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# taz.de -- Debatte über Reformen beim ÖRR: Bitte mehr kürzen!
> Im Diskurs über die Zusammenlegung von 3sat und Arte kommt der digitale
> Wandel zu kurz. Es braucht mutige Strategien, damit der ÖRR relevant
> bleibt.
Bild: Früher war mehr TV-Programm
Für ARD und ZDF werde es jetzt richtig heikel, titelt die Süddeutsche
Zeitung. Für die [1][angekündigte Zusammenlegung von 3sat mit Arte] fehle
der 3sat-Koordinatorin Natalie Müller-Elmau aber die Fantasie, wie das denn
alles genau von den medienpolitischen Entscheider*innen gedacht sei,
sagte sie kürzlich im Interview. Angst und Perspektivlosigkeit scheinen die
Themen zu sein, die die aktuelle Debatte über die Reformen der
öffentlich-rechtlichen Sender bestimmen. Befürchtet wird der Verlust eines
Senders, der zum Erhalt des Programmauftrags und damit zumindest mittelbar
zum Erhalt der Demokratie beitragen könnte.
Dass der Wegfall von einigen Sendern des ÖRR allerdings auch eine Chance
für einen starken und zukunftsgerichteten öffentlich-rechtlichen Rundfunk
in Deutschland sein könnte – das können wir alle uns nur schwer vorstellen.
Denn allein die Worte „Reform“ und „Einsparungen“ machen ja schon Angst…
Bange. Das ist nur menschlich. Wissenschaftler*innen der
[2][University of Virginia haben kürzlich in einem Experiment die
menschliche Tendenz untersucht], bei Problemlösungen bevorzugt etwas
hinzuzufügen, statt etwas wegzulassen, selbst wenn das Entfernen
effizienter wäre.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht u[3][nter erheblichem Druck, nicht
nur, aber sehr laut von rechtsaußen.] Die AfD würde ihn am liebsten ganz
abschaffen, auf Demonstrationen nehmen verbale und körperliche Angriffe
gegen Journalist*innen zu.
Online hetzen rechte Parteien und Einzelpersonen gegen „die Medien“ und
damit immer auch gegen die Werte der Demokratie. Der daraus resultierenden
Angst und Perspektivlosigkeit dürfen wir uns aber auf keinen Fall beugen
und den ÖRR entsprechend dieser Vorstellungen demontieren.
## Mehr Mut
Und trotzdem braucht der ÖRR mutige Reformen, weil die Zeit für sie
gekommen ist. Der Betrieb zahlreicher, oft ähnlich ausgerichteter Programme
ist nicht nur teuer, sondern verliert auch an Relevanz, schlicht durch den
Wandel im Nutzungsverhalten der Zuschauer*innen. Der Anteil, der lineares
Fernsehen konsumiert, wird von Jahr zu Jahr kleiner.
In einer Zeit, in der Streamingdienste wie Netflix, Amazon und andere
digitale Plattformen das Konsumverhalten der Menschen bestimmen, muss sich
der ÖRR den veränderten Realitäten anpassen. Die einzige Antwort, die die
Sender darauf in letzter Zeit fanden – wenn sie sich was trauten – war: Wir
müssen auf die Plattformen! Funk macht Inhalte auf Tiktok, der SWR erfindet
das „SWR X Lab“ oder der WDR den „Innovation Hub“; und die ARD-Audiothek
läuft mit einem unübersichtlichen Programm über. Hinzufügen statt Bündelung
als Patentlösung.
Über diese Vorstellung müssen wir hinwegkommen und neue Visionen
entwickeln. Das bedeutet, auch über die Zusammenlegung von 3sat und Arte zu
reden. Beide Sender bieten hochwertige Kulturberichterstattung, europäische
Perspektiven und zumindest oft anspruchsvolle Dokumentationen.
Durch eine Zusammenlegung könnte ein stärkerer gemeinsamer Sender
entstehen, der das Beste aus beiden Welten vereint. Das könnte Ressourcen
sparen und einen klareren, attraktiveren Rundfunk schaffen. Das muss nicht
bedeuten, Inhalte oder Arbeitsplätze zu opfern, sondern sie in eine
modernere Form zu kippen, die den Ansprüchen des digitalen Publikums
gerecht wird.
## Im digitalen relevant bleiben
Der ÖRR hat es verdient und es ist seine Aufgabe, durch eine Neuausrichtung
im digitalen Raum an Relevanz zu gewinnen. Gut produzierte und
recherchierte Inhalte könnten durch bessere Positionierung aus dem
Programmdickicht hervorstechen. Und das könnte dann auch für die
Streaming-Plattformen ein echter Konkurrent werden.
Wie das funktioniert, dafür gibt es Beispiele. Vielleicht hilft ein Blick
in Nachbarländer, wie etwa Großbritannien, in denen eine solche
Sendervielfalt wie hierzulande nahezu absurd erscheint; oder auf die
Ergebnisse des Zukunftsrats, einem extra für Zukunftsvisionen des ÖRR
geschaffenen Gremium, das Anfang dieses Jahres Reformvorschläge
veröffentlichte. Auch die gemeinnützige Organisation Agora Digitale
Transformation sieht einen starken ÖRR nur mit mutigen Schritten im
Digitalen für relevant und will Anfang kommenden Jahres konkrete
Handlungsempfehlungen für die Sender veröffentlichen. In der Zwischenzeit
hilft den Entscheidungsträger*innen ja vielleicht auch mal:
durchatmen und Ballast abwerfen.
8 Oct 2024
## LINKS
[1] https://www.3sat.de/wissen/nano/241002-beitrag-zukunft-3sat-102.html
[2] /Menschliche-Denkfalle/!6029077
[3] /OeRR-vor-den-Wahlen-im-Osten/!6029278
## AUTOREN
Ann-Kathrin Leclere
## TAGS
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