# taz.de -- Debatte um „Trostfrauen“-Mahnmal: Die Friedensstatue nervt | |
> Kein anderes Mahnmal trägt das Thema sexuelle Gewalt in Kriegen so stark | |
> in die Öffentlichkeit wie die Statue in Mitte. Das darf nur der Anfang | |
> sein. | |
Bild: Die sogenannte Trostfrauenstatue in Moabit im Bezirk Mitte | |
Hat Berlin und vor allem sein zentraler Hauptstadtbezirk Mitte nichts | |
Besseres zu tun, als immer wieder über eine kleine Statue zu diskutieren, | |
die einen vergangenen Konflikt am anderen Ende der Welt thematisiert, der | |
zwischen den damaligen Kontrahenten geregelt ist? Reicht es jetzt nach vier | |
Jahren nicht? Nein. Das Gegenteil ist der Fall. | |
Das Mahnmal erinnert nur auf den ersten Blick allein an die Verbrechen an | |
den sogenannten Trostfrauen im Pazifikkrieg. Die Statue und die dahinter | |
stehende unabhängige zivilgesellschaftliche Berliner Organisation Korea | |
Verband tragen mit ihr beharrlich das Thema sexuelle Gewalt in Konflikten | |
in die Öffentlichkeit der Stadt – fantasievoll, friedlich und demokratisch. | |
Die Mädchenstatue lädt mit dem leeren Stuhl neben ihr selbst dazu ein, sich | |
zu ihr zu setzen und den Dialog zu suchen. | |
Zum Erfolg der ungewöhnlichen wie unbequemen Statue hat neben der | |
Beharrlichkeit der Initiator*innen auch die Dummdreistigkeit der | |
japanischen Regierung und ihrer Botschaft beigetragen, souveräne hiesige | |
Entscheidungsträger unter Druck zu setzen und Berlins Zivilgesellschaft zu | |
ignorieren. | |
## Wohlfeile Sonntagsreden | |
Über kein anderes Denkmal dürfte in der Hauptstadt in den vergangenen | |
Jahren mehr diskutiert worden sein. Dieses ausdrückliche Lob äußerte | |
[1][bei der Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung von Mitte am | |
Donnerstag] sogar ein CDU-Vertreter, der allerdings meinte, das sei jetzt | |
aber auch mal genug. | |
Damit reihte er sich ein in jene, die das Thema sexuelle Gewalt in | |
Konflikten zwar inzwischen öffentlich als Problem einräumen – wie auch | |
CDU-Senatschef Kai Wegner –, es aber nur in Sonntagsreden ansprechen und | |
ansonsten neutral und unverfänglich behandelt sehen wollen. Täter, | |
Mitläufer und Strukturen bleiben dabei ungenannt, Opfer bekommen allenfalls | |
Mitleid, aber keine Mitsprache. | |
Diese Haltung geht nicht nur vielen Tätergruppen auf den Leim, sondern auch | |
den konservativen Regierungen in Japan und Südkorea. Diese haben sich nach | |
Jahrzehnten des Leugnens lediglich auf halbherzige Schritte hinter dem | |
Rücken der Betroffenen geeinigt, um das Thema zu entsorgen. Ehrliche | |
offizielle Aufarbeitungen finden bis heute bei den meisten Konfliktparteien | |
nicht statt. | |
## Aufforderung zu weitergehenden Diskussionen | |
Berlins Friedensstatue hat dagegen gezeigt, dass die Sichtbarmachung der | |
Verbrechen sexueller Gewalt unbedingt in den öffentlichen Raum gehört. Die | |
Statue nervt – und genau das soll sie auch. Zugleich kann dies nur ein | |
allererster Schritt sein. Das Thema gehört in zivilgesellschaftliche | |
Debatten, in die politische Bildung, in Schulbücher und Medien, erst recht | |
im multikulturellen Berlin. | |
Wir merken doch, dass die Statue nicht nur Verbrechen in einem fernen | |
historischen Konflikt thematisiert. Sie fordert auch auf zu Diskussionen | |
über Wehrmachtbordelle, Vergewaltigungen Berliner Frauen durch sowjetische | |
Soldaten nach dem Zweiten Weltkrieg, Massenvergewaltigungen im | |
Bosnien-Krieg, im Kongo oder an Jesidinnen im Irak. Sie ist ein Berliner | |
Kiezgewächs, das zugleich für den Blick über den deutschen Tellerrand | |
steht, aber kein Instrument der Außenpolitik ist, sondern einer diversen | |
Zivilgesellschaft. | |
Initiativen für andere Denkmäler zum Thema sind willkommen und können die | |
Debatte bereichern, [2][sofern sie nicht darauf zielen, die Friedensstatue | |
loszuwerden]. Diese ist kein „totes“ Denkmal, auf das man pflichtschuldig | |
verweisen kann, sondern ein von großem lokalem Engagement getragener | |
lebendiger Gedenk- und Lernort und Treffpunkt. | |
20 Sep 2024 | |
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## AUTOREN | |
Sven Hansen | |
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