-Rufe. Schwarweißrote Fahnen, die missbrauchte | |
Wirmer-Flagge des Widerstandes gegen Hitler vom 20. Juli 1944, | |
Trump-Transparente. Neu war die Dominanz der weißgrünen Flaggen der vom | |
Erzgebirge einsickernden ultrarechten „Freien Sachsen“. Wie immer ist auch | |
der Moskauer Propagandasender „Russia today“ dabei. Er interviewt gerade | |
einen Mann mit dem Plakat „Dresdner Christen grüßen Pegida“. Danach zur | |
Rede gestellt, ob er denn wisse, was bei Matthäus 6 oder 25 steht, stellt | |
sich heraus, dass er überhaupt keine Ahnung vom Neuen Testament der Bibel | |
hat. | |
Noch einmal führte Pegida vor, für welche faschistischen bis skurrilen | |
Typen es zehn Jahre einen Tummelplatz bot. Notorische Neinsager gegen | |
alles, Widerstandsromantiker, Untergangssüchtige, Menschen mit | |
Ausländerphobien und Nationalkomplexen, Kurz-, Klein- und Querdenker. Nicht | |
nur harmlos, auch zu Mordaufrufen fähig. | |
Bei dieser Geisterbeschwörung eines glorreichen Jahrzehnts blieb die | |
tatsächliche Pegida-Geschichte unerwähnt. Wie der Narzisst Lutz Bachmann | |
fast alle Mitglieder des Orga-Teams weg biss. Wie sich ein Flügel um | |
Tatjana Festerling abspaltete, die bei den Dresdner Oberbürgermeisterwahlen | |
2015 immerhin zehn Prozent der Stimmen erhielt. Wie der Schaumschläger | |
Bachmann schon mal eine Pegida-Partei gründen wollte und Volksinitiativen | |
ankündigte, die nicht einmal Formulierungsreife erlangten. | |
Politikwissenschaftler und Journalisten schwankten, ob die gummiartig mit | |
Pegida verbundene [4][sächsische AfD] nun deren parlamentarischer Arm oder | |
umgekehrt Pegida eher die Straßenkolonne der AfD sei. 2021 hatte der | |
sächsische Verfassungsschutz Pegida als extremistische Vereinigung | |
eingestuft. | |
## Der gewohnte Größenwahn | |
Angewärmt durch die eigens für Pegida komponierte Hymne verstieg sich Lutz | |
Bachmann am Sonntag noch einmal zum gewohnten Größenwahn. Weltweit habe man | |
2.900 Pegida-Demos gezählt, die größte im australischen Sydney. Goethes | |
„Stirb und werde“ zu kennen kann man ihm nicht zutrauen, aber in diesem | |
Sinn hielt er eine Überraschung bereit. „Wir werden bald zurück sein, mit | |
neuen Formaten, an denen wir hart gearbeitet haben, um die politische | |
Landschaft zu verändern!“ Alles Weitere überließ er der Fantasie, soweit | |
vorhanden. | |
Gastredner hielten dazu immerhin Herrmann Hesses „Stufen“-Gedicht bereit, | |
dessen berühmteste Zeile lautet „und jedem Anfang wohnt ein Zauber innen“. | |
So der brandenburgische AfD-Fraktionschef im Landtag Hans-Christoph Berndt | |
mit einer fanatischen Rede. „Hier steht die Zukunft“, behauptete er. | |
„Pegida ist ein Teil des AfD-Wahlerfolgs“, bedankte er sich eifrig. | |
Auch Österreichs [5][Identitären-Gründer Martin Sellner] griff Hesse auf. | |
Mit ihm sandte das Who's who des deutschsprachigen Rechtsextremismus | |
akustische Grußbotschaften, meist emotionalen Inhalts. Götz Kubitschek vom | |
Schnellrodaer Antaios-Verlag, Jürgen Elsässer vom Compact-Magazin, der | |
Thüringer AfD-Chef Björn Höcke. | |
Peinlich geriet der Auftritt der früheren [6][Ost-SPD-Mitgründerin Angelika | |
Barbe], die als Mitarbeiterin der sächsischen Landeszentrale für politische | |
Bildung dem damaligen Direktor Frank Richter schon das Leben schwermachte, | |
bevor sie endgültig nach rechts abdriftete. Richter zeigte sich jetzt wenig | |
glücklich über das Pegida-Ende. Denn deren Hass und Menschenverachtung sei | |
längst in die Mitte der Gesellschaft und der Parlamente vorgedrungen. | |
Ähnlich äußerte sich auf der Gegendemo die junge SPD-Landtagsabgeordnete | |
Sophie Koch. Sie bedankte sich sarkastisch aber bei Pegida für den | |
Mobilisierungseffekt, den die Bewegung bei Demokraten und Humanisten | |
ausgelöst habe. | |
20 Oct 2024 | |
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## AUTOREN | |
Michael Bartsch | |
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