# taz.de -- Rentenpaket im Bundestag: Streitpaket, das nächste | |
> In der Ampel zeichnet sich der nächste große Konflikt ab. Bei der Debatte | |
> über das Rentenpaket hält die FDP eine „astreine Oppositionsrede“. | |
Bild: Warb für den Gesetzentwurf aus seinem Haus: Arbeitsminister Hubertus Hei… | |
Berlin taz/epd/dpa | Vor der Debatte ist nach der Debatte. Der Bundestag | |
hat am Freitag das sogenannte Rentenpaket II kontrovers diskutiert. Dabei | |
traten auch die Spannungen in der Ampelkoalition deutlich zutage. | |
Arbeitsminister Hubertus Heil, SPD, warb für den Gesetzentwurf aus seinem | |
Haus: „Es geht darum, dass wir das Rentenniveau dauerhaft stabil halten, | |
und zwar für alle Generationen.“ Die gesetzliche Rente sei „die wichtigste | |
Sicherheit im Alter“, für viele Menschen die einzige. | |
Der Gesetzentwurf sieht vor, die Renten langfristig auf dem heutigen | |
Niveau, also bei 48 Prozent des Durchschnittslohns, zu stabilisieren und | |
sie zugleich bezahlbar zu halten. Dafür sollen ab Mitte der 2030er Jahren | |
Aktienerträge aus einem staatlichen Fonds an die Rentenversicherung | |
fließen. Das soll [1][den zu erwartenden Anstieg der Beiträge abfedern,] | |
verhindern wird es ihn aber nicht. | |
Der mühsam ausgehandelte Kompromiss zwischen SPD und FDP ist noch längst | |
nicht in trockenen Tüchern. „Da müssen wir alle gemeinsam ehrlich und | |
gründlich noch mal ran“, gab der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP, | |
Johannes Vogel, einen Vorgeschmack auf künftige Dispute in der Ampel. | |
Heil, diese antizipierend, nutzte seinen Auftritt, um sich speziell bei | |
FDP-Finanzminister Christian Lindner zu bedanken und gleichzeitig zu | |
appellieren: „Wir haben eine gemeinsame Verantwortung, noch in dieser | |
Legislaturperiode die Weichen für das Alterssicherungssystem weit über die | |
heutige Zeit zu stellen.“ | |
## SPD gegen höheres Rentenalter, Union aber auch | |
Die SPD und auch Bundeskanzler Olaf Scholz hatten die Verabschiedung des | |
Rentenpakets zur Bedingung für den Fortbestand der Ampelkoalition gemacht. | |
Heil sprach sich zugleich gegen ein höheres Renteneintrittsalter aus. „Wer | |
will und kann, soll länger arbeiten.“ Dafür werde die Regierung auch | |
finanzielle Anreize setzen. Der Union warf er vor, das Renteneintrittsalter | |
erhöhen zu wollen. Das sei wirklichkeitsfremd. Heil spielte auf | |
Formulierungen im Grundsatzprogramm der CDU und auf einen Vorstoß des | |
CDU-Wirtschaftsflügels an. | |
„Fake News“, konterte Unions-Fraktionsvize Hermann Gröhe. CDU-Chef | |
Friedrich Merz habe sich gegen eine Erhöhung der Altersgrenze | |
ausgesprochen. Gröhe nannte das Rentenpaket eine verpasste Chance für mehr | |
Generationengerechtigkeit. „Sie interessieren sich nicht für die nächste | |
Generation, Sie interessieren sich für's nächste Wahlplakat“, warf er den | |
Sozialdemokraten vor. | |
Gröhe kritisierte explizit den Wegfall des sogenannten | |
Nachhaltigkeitsfaktors, der 2004 von der damaligen SPD-Sozialministerin | |
Ulla Schmidt eingeführt worden war. Dieser dämpft die Rentenanpassung, wenn | |
die Zahl der Rentner schneller steigt als die der Beitragszahler. „Sie | |
entsorgen damit auch die rentenpolitische Vernunft Ihrer eigenen Partei“, | |
sagte Gröhe an die Adresse der Sozialdemokraten. Er warb für einen Neustart | |
in der Rentenpolitik, deshalb müsse die Ampel in Rente geschickt werden. | |
