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# taz.de -- Friedensbewegung Israel/Palästina: Ein Funken Hoffnung auf eine fr…
> Der Gazakrieg hat die Arbeit der Friedensorganisation Combatants for
> Peace verändert. Ihre Kodirektorinnen über Frust und Chancen.
Bild: Palästinenser*innen und jüdische Israelis begehen den sogenannten Nakba…
taz: Frau Koranyi, Frau Salman, mit der israelisch-palästinensischen NGO
Combatants for Peace setzen Sie sich für Frieden und Verständigung ein. Hat
sich Ihre Arbeit nach dem 7. Oktober verändert?
Eszter Koranyi: Die Herausforderungen sind größer geworden. Wir mussten am
Anfang tief Luft holen und sehr schwierige Gespräche führen, aber sonst
haben wir grundsätzlich das fortgeführt, was wir auch vor dem 7. Oktober
getan haben.
Rana Salman: Aber das politische Klima hat sich deutlich geändert. Sowohl
Israelis als auch Palästinenser*innen erleben eine Eskalation der
Gewalt und fühlen eine tiefe Angst und Unsicherheit.
Zwei Monate lang konnten wir uns nicht treffen, weil die Straßen gesperrt
waren. Mein Büro liegt im Gebiet C [im Westjordanland]. Ich konnte es nicht
erreichen. Wir haben uns zum ersten Mal im Dezember wiedergesehen. Bei
diesem Treffen wollten wir einen Safe Space für alle schaffen, in dem die
Teilnehmer*innen ihre Gefühle und Ängste teilen konnten.
taz: Frau Koranyi, Sie haben gerade „schwierige Gespräche“ erwähnt. Sie
sind Friedensaktivistinnen, aber waren Sie manchmal misstrauisch oder
wütend auf die jeweils anderen, nach all dem Leid und der Gewalt?
Koranyi: Für mich ist es ziemlich klar, dass die Hamas nicht alle
Palästinenser*innen vertritt. Es gibt böse Gruppen überall. Die Hamas
und die Hisbollah sehen uns wahrscheinlich nicht als Menschen, so wie viele
Israelis Palästinenser*innen nicht als Menschen sehen. Aber ich weiß
auch, dass viele anders denken und die Hisbollah oder die Hamas nicht
unterstützen. Und ich verstehe, wieso es diese Entmenschlichung gibt: wegen
der Besatzung, wegen Israels Kriegsverbrechen in Gaza in den letzten 20
Jahren. Als der Angriff passierte, war ich sehr verängstigt, aber nicht
wütend.
Salman: Mein erstes Gefühl war Angst. Ich habe mir Sorgen über die Folgen
gemacht. Ich war wütend auf die Hamas, weil Widerstand für mich anders
funktioniert. Ich kann den Kontext verstehen, aus dem die Hamas kommt. Aber
die Aktionen vom 7. Oktober kann ich nicht rechtfertigen, genauso wenig wie
die Reaktion Israels. Ich ärgere mich über beide Regierungen und über die
internationale Gemeinschaft und die USA. Denn sie hätten die Macht, das zu
stoppen. Sie sagen, dass sie keinen regionalen Krieg wollen, aber dann
bewaffnen sie Israel weiter.
taz: Waren Sie persönlich von der Gewalt betroffen?
Koranyi: Zum Glück habe ich niemanden verloren, aber ich kenne Menschen,
deren Angehörige oder Freund*innen gestorben sind. Einige
Aktivist*innen in unserem Team kommen aus [1][Gaza], sie haben dort
Familie. Die Lage ist sehr vulnerabel. [2][Zu wissen, dass jeden Tag ein
geliebter Mensch sterben könnte, ist eine sehr harte emotionale Situation.]
Bei dem jüngsten Angriff aus dem Iran habe ich meine Tochter vor Angst
zittern gesehen. Auch für mich persönlich ist es schwer: Ich gehe auf
Demonstrationen hier in Jerusalem, aber selbst viele Menschen hier, also
Menschen, mit denen ich mich am meisten identifiziere, sehen das Leiden auf
der anderen Seite nicht.
taz: Sie sagten, dass Sie sich zwei Monate lang nicht treffen konnten.
Mussten Sie nach dem 7. Oktober auch etwas an Ihren Aktivitäten ändern?