## FDP kritisiert Beitragssteigerungen | |
Das Rentenpaket ist in der Tat eine Schwachstelle der Koalition. Die FDP | |
hat noch erhebliche Kritik an dem Paket. Das machte Vogel deutlich. [2][Er | |
lobte zwar das Generationenkapital.] „Endlich beginnen wir die Chancen von | |
Aktien für die gesetzliche Rente zu nutzen.“ Vogel machte aber auch | |
deutlich, dass die FDP mehr davon will. „Wenn dazu noch der sehr kluge | |
Vorschlag des Bundesfinanzministers für ein Altersvorsorgedepot in der | |
privaten Altersvorsorge käme, dann geht unser Land einen großen Schritt in | |
Richtung Aktienkultur und einer Rente, aus der die Menschen mehr | |
rausbekämen.“ | |
Lindner hatte vorgeschlagen, private Rentendepots mit bis zu 600 Euro | |
steuerlich zu fördern. Der Sozialverband kritisiert das, da gerade gering | |
Verdienende kaum Geld für Aktien übrig und deshalb nichts davon hätten. | |
FDP-Vize Vogel kritisierte, dass der Gesetzentwurf eine enorme Steigerung | |
der Beiträge bedeute. „Stabilisierung der Rente kann nicht bedeuten, wir | |
erhöhen einfach die Beiträge für die arbeitende Mitte und für die junge | |
Generation immer weiter.“ Die langfristige Finanzierbarkeit müsse stimmen. | |
Er sprach von zu erwarten Mehrkosten von 500 Milliarden, „die nicht einfach | |
aus Steuermitteln ausgeglichen werden können.“ | |
Vogel habe eine astreine Oppositionsrede gehalten, die FDP müsse | |
konsequenterweise die Ampel verlassen, so CDU-Finanzpolitiker Matthias | |
Middelberg. Das Generationenkapital nannte er eine „Lachnummer“. Selbst | |
wenn im Jahre 2036 eine Rendite von 10 Milliarden Euro in die Rentenkasse | |
einfließe, wäre dieser Beitrag bei zu erwartenden Ausgaben von 600 | |
Milliarden Euro „kaum messbar.“ | |
## Grüne verteidigen steigende Beiträge | |
Die Grünen stehen hinter dem Paket in der jetzigen Form. Das sogenannte | |
Generationenkapital sei immerhin „eine Innovation, die wir uns trauen“, | |
sagte die finanzpolitische Sprecherin der Grünen Katharina Beck. Sie | |
forderte aber, das Kapital auch „generationengerecht“ anzulegen. Einziges | |
Kriterium bislang sei Rendite. | |
Um das Rentenniveau zu stabilisieren, nehme man bewusst einen Anstieg der | |
Beiträge in Kauf, so Frank Bsirske für die Grünen und rechnete vor: Das | |
entspräche für Durchschnittsverdienende einer Mehrbelastung von 25 Euro pro | |
Monat, dafür erhielten diese ab 2035 dann 115 Euro mehr Rente pro Monat. | |
„Das behebt nicht alle Altersarmutsrisiken, ist aber ein wichtiger Schritt, | |
ihnen entgegenzuwirken.“ | |
Für das [3][BSW] kritisierte Alexander Ulrich, dass die Bundesregierung mit | |
dem Rentenpaket Altersarmut fortschreibe. Über die Hälfte der deutschen | |
Rentner bekäme derzeit schon unter 1100 Euro. In die gleiche Richtung | |
argumentiert auch die Linke. Gruppenvorsitzende Heidi Reichinnek | |
prognostizierte: „Es bleibt bei jährlich neuen Rekorden bei der | |
Altersarmut.“ | |
Nach der ersten Beratung im Bundestagsplenum wird das Rentenpaket nun im | |
zuständigen Ausschuss beraten. Wann die abschließende Debatte und | |
Abstimmung folgt, ist offen. | |
27 Sep 2024 | |
## LINKS | |
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[2] /Ampel-stellt-neues-Rentenpaket-vor/!5993621 | |
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## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
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