Salman: Wir mussten manche Programme um einige Monate verschieben. Etwa
unsere Bildungsprogramme für palästinensische Jugendliche: Es war ziemlich
herausfordernd, junge Teilnehmer*innen aus dem gesamten Westjordanland
nach Bethlehem zu bringen – wegen der Checkpoints und der Siedlergewalt.
Wir wollten sie diesen Risiken nicht aussetzen. Aber als wir im März wieder
anfingen, waren wir überrascht: Das Interesse junger Menschen war
gestiegen.
taz: Man hätte das Gegenteil erwartet.
Salman: Ja, wobei man sagen muss, dass Umfragen zufolge die Unterstützung
für die Hamas gestiegen ist. Und doch: Wir zielen mit unseren Programmen in
Palästina auf 20 bis 25 Teilnehmer*innen. Aber im März haben wir
plötzlich 93 Bewerbungen bekommen. Das war eine schöne Überraschung. In der
israelischen Gesellschaft ist es genauso. Mehrere israelische
Aktivist*innen wollten sich zum Beispiel unserer „schützenden
Anwesenheit“ im Jordantal anschließen.
taz: Aktivist*innen begleiten dabei palästinensische Hirten oder
Bauern, um sie vor Angriffen von israelischen Siedler*innen zu schützen.
Salman: Ja. Diese schwierigen Zeiten haben die Augen vieler Menschen
geöffnet für den Weg, den sie gehen möchten. Es muss nicht immer Gewalt
sein.
taz: Wie reagieren die Palästinenser*innen und die Israelis heute auf
Ihre Arbeit?
Koranyi: In Israel sagen jetzt auch viele derjenigen, die vorher an die
Möglichkeit von Frieden geglaubt haben, dass der 7. Oktober ihnen die Augen
geöffnet habe. Sie glauben nicht mehr, dass es auf palästinensischer Seite
einen Partner für Frieden gibt. Wir haben also einige
Unterstützer*innen verloren. Andererseits sagen auch manche Menschen,
dass wir eine der wenigen Gruppen sind, die ihnen einen Funken Hoffnung
geben.
Salman: In der palästinensischen Gesellschaft haben Vorwürfe, dass wir die
israelische Besatzung normalisieren, unsere Arbeit schon immer erschwert.
Aber seit dem Krieg ist alles schwieriger geworden. Die Menschen leiden und
sind zornig.
taz: Die Lage in beiden Gesellschaften scheint sich zunehmend zu
polarisieren. Wie gefährlich ist Ihre Arbeit?
Koranyi: Kein Teammitglied wurde belästigt, weder vor dem 7. Oktober noch
danach. Aber die aktuelle Lage ist so, dass ich nicht jedem erzähle, für
wen ich arbeite, weil ich nicht weiß, wie die Person reagieren wird. In
Palästina ist es aber sicherlich anders.
Salman: Bei unserer Arbeit begegnen wir Militär, vielleicht Siedler*innen.
Es kann sein, dass du verhaftet wirst oder dir Gewalt widerfährt. Und als
Palästinenser*innen unterliegen wir – anders als Israelis – dem
Militärgesetz.
taz: Durch wen erfahren Sie am meisten Gegenwind?
Koranyi: In Israel sind das die üblichen Verdächtigen: Rechte, manchmal
Religiöse – aber nicht immer. Linke sagen eher, dass wir optimistische
Närr*innen sind.
Salman: [3][Ich habe manchmal das Gefühl, dass Palästinenser*innen im
Ausland eine andere Vision für die Zukunft, für Frieden haben.] Bei ihnen
geht es eher um ein historisches Palästina.
taz: Historisches Palästina – das bedeutet?
Salman: Sagen wir so: Heute leben hier zwei Nationen, die dieses Land beide
Heimat nennen. Wir von Combatants for Peace malen uns eine gemeinsame
Zukunft aus, weil unsere Leben jetzt miteinander verflochten sind.
taz: Glauben Sie also immer noch an eine friedliche Lösung?
Koranyi: Natürlich, sonst wären wir nicht hier. Ob die Zweistaatenlösung
oder jede andere Lösung, die beide Seiten akzeptieren – wir sind dafür.
Beide Seiten werden auf Erwartungen und Gebiete verzichten müssen, aber am
Ende ist es nicht so schwer. Man braucht nur eine politische Führung, die
bereit ist, dies zu tun. Und Menschen, die dahinterstehen.
15 Oct 2024
## LINKS
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## AUTOREN
Serena Bilanceri
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